Die Villa in der Bayreuther Straße 17 in Forchheim hatte eine bewegte Nachkriegsgeschichte. An das Gebäude kann sich sich heute kaum noch jemand erinnern, weil es 1971 abgerissen wurde.
1945 nach Kriegsende wurde die Villa in der Bayreuther Straße 17 in Forchheim durch die US-Truppen beschlagnahmt. Sie diente bis November 1946 der amerikanischen Militärregierung als Unterkunft für ihre Einheiten. Das Gebäude wurde wie 251 andere Objekte unter "property control" gestellt, das heißt, ein Treuhänder verwaltete die Villa bis zur Entscheidung, wer sie endgültig zum Eigentum bekommen sollte.
In dieser Phase nahm Philipp Kröner (1908 bis 1964), seit 1943 Diözesan-Caritasdirektor in Bamberg und zuvor von 1934 bis1936 Kaplan in Forchheim und nebenamtlicher Religionslehrer am Gymnasium, Kontakt zu der örtlichen amerikanischen Militärregierung auf und verhandelte mit ihr über die "Überlassung von geeigneten Gebäuden für Wohltätigkeitszwecke". Zum Zug kam er, als die Amerikaner aus der Villa auszogen.
Treuhänder des NSV-Vermögens
Franz Braun, der Treuhänder des gesperrten NSV-Vermögens (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt), verpachtete am 20. Oktober 1947 aus dem gesamten Areal ein knappes Drittel, nämlich "das Villengrundstück mit Blumen- und Ziergarten" an den Diözesan-Caritasverband Bamberg. Kröner, der selbst den Pachtvertrag unterzeichnete, verpflichtete sich darin, "das Pachtobjekt ausschließlich für sozial-karitative Zwecke, insbesondere als Altersheim und Säuglingsheim, zu verwenden".
Als Pachtdauer wurden 18 Monate vereinbart mit dem Recht der Militärregierung und des Bayerischen Landesamts für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung (BLVW), "den Vertrag jederzeit fristlos aufzulösen". Einen ähnlichen Vertrag hatte Braun einen Monat zuvor schon mit der Gemeinde Effeltrich über die Verpachtung des ehemaligen NSV-Kindergartens geschlossen.
Interesse an der Villa
Interesse an der Villa hatten auch das örtliche Bayerische Rote Kreuz, das darin gerne ein "Schülererholungsheim" eingerichtet hätte, und die Arbeiterwohlfahrt, um die Villa als "Säuglingsheim" weiterzuführen und sie später als "Erziehungsheim" mit Kindergarten, einer "Tagesheimstätte" für unbeaufsichtigte und einem Jugendheim für gefährdete Jugendliche auszubauen. Über die Villa ist vermutlich bei der Sitzung aller in Forchheim vertretenen Wohlfahrtsverbände am 20. September 1947 gesprochen worden, weil unmittelbar danach alle Interessenten aktiv wurden.
Am schärfsten reagierte die Arbeiterwohlfahrt (Awo), als sofort nach Abschluss des Vorvertrags die Caritas die Hornschuchvilla bezog und hier ein Altersheim einrichtete. Moritz Lochner, der Awo-Vorsitzende, warf der Caritas vor, "unter Beteiligung der örtlichen Behörden" die Arbeiterwohlfahrt überrumpeln zu wollen und bezeichnete ihr Vorgehen als "Wildwest-Methode und autoritäre Nazi-Praxis". Die Caritas habe unter "Nichtachtung des amtlich festgelegten Meldetermins vom 1. 11. 1947 (...) für die vorzeitige Inbesitznahme" und der Einrichtung eines Alters- anstelle des ehemaligen "Säuglingsheims" gegen "die rechtliche Grundlage" verstoßen.
Ende des Säuglingsheims
Fast ein Dreivierteljahr lief Moritz Lochner Sturm gegen die Inbesitznahme der Villa durch die Caritas. Im Mai 1948 teilte er in einer Awo-Vorstandssitzung mit, eine Aussprache in München hätte ergeben, dass "der Vorvertrag der Caritas nicht gültig" seiund ein neuer Mietvertrag nicht abgeschlossen werden dürfe. Zuvor habe bereits die Regierung in Ansbach auf seine Beschwerde hin die "Rechtsungültigkeit dieses famosen Vorvertrages" bestätigt.
Nur - das änderte nichts daran, dass die Caritas in der Villa blieb und sie als Altersheim nutzte. Je länger es dauerte, desto mehr stabilisierte sich der Zustand, wie er war.
