Rainer Kalwait von der "Allianz Bayerischer Bürgerinitiativen gegen Straßenausbau-Beiträge" wetterte bei einem Vortrag gegen Falschinformation von oben.
Als "Majestix" stellte Moderatorin Sandra Dehler aus Coburg den Experten in Sachen Straßenausbau-Beitragssatzungen, Professor Rainer Kalwait aus Weitramsdorf, vor. Das Bürgerforum
Ebermannstadt hatte das Vorstandsmitglied der "Allianz Bayerischer Bürgerinitiativen gegen Straßenausbau-Beiträge" zu einem Vortrag nach Ebermannstadt in den Gasthof "Zur Post" eingeladen. Zuvor unterstrich Thomas Dorscht vom Bürgerforum: "Der Protest hat nichts mit der Bürgermeisterin zu tun. Wir würden uns auch wehren, wenn irgend ein anderer Bewerber die jetzige Situation zu verantworten hätte."
Vor etwa 60 Zuhörern machte Professor Kalwait (71) deutlich, dass diese Einnahmequelle für Kommunen absolut verzichtbar sei. Das zeigen Beispiele aus anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg habe es so etwas noch nie gegeben.
Auch Berlin habe mit CDU und SPD-Mehrheit die Straßenausbau-Beitragssatzung als Einnahmequelle vor anderthalb Jahren abgeschafft.
Falsch-Aussagen
Den Stadt und Gemeinderäten werde gesagt: Das muss so sein. "Aber das stimmt nicht", behauptete Kalwait, der darauf verwies, dass in Niederbayern nur 39 Prozent aller Kommunen eine solche Satzung haben. Auch in Oberfranken seien nur 72 Prozent der Kommunen den Vorgaben der Aufsichtsbehörden gefolgt.
Die Aussage: "Wer auf Beitragserhebungen verzichtet, verzichtet auch auf Fördergelder wie Stabilisierungshilfen" sei falsch, so Kalwait. "Es kann zu einer Verweigerung führen, ist aber in ganz Bayern bislang noch nicht vorgekommen", unterstrich er.
Als "leere Drohung" bezeichnete er das Argument, wonach Stadt- und Gemeinderäte wegen Untreue belangt würden, wenn sie sich weigerten, eine Straßenausbau-Beitragssatzung zu erlassen. "Glauben Sie, dass die 60 Prozent niederbayerischer und 30 Prozent oberfränkischer Räte, die sich gegen eine solche Satzung ausgesprochen haben, eingesperrt werden?", fragte der streitbare Satzungs-Gegner, der Mandatsträgern die Hilfe des "Verbandes für gerechte Kommunalabgaben" anbot. "Stadt- und Gemeinderäte hören auf uns", bekräftigte Kalwait.
Den kenn ich!
Verunsichert argumentierte ein Zuhörer, dass Karl-Friedrich Hacker, der Rechtsanwalt der Stadt, etwas ganz anderes erzählt, den Stadträten sogar mit Gefängnis gedroht habe, wenn sie keine Satzung erließen. "Den kenn ich", erklärte Kalwait mit einer wegwerfenden Handbewegung.
"Der hat in Weitramsdorf schon mehrere Niederlagen vor dem Verwaltungsgericht eingefahren."
Selbst Claudia Drescher, Referatsleiterin im Bayerischen Innenministerium habe eingeräumt, dass es nicht eine Gepflogenheit des Ministeriums sei, Stadt- und Gemeinderäten mit dem Staatsanwalt zu drohen. Damit würden jene Mitarbeiter des Landratsamtes, die eine Drohkulisse aufbauten, Lügen gestraft, betonte der Referent.
Einmischung von oben
Die so genannten einmaligen Beiträge seien gar keine einmaligen Zahlungen, da Kommunen alle 25 Jahre Straßen erneuern und die Bürger zur Kasse bitten könnten. Aber auch die wiederkehrenden Beiträge, die Kalwait als Bürokratie-Monster apostrophierte, seien keine Alternative.
Hier müsse der Vorteil für den Bürger individuell nachgewiesen werden, was kaum möglich sei.
Die Belastung werde zwar gestreckt, sei in der Summe aber sogar höher als bei Einmalzahlungen. Die Starnberger Bürgermeisterin Eva John (Bündnis Mitte Starnberg, BMS) sprach in diesem Zusammenhang von der "nächsten Stufe der Einmischung der Landesregierung in die Belange der Kommunen." Um den Geldbeutel der Bürger zu schonen, könnten Kommunen den Anteil der Bürger gegenüber der Mustersatzung, die von 70 Prozent umlagefähiger Kosten ausgeht (in Ebermannstadt sind es 80 Prozent), um bis zu 20 Prozent senken.
