Im mittelfränkischen Lonnerstadt soll die Sekte "Weltdiener" eine fünfköpfige Familie fest im Griff haben, drei Kinder sollen leiden. Schauen Behörden und Ämter weg oder ist es doch nicht so schlimm?
Die Regeln sind streng. Der Tag beginnt um kurz nach vier Uhr, meditieren, Hausarbeit, dienen. Knapp vier Kilometer sind es vom Haus einer Familie in Lonnerstadt im Landkreis Erlangen-Höchstadt nach Ailsbach, wo der Guru wohnt. Guru Gerhard, der Chef der Weltdiener. Eine Sekte, die die fünfköpfige Familie im Griff hat, die die Kinder schuften und hungern lässt, ihnen Medikamente verbietet.
Beate Greindl, eine Fernsehjournalistin hat mit der Familie und der Sekte gesprochen, den Alltag gefilmt. Am Donnerstagabend strahlt der WDR den Beitrag "Sektenkinder - zum Dienen geboren" um 22.30 Uhr aus. Vor einigen Jahren soll der damals 15-jährige Kilian fast gestorben sein, weil er trotz Mukoviszidose keine Medikamente bekam. Die Behörden sollen weggeschaut haben. Jetzt seien drei Kinder zwischen acht und 13 Jahren in Gefahr, heißt es im Beitrag.
Im zuständigen Schulamt ist der Fall der Familie bekannt. Vor gut einem Jahr kam die achtjährige Tochter der Familie krank in den Unterricht. Eine schwere Erkältung, aber kein grippaler Infekt, sagt Ottilie Werner, die Schulrätin. Die Eltern sollen dem Kind Medikamente verboten haben. Das Husten und Schniefen wurde nicht besser.
Keine Gefahr im Verzug
Die Schulleitung wandte sich an das Schulamt, eine Lehrerin protokollierte das Verhalten des Kindes, leitete ihre Beobachtungen an Schulamt und Jugendamt weiter. Schulrätin Werner sagt: "Aus diesen Aufzeichnungen ging keine akute Gefahr für Leib und Leben des Kindes hervor." Das heißt: Keine Gefahr im Verzug, keine Chance einzugreifen. Elternrecht sticht Jugendrecht.
Negativ aufgefallen sind die Kinder nie. Normale Kleidung, vielleicht dünner - aber mager? Als die Kinder eingeschult wurden, seien sie am Anfang oft müde gewesen: Ein Gespräch habe das geklärt. Auch wenn die Kontaktaufnahme schwierig war. Die Familie hat kein Telefon. Wer mit ihr sprechen will, muss hinfahren.
So wie Theo Link, der Bürgermeister von Lonnerstadt. Mehrmals war er dort. Beim Guru und bei der Familie. Der Guru wohnt in Ailsbach, die Familie in Lonnerstadt. Etwa vier Kilometer trennen die beiden Ortschaften, die Familie soll mit dem Fahrrad zum Guru fahren. Immer. Bei Schnee und Regen, im Morgengrauen, im Winter.
Auch deshalb ist Link hingefahren. Hat gefragt, ob das sein muss. "Seitdem fährt nur noch der Vater." Mit Kartons bepackt, die Kapuze im Gesicht, ein Pendler bestätigt das. Theo Link sagt, er sei nur ehrenamtlicher Bürgermeister, er könne nicht viel mehr tun als den Eltern ins Gewissen reden. Und dem Guru. Als Privatmann vermietet Link dem Guru ein Haus. Kündigen will er ihm nicht, das wolle auch die Großmutter der Kinder nicht. Nicht mehr. Vielleicht aus Sorge, Guru und Anhänger könnten zusammenziehen, sagt Link. Vielleicht wären sie dann ganz weg.
Ein Ofen, keine Dusche
Nach zwei Zwangsräumungen wohnt die Familie in Lonnerstadt. Direkt an der Hauptstraße, neben dem Bauhof, das Kleebauer-Haus. Vorne hat die Gemeinde nach der 1100 Jahrfeier ein kleines Heimatmuseum eingerichtet. Hinten lebt die Familie. Das Haus ist alt, sagt der Bürgermeister. "Hier könnte man nicht einmal Flüchtlinge offiziell unterbringen", sagt die Fernsehjournalistin. Ein Ofen, keine Dusche, alle schlafen in einem Zimmer. Der Bürgermeister sagt, die Familie wäre sonst obdachlos. Im Kleebauerhaus war Platz.