Einen Tag nach der Währungsreform ging am 21. Juni 1948 das Eigentum an dem gesamten Gelände mit der Karl-Gottlieb-Villa, zwei Wohnhäusern, zwei Gewächshäusern, einer Gärtnerwohnung, Pferdestallung und sechs Äckern an das Land Bayern über.
Ein letzter Versuch
Ein letztes Mal versuchte die Arbeiterwohlfahrt im Juli 1948, mit einer Resolution an den Stadtrat das Blatt zu wenden. In zehn Punkten begründete sie ihren vermeintlichen Anspruch auf die Karl-Gottlieb-Villa. Im Dritten Reich sei die Arbeiterwohlfahrt verboten und ihr gesamtes Vermögen von den Nationalsozialisten eingezogen worden. Dagegen hätten die anderen Wohlfahrtsverbände unbeschadet weitermachen dürfen.
Deswegen stehe ihr nach den Kontrollratsbestimmungen vorrangig das Recht auf Wiedergutmachung zu, vor allem auch deswegen, weil die Caritas das ehemalige NSV-Heim entgegen "seiner früheren Zweckbestimmung" nicht als "Säuglings- und Kinderheim", sondern als Altersheim nutze. Das habe zur Folge, dass das von der Arbeiterwohlfahrt im Gasthof "Hirschen" eingerichtete Säuglingsheim als Notunterkunft "menschenunwürdig" geführt werden müsse und die Gesundheitsbehörden bereits mit der Schließung drohten. Wie schon dargelegt, hätte die Außenstelle der BLVW nun den Pachtvertrag mit der Caritas jederzeit kündigen können, speziell in dieser Notsituation.
Aber trotzdem wäre die Arbeiterwohlfahrt nicht zum Zug gekommen, weil der örtliche Ortsausschuss kein eingetragener Verein und damit nicht rechtsfähig war. Den Rechtsstatus hatte zu dieser Zeit nur der Landesverband in München. Bei ihm sprach Moritz Lochner mehrfach vor. Aber ob die Landesleitung der Awo in der Lage sei, "das Haus käuflich zu erwerben", daran hegte der Ortsvorstand selbst Zweifel.
Mitte August war die Frage entschieden: kein Geld vorhanden. "Die Heimfrage ist für uns als abgeschlossen zu betrachten", hält das Vorstandsprotokoll fest, "eine weitere Debatte soll vermieden werden." Da auch die im Säuglingsheim eingesetzten Schwestern kündigten, musste der Traum von einem eigenen "Erziehungsheim" aufgegeben werden.
Übernahme durch die Caritas
Ab dem 15. September 1948 verwaltete dann der Vorstand des Finanzamts Forchheim das an Bayern übergegangene Eigentum. Mit ihm handelte die Caritas einen neuen Pachtvertrag aus. Sie mietete ab dem 3. Februar 1949 die ehemalige Karl-Gottliebsche Villa für monatlich 301,60 DM "in widerruflicher Weise auf unbestimmte Zeit" zur Verwendung als "Flüchtlingsheim". Es dauerte aber nur knapp drei Jahre, bis Ende 1951 die Caritas die Karl-Gottlieb-Villa samt 7270 Quadratmeter Umgrifffläche kaufte. Wie zwölf Jahre zuvor wurde der Vertrag im Notariat von Oskar Weber geschlossen. Der Kaufpreis blieb mit 82 000 DM (= 11,27 DM pro Quadratmeter) weit unter dem vom Landbauamt Bamberg geschätzten Wert in Höhe von rund 110 000 DM. Der Caritas wurde eingeräumt, den Betrag mit 30 000 DM anzuzahlen und den Rest bis 1956 in fünf Jahresraten mit einer Verzinsung von fünf Prozent abzuzahlen.
Flüchtlingsaltersheim Banz
Das Altersheim wurde Anfang der sechziger Jahre weiter ausgebaut. Es nahm "54 Bewohner aus dem ehemaligen Flüchtlingsaltersheim Kloster Banz" auf, ist auf der Internetseite des heutigen Pflegezentrums St. Elisabeth zu lesen, und mit ihnen "auch die Schulschwestern von Unserer Lieben Frau, die dort seit 1945 teilweise bis zu 225 alte aus dem Raum Marienbad ausgesiedelte Menschen betreut hatten. Das Alters- und Säuglingsheim diente nach 1966 zunächst noch als Unterkunft für Mitarbeiterinnen des Caritas-Alten- und Pflegeheims St. Elisabeth, bis es 1971 abgerissen wurde". Der Neubau, der heute auf dem ehemaligen Villengelände steht, wurde Mitte der neunziger Jahre errichtet.