Man könne die Satzung aber auch aufheben oder komplett ignorieren. Das praktiziere Bürgermeister Jürgen Spahl (parteilos) aus Rednitzhembach.
Er habe diese Gemeinde übernommen, als sie unter Zwangsverwaltung des Landratsamtes stand und trotzdem die Straßenausbau-Beitragssatzung abgeschafft.
Zutiefst unsozial
Diese Form der Beitragserhebung, so der Referent, sei zutiefst unsozial. So werde Hausbesitzern, die keine Hypothek mehr bekommen, das letzte Geld abgezockt, das für die Alterssicherung bestimmt gewesen sei. Und: Die gesetzlichen Bestimmungen öffneten der Willkür Tür und Tor. Die Stadt könne völlig gesetzeskonform Straßen nach Belieben abrechnen. Beispiele aus anderen Städten gebe es dafür zuhauf.
Straßen-Neubauten nannte Kalwait eine "gigantische Steuerverschwendung", an der nur die Ingenierbüros und Bauunternehmen verdienten.
Nicht umlagepflichtige Reparaturen seien genauso gut, halten genauso lange", fand der Referent, der die Stadträte dazu ermunterte "Rückgrat zu zeigen". Statt vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Aufsichtsbehörde zu praktizieren, gelte es, den Willen der Bürger ernst zu nehmen. "Wer wieder gewählt werden will, hat dazu keine Alternative", ergänzte Sandra Dehler.
Runder Tisch soll Kompromiss bringenEingangs der Veranstaltung mit Professor Rainer Kalwait fasste Thomas Dorscht zusammen, was seitens des Bürgerforums bislang gelaufen ist. Demnach hat das Bürgerforum das Bürgerbegehren in Sachen Straßenausbau-Beiträge am 29. Juli gestartet und am 5. August über tausend Unterschriften Bürgermeisterin Christiane Meyer (NLE) übergeben. In der Stadtratssitzung vom 19. August wurde der Bürgerentscheid zugelassen.
Die Bürgermeisterin setzte den Vollzug aus und übergab den Beschluss der Rechtsaufsicht zur Prüfung.
Am 13. September erläuterte Landrat Hermann Ulm (CSU) gegenüber den drei Ebermannstadter Bürgermeistern die Unrechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens. Einen Tag später habe er von Bürgermeisterin Christiane Meyer erfahren, dass sie den runden Tisch, den Landrat Ulm angeregt hatte, um einen Kompromiss zu finden, auf 10. Oktober, 14 Uhr terminiert habe. "Das wäre zwei Stunden vor der Sitzung gewesen, in der über den Bürgerentscheid erneut abgestimmt werden soll", unterstrich Dorscht, der diesen Termin ablehnte.
Drei weitere Termine für einen runden Tisch vor der Oktober-Sitzung seien nicht möglich gewesen, weil Kommunalrechtler Frithjof Dier vom Landratsamt wegen seines Urlaubs nicht verfügbar sei. Als Kompromiss für den "Runden Tisch" haben sich nun beide Seiten auf den 25.
Oktober geeinigt. "Was der bringen soll ist mir schleierhaft", erklärte Dorscht, "denn die Entscheidung, wie es in unserer Angelegenheit weiter gehen soll, wird ja bereits am 10. Oktober gefasst."
Bürgermeisterin Meyer sei nicht bereit gewesen, diese Entscheidung auf die November-Sitzung zu vertagen.
Kommentar von Redakteur Josef HofbauerEs ist der ausdrückliche Wunsch von Landrat Hermann Ulm (CSU), dass sich in Ebermannstadt die Mitglieder des Bürgerforums und die gewählten Bürger-Vertreter an einen Tisch setzen und nach einer Lösung in Sachen Straßenausbau-Beitragssatzung suchen. Spätestens nach den widersprüchlichen Aussagen von Satzungs-Gegner Rainer Kalwait und Jurist Karl-Friedrich Hacker gibt es Handlungsbedarf. Vor allem, wenn man berücksichtigt, unter welchen Bedingungen die Satzung zustande gekommen ist.
Wer die Bürger ernst nimmt, muss nun den Vertretern des Bürgerforums die Hand reichen und Gesprächsbereitschaft zeigen. Und zwar bevor eine Entscheidung gefällt wird. Es gilt das Motto: Erst denken, dann handeln!
Bürgermeisterin Christiane Meyer (NLE) ist also gut beraten, die Entscheidung über das Bürgerbegehren zu vertagen. Niemand zwingt sie einen Beschluss, in der Sitzung vom 10. Oktober herbeizuführen.
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