Die Eltern beziehen keine staatlichen Hilfen, leben nur vom Kindergeld. "Die wollen das nicht anders," sagt der Bürgermeister. Und er sagt, die Kinder spielen draußen, fahren Fahrrad, da sei niemand eingesperrt. Sie sollen sogar am Religionsunterricht teilnehmen. Die Bauhofmitarbeiter berichten Ähnliches, sehen die Kinder. Der Bürgermeister sagt: "Gesundheitlich besteht meiner Meinung nach keine Gefahr." Keine akute.
Beim Kinderschutzbund in Höchstadt kennt man den Fall gar nicht. Bianka Frank, die Vorsitzende sagt, sie habe erst aus der Zeitung von der Familie erfahren. Gestern war das. Dann kam eine Mail von einem Mitglied. "Ich bin total erschrocken", sagt sie. Mehr sagt sie nicht. Keine Stellungnahme, sie wolle prüfen. Heißt das im Umkehrschluss, so schlimm kann die Lage nicht sein, wenn der Kinderschutzbund nicht Bescheid weiß?
Beim Jugendamt will sich niemand äußern. Nur so viel: Es habe "zu keinem Zeitpunkt eine Rechtfertigung für eingreifende Maßnahmen bestanden". Und: Laufendes Verfahren. Die Großeltern streiten um das erweiterte Umgangsrecht. Die Oma soll auch den Fernsehbericht angestoßen haben. Sie hat Angst um ihre Enkel.
Ein Film zum Thema wurde im
WDR Fernsehen am 25.10.2012 um 22.30 - 23.15 Uhr gezeigt. Auszüge aus diesem Beitrag finden Sie auch beim
Bayerischen Rundfunk .
Egal wie schlimm ich war und noch bin, die Prügel mit dem Stog in der Kindheit haben auch nichts gebracht. vielleicht wäre ich heute anders Drauf, das weiß ich. Tatsache ist doch dass sie schon immer alles mit angesehen haben. jetzt ist das in der gemeinde und das man da nichts machen kann nehme ich keinen ab. die Gesetze in Deutschland sind doch für der katz, die dreht sich jeter wie er sie braucht. Man müsste sich mal den Mut nehmen und auf die Straße gehen, das muss doch einen Bürgermeister der so einen Porsche fährt beeindrucken. Ich denke wenn ich die kinder mal sehe werde ich zum Becker gehen, dann bekomme ich wahrscheinlich gleich ne Anzeige. Ich hoffe es Geschieht bald was bevor wirklich noch ein Kind stirbt.
Als ich gelesen habe, dass der Bürgermeister Theo Link dem Guru sein Haus vermietet, bin ich schier vom Glauben abgefallen. Zufällig kenne ich Ailsbach und die Gemeinde Lonnerstadt ziemlich gut. In Ailsbach „passt man aufeinander auf“. Von daher ist mir bekannt, dass in Ailsbach niemand etwas tut, das nicht allgemeine Aufmerksamkeit erregt.
Der Herr Bürgermeister hat auch noch familiäre Verbindungen nach Ailsbach. Deshalb gehe ich davon aus, dass er früh vom Treiben des Gurus erfahren hat, sogar noch bevor die Lonnerstädter Familie diesem verfallen ist. Weshalb hat er nicht frühzeitig das Mietverhältnis beendet? Ist es möglicherweise dermaßen schwierig, ein Haus in Ailsbach zu vermieten, dass es ihm im Dienst des schnöden Mammons schlicht und ergreifend egal war, welche Wanze sich bei ihm eingenistet hat?
Ich hätte ihm das nicht zugetraut, bin menschlich sehr enttäuscht.
In der WDR-Dokumentation habe ich zu meinem großen Entsetzen in der Mutter der drei Sekten-Kinder eine ehemalige Studienkollegin wieder erkannt: sie war an der Hochschule als eine vielseitig begabte, intelligente und lebenslustige junge Frau beliebt und aktiv. Okay, es gab auch damals schon Interesse an esoterischen Heilswegen. Aber sie hier so zu sehen, hat mich sehr betroffen gemacht.
