In Neunkirchen schließt das Mode- und Wäschehaus Kugler zum 30. Juni. Für die Inhaber war es keine leichte Entscheidung.
Die Signalfarbe Rot wirkt. "Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe" prangt an den Schaufenstern des Modehauses. Die Worte kündigen deutlich einen Abschied an und sind ein Schock für die Bürger und den Ort. Für Gerhard und Daniela Kugler geht es um noch mehr: Es ist eine Lebensentscheidung.
"Vergangenes Jahr haben wir die 90 Jahre Kugler schon mit Magenschmerzen gefeiert", sagt Gerhard Kugler, der die langfristigen Probleme bereits ahnte. Das Mode- und Wäschehaus gibt es seit 1925 und wird von Gerhard Kugler und dessen Ehefrau Daniela in dritter Generation geführt.
Zwei Hauptgründe nennt Kugler vorrangig für das Aus: Die Entwicklung der Gemeinde und das Internet. Vor allem der Onlinehandel, insbesondere Amazon und Zalando, machten den Einzelhändlern das Leben schwer.
Die Problematik bleibt auch der IHK Oberfranken nicht verborgen. "Der Onlinehandel floriert und setzt vor allem viele kleine Textilhändler zunehmend unter Druck. Der stationäre Handel muss sich beeilen und Schritt halten, indem er auf mehreren Kanälen präsent ist. Wer nicht im Netz ist, ist unsichtbar", sagt IHK-Vizepräsident Michael Waasner, Vorsitzender des IHK-Gremiums Forchheim.
Intensiver Preiswettbewerb
Die IHK ihrerseits sieht unterschiedlich Vertriebswege als Ausweg aus der Händlerkrise, wenngleich es keinen Königsweg gebe. Innovative Ladenformate mit digitaler Technik seien gefordert, die intelligente Verknüpfung von Ladengeschäft und Online-Absatz.
Auch Kugler selbst war lange in Bayreuth im Einzelhandelsverband, um gegensteuern zu können, als der Onlinehandel an Fahrt aufnahm. Doch: "Kleine Händler haben keine Chance, mit schwarzen Zahlen im Internet zu handeln", sagt Kugler, der nichts unversucht gelassen hat, um die Geschäftsaufgabe hinaus zu zögern. Ein halbes Jahr hat er das mit einer Softwarefirma und mehreren Herstellern versucht. Es funktioniert nicht, da die Hersteller das gar nicht wollen, fügt Kugler resigniert an.
Die großen Marken, die er in seinem Geschäft verkauft, machen sich im Internet selbst Konkurrenz, unterbieten im Internet teils in eigenen Shops ihre Preise. "Mit diesen Preisen können wir nicht mithalten", fügt Kugler an.
Weniger Spontankäufe
Auch die IHK Oberfranken sieht den Internethandel als großen Gewinner in dem Wettbewerb. Die Leute organisierten ihr Leben vom Computer aus, Impuls- und Lustkäufe würden seltener. Dass die Spontaneinkäufe durch die sogenannte Laufkundschaft wegfallen, dafür sei auch die Entwicklung innerorts verantwortlich. "Das Zentrum wird durch die Supermärkte nach außen gezogen. Innerorts etwas zu tun, wurde vergessen", beklagt Kugler.
Stattdessen wurden die Parkplätze wegrationalisiert und eine Vielfalt an Bollern aufgestellt, die Parken auf möglichen Flächen verhindern sollen. Wo es noch Parkplätze gibt, sei die Verkehrsüberwachung unterwegs.
Bürgermeister Heinz Richter (FW), dessen Geburtshaus das Modehaus Kugler ist, ist über die Geschäftsaufgabe sehr traurig. Die großen Einkaufszentren sieht er nicht als Konkurrenz, da diese ein anderes Publikum ansprechen würden. Allerdings beobachtet auch er, dass die Jugendlichen vermehrt übers Internet bestellen.
Das Ortsinnere könne wieder anders entwickelt werden, wenn die Westumfahrung komme, deren Konzept bereits 1989 erstellt wurde. "Die Unterlagen liegen bei der Regierung von Oberfranken, sodass die Westumfahrung mittelfristig verwirklicht werden kann", sagt Richter. Dann würde der Schwerlastverkehr aus dem Markt gezogen und die Parksituation, momentan gibt es 280 Parkplätze in der Gemeinde, teils wieder anders gestaltet werden können. "Die Gäste lieben es durch den Markt zu spazieren und die Schaufenster zu betrachten", weiß Richter, der bedauernd hinzufügt, mit dem Kaufhaus Kugler einen dieser Blickfänge zu verlieren.
Noch mehr als wegbleibende Gäste, befürchtet das Ehepaar, dass auch Bürger aus dem Ort seltener den Weg ins Modehaus finden, zumal auch die Bank gegenüber den Standort aufgebe. Die Kundschaft, die schnell Geld abhob und dann über die Straße zu Kuglers ging, werde künftig ausbleiben.
"Kostenloses WLAN, Fahrradständer, Toiletten, Ladestationen für E-Bikes und Parkplätze", zählt Gerhard Kugler Standards auf, die eine Überlebenschance für die Gemeinde wären. "Wenn kein Umdenken kommt, läuft der innere Ort Gefahr, auszusterben. Er wird zur Geisterstadt", sagt das Ehepaar Kugler, das selbst nie untätig war und durchaus auf die Beobachtung reagierte, dass die Innerorte nur aufgesucht werden, wenn sie Eventcharakter zeigen.
Immer höherer Aufwand
Zahlreiche dieser Aktionen haben die Kuglers auch geboten. Die Blumenaktionen, wo in Blumen Nummern versteckt waren, um einen Einkaufsgutschein beim Glücksspiel zu gewinnen. Oder die Aktion "Message in a bottle", einer ihrer schönsten Aktionen, als die Kuglers Sand in ihr Geschäft kippen ließen und Fläschchen mit Losen verbuddelten. Dann gab es noch das Kürbiswiegen. "Der Aufwand, um Umsatz zu generieren wurde immer größer, bedeutete immer mehr Aktionen. Doch das macht langfristig kaputt", sagt Kugler. "Wenn es noch zwei Jahre bis zur Rente gewesen wäre, wäre das kein Problem. Doch ich muss noch zwanzig Jahre arbeiten und kann nicht warten, ob sich in drei Jahren etwas tut."
Das sagt die IHK
Die Industrie- und Handelskammer Oberfranken teilt mit: Nicht nur in Oberfranken, deutschlandweit müssen immer mehr kleine Modehäuser schließen.
Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Bekleidungsfachhändler jährlich um rund 1000 Unternehmen gesunken. Während es im Jahr 2000 noch mehr als 35 000 Textilhändler in Deutschland gab, zählt die IHK gegenwärtig kaum mehr als 20 000 Unternehmen.
Von einem Gesamtumsatz in Deutschland mit Textilien und Bekleidung von knapp 60 Milliarden Euro entfiel im vergangenen Jahr nur noch etwa die Hälfte auf den stationären Bekleidungsfachhandel.