Fund im Streitberger Kriegerdenkmal: Attentate, Unglücke, Inflation

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Alfons Ruß schaute sich die alten Zeitungen genau an, die in der Blechkassette im Kriegerdenkmal verbrogen waren.
Alfons Ruß schaute sich die alten Zeitungen genau an, die in der Blechkassette im Kriegerdenkmal verbrogen waren.
Die Geehrten der KSK Streitberg
Die Geehrten der KSK Streitberg
 
In der Kirche war ein provisoriosches Kriegerdenkmal aufgebaut.
In der Kirche war ein provisoriosches Kriegerdenkmal aufgebaut.
 
Alfons Ruß hat Kopien der alten Zeitungsausgaben besorgt.
Alfons Ruß hat Kopien der alten Zeitungsausgaben besorgt.
 

Im Streitberger Kriegerdenkmal fanden sich Nachrichten aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.

Einen unverhofften Rückblick in bewegte Zeiten bescherte den Mitgliedern der Krieger- und Soldatenkameradschaft Streitberg und Umgebung die Sanierung des Kriegerdenkmals. Bei der Dorferneuerung wird auch das Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege von 1922 versetzt. Dabei kam eine Blechkassette mit Zeitungen vom 1. Juli 1922 zum Vorschein. Zwar waren die Druckerzeugnisse nach über 90 Jahren arg in Mitleidenschaft gezogen, doch Schriftführer Alfons Ruß beschaffte Kopien.

Ist man heute fassungslos über die internationalen Terrorakte, so beherrschten im Sommer 1922 politisch motivierte Gewaltakte die Szene in der jungen deutschen Republik.

Ein paar Tage zuvor hatte es ein Attentat der "Organisation Consul" auf Außenminister Walther Rathenau gegeben. Der liberale Politiker und Wirtschaftsführer (AEG) war auf dem Weg vom Berliner Regierungsviertel zu seiner Villa im Grunewald nach einer filmreifen Verfolgungsjagd auf dem Kurfürstendamm in seinem Wagen erschossen worden.

Nur wenige Tage zuvor hatte der Jude Rathenau mit der So wjetunion den Vertrag von Rapallo ausgehandelt und damit der jungen Weimarer Republik den Weg in eine zukunftsorientierte Außenpolitik gewiesen. Sein Tod paralysierte das politische Leben. "Deutschland verliert einen hervorragenden geistig schaffenden Menschen, der seine außerordentlichen Fähigkeiten in ehrlicher Überzeugung dem Vaterlande dienstbar machte", sagte der damalige baye rische Landtagspräsident Königbauer.


Täter auf der Flucht

Über die "allmähliche Aufdeckung des Verbrechens" berichtete der "Fränkische Kurier" aus der Kassette. Einer der Täter war demzufolge "festgesetzt", zwei andere seien noch auf der Flucht.

Ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Zustände zu dieser Zeit wirft aber auch ein "letztes Telegramm", das Nürnberg erreichte. Im oberschlesischen Gleiwitz hatten "polnische Banditen", wie es heißt, versucht, den ehemaligen kaiserlichen Feldmarschall Paul von Hindenburg zu entführen.

Der Ort Hindenburg (heute Zabrze) ist ein Vorort von Gleiwitz (Gliwice). Der Versailler Vertrag forderte die Auslieferung Hindenburgs ebenso wie die Kaiser Wilhelms und Erich Ludendorffs, was Deutschland bzw. Holland verweigerten.


Im Schatten der Inflation

Aber auch die Zerrüttung der deutschen Staatsfinanzen warf ihre Schatten voraus. Unter der Überschrift "Marktsturz und Geldnot" sah der "Wiesent-Bote" in seiner Ausgabe vom 1. Juli 1922 "ohne äußere Anleihe keine Sanierung der deutschen Finanzen". Der Versailler Vertrag verbot der deutschen Republik und ihren Geldinstituten die Aufnahme ausländischen Kapitals. Der französische Ministerpräsident Poincare forderte strikte Einhaltung.

"Damit müsste Deutschland pro Monat 50 bis 60 Millionen Goldmark aufbringen", rechnete das Blatt, denn das Papiergeld verfiel zusehends. Für einen Dollar musste man damals schon 380 Mark hinlegen.

Die wachsende wirtschaftliche Not war gewiss auch Ursache für manchen Unfall. Mehr als 40 Tote gab es allein bei einem Zugunglück der Berliner S-Bahn. Wegen starker Überfüllung der Züge standen viele Menschen auf den Trittbrettern, als sich zwei Züge zwischen Gesundbrunnen und Schönhauser Allee begegneten. "Von einer offen stehenden Tür wurden die auf den Trittbrettern stehenden heruntergerissen" und "starben einen entsetzlichen Tod", heißt es in der alten Zeitung.


Auf der Hauptversammlung

Die historischen Zeitungen sollen bei der Neuaufstellung des Kriegerdenkmales wieder eingebracht werden, beschloss die Jahresversammlung der KSK. Vorsitzender Heinrich Kutzberger dankte Pfarrerin Ulrike Werner für den Gedenkgottesdienst und Roland Knauer für den Bau eines provisorischen Kriegerdenkmals: Das Holzkreuz mit Stahlhelm war in der Kirche aufgestellt.

Grundsolide ist die finanzielle Situation des Vereins. Das ist vor allem ein Verdienst Walter Schäfers, der nach 25 Jahren sein Amt in jüngere Hände legte. Etwa 86 000 Euro hat der Verein in dieser Zeit umgesetzt, wobei vor allem die Neuanschaffung einer Fahne und weiterer Ausstattung zu Buche schlugen. Zu Schäfers Nachfolger wurde einstimmig Rene Ruß gewählt.

Bei den Wahlen wurde Matthias Worofsky zum neuen Zweiten Vorsitzenden gewählt, er folgt auf Bernhard Knauer. Beisitzer sind Peter Käsperlein und Thomas Schmeußer, Fahnenwart bleibt Edmund Schrenker.

Die Geehrten
40 Jahre
Der Krieger- und Soldatenkameradschaft Streitberg und Umgebung halten Wilhelm Lorenz, Thomas Distler, Hans Rahner und Werner Penning seit 40Jahren die Treue. Sie erhielten Treuenadeln.

25 Jahre Johannes Beyer und Heinrich Gebhardt sind ein Vierteljahrhundert dabei, zehn Jahre Mathias Gerstenberger.

Ehrenkreuz Das Ehrenkreuz des Bayerischen Soldatenbundes (BSB) erhielten Rene Ruß und Mathias Worofsky, das BSB-Verdienstkreuz Zweiter Klasse Roland Knauer, Erster Klasse Alfons Ruß.