Fränkische Türkin bekommt bayerische Staatsmedaille

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Gülseren Suzan-Menzel bekommt am Montag die Bayerische Staatsmedaille in München. Foto: Malbrich
Gülseren Suzan-Menzel bekommt am Montag die Bayerische Staatsmedaille in München. Foto: Malbrich

Gülseren Suzan-Menzel hat ihr Leben selbst in die Hand genommen und in Deutschland viel erreicht. Weil die Gräfenbergerin andere Frauen aus der Türkei auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit unterstützt, bekommt sie am Montag die Bayerische Staatsmedaille.

Am Anfang standen die schiefen, verzerrten und manchmal auch schlicht falschen Bilder von den türkischen Frauen: arm, unterdrückt, im Zweifelsfall bildungsfern. Diese Bilder, die häufig auch nur billige Klischees sind, wollte Gülseren Suzan-Menzel zurechtrücken. "Es gibt so viele türkische Frauen, die ganz normal sind, die nicht aufgefallen sind", sagt sie.

Aufgefallen ist allerdings Gülseren Suzan-Menzel selbst. Am Montag wird sie die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) in München mit der Bayerischen Staatsmedaille auszeichnen. Der Freistaat honoriert damit Suzan-Menzels Arbeit als Vorsitzende des "Deutsch-Türkischen Frauenklubs in Nordbayern" (DTFC).

Sie wollen Vorbilder sein

100 Mitglieder zählt der Verein inzwischen. 40 Prozent der Mitglieder sind dabei deutsche Frauen.
Gemeinsam mit der Ehefrau des ehemaligen Konsuls aktivierte Suzan-Menzel darin in den vergangenen Jahren gerade die vielen normal lebenden, unauffälligen türkischen Frauen, sich für die Belange von Frauen und Kindern einzusetzen.

Die engagierten Frauen sind sich auch ihrer Vorbildrolle klar bewusst. An ihnen ist es, Vorurteile zu beseitigen und nachkommenden Generationen die Blaupause eines selbstbewussten und gelingenden Lebens in die Hand zu geben. Die Frauen des Klubs engagieren sich vor allen Dingen in Fragen der Erziehung und Schule. Dabei weisen sie der Musik einen hohen Stellenwert zu. "Egal, was man aus dem Leben macht, das Instrument kann man immer dabei haben. Wenn man Probleme mit der Familie hat, kann man sich damit selbst beruhigen", erklärt Suzan-Menzel.

Unterstützung für Mädchen- und Frauenhäuser

Mädchen Die Frauen unterstützen auch Mädchen- und Frauenhäuser sowie Behinderteneinrichtungen. Die Mädchen bekommen im besten Fall das Gefühl, etwas tun zu können und mehr erreichen zu können, als man ihnen gemeinhin zutraut. "Es ist wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen", betont Gülseren Suzan-Menzel.

Die Notwendigkeit ihrer Arbeit illustriert sie mit einer Zahl: Weltweit erfahre jede vierte Frau Gewalt. "Schon das macht deutlich, dass man etwas tun muss. Wir versuchen in unserem kleinen Verein etwas zu tun." Als Gülseren Suzan-Menzel im Mai das Schreiben der Bayerischen Staatsregierung aus dem Briefkasten geholt hat, war sie "total überrascht". Ihre ersten Gedanken waren: "Wer hat meine Arbeit wahrgenommen? Denn ich bin in keiner Partei und habe keine großen politischen Beziehungen."

Umso mehr freut sich Gülseren Suzan-Menzel aber über die Auszeichnung. Denn sie würdigt nicht nur ihre eigene Leistung, sondern macht zugleich deutlich, dass man im Kleinen tatsächlich etwas Großes bewegen kann.

Wie das Land, so die Eltern

In Gräfenberg fühlt sich Gülseren Suzan-Menzel sehr wohl. "Ich fühle mich dort wie in der Türkei. Die Menschen sind so herzlich und liebevoll. Wenn ich eine Zwiebel brauche, brauche ich nicht überlegen, sondern klopfe einfach beim Nachbarn. Ich fühle mich angenommen, wie zu Hause." Und dann sagt sie noch, dass sie sich als Fränkin fühle.

Zu ihrem Heimatland pflege sie ein Verhältnis wie zu ihren Eltern. Sie besuche beide - Eltern und Land - gerne, möchte aber nicht immer mit ihnen leben. "Deutschland ist wie ein Ehemann. Mit ihm lebe ich, ihn liebe ich, auch wenn es manchmal Streit gibt", findet sie andere verwandtschaftliche Metaphern für ihr Verständnis von Heimat.

Als Gülseren Suzan-Menzel damals in Deutschland ankam, kam ihr das Land allerdings noch recht trostlos vor: "Es regnete, war grau in grau", erinnert sich Gülseren Suzan-Menzel, die 1951 in Diyarbakir geboren worden ist. Nach der Grundschule zog die Familie nach Istanbul, wo Gülseren Suzan-Menzel das Abitur machte. Mitte der 60er-Jahre beschloss ihre Mutter, als Krankenschwester in München anzufangen.

Brennender Ehrgeiz

Gerade einmal 18 Jahre war Suzan-Menzel alt, als sie ihrer Mutter in die Landeshauptstadt folgte. Doch beide Frauen hatten verschiedene Lebensvorstellungen, weshalb Gülseren Suzan-Menzel schon zwei Wochen später wieder zurück in die Türkei ging. Daheim ging sie zum türkischen Arbeitsamt und bewarb sich - wieder nach Deutschland, wieder nach München. Sie fing bei Siemens an. Sie arbeitete als Bestückerin und Löterin, wohnte im Siemensheim und besuchte Weiterbildungskurse. Der Vertrag wurde frühzeitig aufgelöst, denn auch ihr Meister erkannte ihren Ehrgeiz.

So zog Gülseren Suzan-Menzel in ein katholisches Studentenwohnheim in der Türkenstraße nach Nürnberg. Vier Jahre studierte sie an der Sprach- und Dolmetscherakademie in München und heiratete dort. Dann bekam Gülseren Suzan-Menzel ein Angebot der Awo, als Dolmetscherin für türkische Arbeitnehmer zu arbeiten. Gülseren Suzan-Menzel war in jenen Jahren so etwas wie die Feuerwehr für 50.000 Türken in Nordbayern. "Wir hatten ein Telefon und ein Auto", erinnert sie sich. Sie vermittelte und informierte, half bei den Amts- und Behördenangelegenheiten. 27 Jahre arbeitete sie dort.

Mit der Zeit engagierte sie sich auch außerhalb ihrer Arbeitsstelle. Sie organisierte Nähkurse für Mädchen und kümmerte sich darum, dass sie die deutsche Sprache lernen. "Wege für türkische Mädchen", lautete diese Organisation. Heute trägt sie den Namen "Wege für muslimische Mädchen". Daneben gründete sie den Arbeitskreis für Fachfrauen in Ausländerinnenarbeit.

Anfragen aus dem Ausland

Ihren zweiten Ehemann, Jochen Menzel, heiratete sie 1992. Mit dieser Ehe nahm Gülseren Suzan-Menzels Arbeit eine neue Intensität an.

Sie begann Dokumentarfilme zu drehen, die nicht nur in Gräfenberg oder Forchheim vorgeführt wurden, sondern auch auf Bundesebene Interesse fanden und im Fernsehen gezeigt wurden. Selbst aus dem Ausland kamen Anfragen.

Wenn jemand weiß, wie das geht, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, dann ist es Gülseren Suzan-Menzel. Weil sie das auch anderen Frauen beibringt, bekommt sie nun die Bayerische Staatsmedaille.