Nach kurzer Pause unter Heu und Reisig sollte ich die neue Freudenwelle nach der harten Zeit unterstützen. Gelb und rot gestrichen, war ich in den 50er Jahren ab und zu bei Vatertagsausflügen im Einsatz. Es folgten dann einige langweilige Jahre als Ausstellungsfahrzeug mit wenig Laufarbeit.
Nach diesem längeren Siechtum hat mich 1977 mein jetziger Besitzer - der Enkel des Büchenbacher Gastwirts - unter seine Fittiche genommen. Ich zog von Büchenbach nach Alterlangen, wo ich seitdem wieder richtig aufleben konnte. Insgesamt elf Jahre lang hat er mich wieder in alten Glanz zurück versetzen lassen. Ich behielt meine alte Substanz in großen Umfang. Jedoch ist mein optisches Erscheinungsbild in neuem, aber altersgerechten Glanz versetzt worden.
Im Jahr 1988 schlug mein Herz wieder wie neu und es begann meine bisher schönste Zeit. Als vitaler Veteran kann ich die große weite Welt nach Herzenslust genießen. Dabei habe ich schon sehr viel Schönes erlebt und kennengelernt. Oh mei - ist Deutschland und Europa schön. Jährliche Reisen im Kreise meiner vielen Alt-Opel-Freunde ließen mich fast alle Bundesländer sowie Holland, Luxembourg, Italien und die Schweiz unter die Räder nehmen. Erlebnisreich und einfach nur toll, die Vielfalt unserer landschaftlichen Schönheiten. Ansonsten genieße ich unsere traumhaftes Frankenland mit einem Freund aus den Haßbergen, ebenfalls ein Vier-PS-Opel. Es gibt auch ein paar außergewöhnliche Erlebnisse in meinem automobilen Leben. Anbei einige Episoden.
Im Musikantenstadl
1990 durfte ich zum Musikantenstadl von Karl Moik in die Nürnberger Frankenhalle. Dort chauffierte ich den Hias. Sie wissen vielleicht noch, es war der "komische" Typ. Aber wir beide waren eine Hauptnummer der Eurovisions-Sendung. Die Blumen aus dem Publikum bekam aber nicht er, sondern mein Herrchen und Fahrer, der Stephan. Es war ein schönes Erlebnis in meiner Laufbahn.
Noch schöner war es in Berlin auf der "Allgemeinen-Automobil-Ausstellung 1992". Im Messezentrum. In der Sonderschau "Prominenz auf Rädern" konnte ich mich im elitären Kreis vieler attraktiver und berühmter Oldtimer von großen Museen, Automobilherstellern und viele anderen sonnen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass einer meiner Brüder das erste eigene Cabriolet der damals noch jungen und unbekannten Schauspielerin Marlene Dietrich war. Aber ich lebe ja noch und freue mich wie stolzer Oldie.
Der Mercedes vom Papst
Es waren viele berühmte Kollegen dabei: der Papst-Mercedes 600 von Papst Pius XII, der "James-Dean-Porsche, der ZIS 115 C von Stalin, die "Rote Fahne" von Mao Tse Tun, die Easyrider-Harley von Peter Fonda und viele andere mehr. Nach den zehn Tagen Ausstellungsdauer war ich der einzige, der sofort ansprang und die Halle aus eigener Kraft verließ. Alle anderen mussten geschoben oder geschleppt werden.
Es war ein Labsal für mein Ego! Wenn sie meinen Besitzer, den Stephan, erwischen sollten,
sehen Sie heute noch seine leuchtenden Augen.
In den letzten Jahren geht es in meinem fast 90 jährigen Autoleben etwas gemütlicher zu. Es kommen aber immer wieder besondere Erlebnisse dazu. So zum Beispiel die "Blaue Nacht" in Nürnberg. Dort bin ich seit einigen Jahren das älteste Vehikel bei den Publikumsfahrten im Programmpunkt "Mobile Zeiten". Noch eine Kleinigkeit gibt es zu berichten: Auch auf seine Arbeit musste ich mein Herrchen manchmal fahren. Der Faulpelz hätte auch das Fahrrad nehmen können. Na ja - ich bin halt ein Fahrzeug und kein Stehzeug!
Natürlich habe ich auch meine Eigenheiten. So sind zu Beispiel das Gaspedal bei mir in der Mitte und die Fußbremse rechts. Sie habe richtig gelesen - aber meinem Stephan macht das nichts mehr aus.
Mein EKG (die Kompression, der Öldruck und so weiter) sind bestens in Ordnung. Seit jeher brauche ich nur bleifreie Nahrung.
Ich freue mich jetzt schon auf neue Erlebnisse, denn ich halte wahrscheinlich länger durch als mein 69-jähriger Eigentümer und Fahrer. Er behandelt mich aber immer gut. Ein kleiner Frosch - das älteste Auto aus Erlangen - hat sich über ihr Interesse sehr gefreut.
aufgeschrieben von Stephan Güthlein