Ja, schon allein deshalb, weil auf freiwilligem Wege bisher nichts erreicht wurde. Unsere gesellschaftlichen Strukturen sind schlicht zu mächtig, als dass sie allein von Individuen aufgebrochen und gänzlich beseitigt werden könnten. Diesen Kampf können Individuen schlicht nicht allein ausfechten.
Hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechtes sind nur 30 Prozent aller Abgeordneten im Bundestag Frauen: Führen Sie mit Ihren männlichen Kollegen Debatten über diesen Zustand?
Ich sehe mich nicht in der Pflicht, diese Diskussion allein anzustoßen. Ich erwarte von allen Fraktionsvorsitzenden, dass sie sich vehement dafür einsetzen, das zu beenden, was Elisabeth Selbert den Verfassungsbruch in Permanenz genannt hat.
Sie fordern, "den Genderaspekt in allen Lebensbereichen mitzudenken". Können Sie uns ein Beispiel geben, wie das funktioniert und was es konkret bewirken könnte.
Betrachten wir beispielsweise die Gestaltung des öffentlichen Raumes. Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse, ein Mensch mit Gehbeeinträchtigung hat deshalb andere Ansprüche an den öffentlichen Raum als eine Fahrradfahrerin oder ein Vater mit seinem Kind. Und so bewegen sich auch Männer und Frauen völlig unterschiedlich, nutzen Dinge und Räume anders. Je nachdem, wie der öffentliche Raum nun ausgestaltet ist, entstehen dann Bedingungen, die dem einen mehr und der anderen weniger gerecht werden. Für diese Art der geschlechterspezifischen Wahrnehmung gilt es unser Bewusstsein zu schulen, sodass Strukturen im öffentlichen Raum geschaffen werden, die weiblichen Bedürfnissen ebenso gerecht werden wie männlichen.
Seit Ihrer Jugend engagieren Sie sich für die Gleichstellung der Frau. Wenn Sie sich jetzt im Bundestag als Exotin wahrnehmen, haben Sie dann das Gefühl, dass der Feminismus gescheitert ist?
All diejenigen sind Feministinnen, die sich für Fortschritt, Demokratie und gleiche Chancen für Alle einsetzen. Dieses Engagement wird nie aufhören. Feminismus gibt es seit Jahrhunderten, ich bin erst seit zwei Jahrzehnten dabei und werde es auch immer weiterverfolgen.
Die Fragen stellte Ekkehard Roepert