Mich wundert allerdings auch, wie sie und ihr Mann den Filmaufnahmen mit derart entwürdigen Szenen (Ehemann kniend vor dem "Meister") zustimmen konnten. Die WDR-Sendung kann schließlich nicht heimlich oder gegen ihren Willen erstellt worden sein. Ein weiterer Beweis für die aberwitzige Entfernung dieser Betroffenen von ihren ursprünglich Werten, kognitiven Fähigkeiten und Gefühlen? Missionierungswunsch? Hilferuf?
Wie sollen Kinder in einer solchen Atmosphäre eine gesunde Emotionalität entwickeln? Wie kann man als ehemalige Gymnasiallehrerin seinen eigenen Kindern die optimale Schulbildung verweigern, nur weil ein zwielichtiger "Meister" dies befiehlt? Warum gilt psychische Verstümmelung (und sei sie noch so gut gemeint) nicht als Kindeswohlgefährung, und zwar genau so wie körperliche Gewalt, sodaß das Jugendamt einschreiten müsste?
Unfassbar.
Sitzt da vor dem Haus und lässt sich die Sonne auf den Pelz scheinen.
Im Lauf des Nachmittags kommt der Diener vorbei mit allem, was man mit dem Fahrrad überland transportieren kann. Lädt alles ab und erwartet dann auf Knien, was ihm, seiner Frau und seinen drei Kindern zugedacht ist. Kinder, die hungrig in der Schule sitzen, die fremde Leute anbetteln, von ihrem eigenen Eltern um Bildungschancen gebracht und zu Außenseitern gemacht.
Man stelle sich vor, der Diener und seine Frau haben mal eine Erleuchtung! "Gott, was haben wir getan? Was haben wir unseren Kindern angetan? Wir hatten uns, wir hatten ein Haus mit Garten, wir hatten Arbeit. Unsere drei gesunden Kinder hätten das Gymnasium besucht und Freunde gehabt."
Stattdessen hocken sie jahrelang in einer Bruchbude, in der sie Wassereimer schleppen müssen. Haben als einziges Einkommen das Kindergeld und ernähren davon vielleicht auch noch den Guru, dem sie schon ihr ganzes Vermögen hinten rein geschoben haben.
BOOOOAAAAHHH
Ich bin sicher, dass die Situation auch für Behördenmitarbeiter schwierig sein kann. Natürlich hat man erst Mal das Gefühl, das kann ja alles nicht sein, da muss man was machen.
Nur, wenn Recht und Gesetz (und wir leben gottlob in einem Rechtsstaat, in dem nicht jeder willkürlich tun und lassen kann, was er will) den Behörden ein Eingreifen nicht ermöglichen, dann darf, wie hier ein Jugendamt, das schlichtweg nicht.
Es kam ja klar raus: es lag eine gesundheitliche Einschränkung vor und das Amt hat dafür gesorgt, dass das Kind eine Brille bekommt, nachdem es davon Kenntnis hatte.
Spielt das mit dem "gesunden Menschenverstand" doch `mal durch: jeder hat ganz individuell eine Auffassung davon, was vernünftig ist, oder nicht.
Ist ein Klaps auf den Po oder eine Ohrfeige ok? Dürfen Eltern ihre Kinder behalten, wenn sie alkoholkrank sind? Eltern haben mit ihrem Kind in der Pubertät mehrfach lautstarken Streit und am nächsten Tag holt das Jugendamt das Kind ab, weil sich die Nachbarn beschweren.
Auch, wenn es schwer nachzuvollziehen ist und ich bestimmt den Lebenswandel der Familie nicht begreifen kann: aber kein fließendes Wasser, eine Rotznase und morgens um vier aufstehen - das ist nicht mein Lebensmodell, aber es ist auch nicht gefährlich. Es entspricht einfach nicht der Norm.
Und ganz ehrlich: so sehr ich mir für die Kinder auch eine andere Lebensform wünschen würde, so haben sie auf mich während des Berichts weder einen unterernährten noch verwahrlosten Eindruck gemacht.
Wichtig wäre, dass weiterhin alle ein wachsames Auge auf die Familie haben, damit, sofern wirklich eine Gefährdung akut vorliegt, die Behörden informiert werden und handeln können.