Die FDP wird heute 65 Jahre alt. Keine Partei war bisher so lange an der Regierung beteiligt wie sie. Jetzt ist sie erstmals nicht im Bundestag. FDP-Politiker Jörg Rohde aus Herzogenaurach - bis vor kurzem noch Landtags-Vizepräsident - über Fehler, Chancen und den Neuanfang. Seinen und den der Partei.
Die FDP hat eigentlich schon länger keinen Grund mehr, richtig zu feiern. Heute aber schon. Denn am 11. Dezember 1948, also genau vor 65 Jahren, hat sich die liberale Partei in Heppenheim gegründet. Von allen Parteien trug sie seitdem am längsten Regierungsverantwortung in der Bundesrepublik. Doch die goldenen Zeiten scheinen seit der Wahlschlappe der vergangenen Bundes- und Landtagswahl eher vorbei. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte ist die FDP nicht im Bundestag vertreten. FDP-Politiker Jörg Rohde, drei Jahre im Bundestag und fünf Jahre im Landtag, spricht über das Ohnmachtsgefühl seiner Partei nach der Wahlniederlage und den konsequenten Blick nach vorne - für die FDP und für sich selbst.
Kein Regierungsauftrag, bis vor ein paar Tagen kein Vorsitzender, sämtliche Politiker ohne Mandat. Herr Rohde, fast drei Monate sind seit den Wahlen im September vergangen.
Wie geht es Ihnen heute? Jörg Rohde: Mir geht's super. Der Wahlabend an sich war natürlich frustrierend. Ich habe für andere Ziele gekämpft, die vom Wähler nicht angekreuzt wurden. Das, was wir an guter Arbeit geleistet haben, wurde nicht honoriert. Das muss ich so zur Kenntnis nehmen.
Was machen Sie jetzt?Seit zwei Monaten bin ich wieder zurück bei meinem alten Arbeitgeber Siemens. Dort bin ich jetzt im Vertrieb. Am 7. Oktober hat sich der neue Landtag in München konstituiert, am selben Tag hatte ich meinen ersten Tag bei Siemens. Ich hatte also keine Pause dazwischen. Ich musste fachlich natürlich manches aufholen, fühle mich aber sehr wohl.
Und wie ist es Ihren FDP-Kollegen ergangen?Viele sind wieder zurück in ihren alten Job. Andere suchen noch.
Manche FDP-Mitarbeiter sind auch bei Abgeordneten von der Union untergekommen.
Heute vor 65 Jahren hat sich die FDP gegründet. Jetzt ist sie zum ersten Mal nicht im Bundestag. Wie fühlt sich das an? Wie eine Ohnmacht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist nach wie vor hochgradig zu bedauern. Aber es wurde so gewollt. Wir werden sehen, was uns jetzt mit der Großen Koalition erwartet. Wenn das eintrifft, was ich befürchte, haben wir bald mehr Arbeitslosigkeit, höhere Steuern, höhere Abgaben. Die FDP ist nun in der Opposition. Ich kann den Leuten nicht mehr helfen. Das bedaure ich.
Ist die Partei politisch bedeutungslos geworden? Nein. Die Bedeutung ist weiterhin da. Im Moment haben wir nur keine parlamentarischen Möglichkeiten in Berlin. Das ist ein sehr einschneidendes Gefühl.
Und das wird erstmal bleiben.
Die FDP will jetzt neu durchstarten. Ist Christian Lindner als Parteivorsitzender der richtige Mann? Ich war am vergangenen Wochenende persönlich in Berlin und habe mir Lindners Rede angehört. Er hatte ein sehr gutes Auftreten und formuliert die Ziele richtig.
Lindner möchte ja vor allem den Ruf der sozialen Kälte loswerden...Der Ruf ist völlig unberechtigt. Ich bin Sozialpolitiker. Ich habe selber für die kleinen Leute gekämpft, als ich in Berlin war. Dieses Image ist vom politischen Gegner gewollt. Da entstehen Zerrbilder. Das ist genauso mit der berühmten Hotelsteuer. Die wollten alle Parteien - aber nur uns wird sie angehaftet.
Reicht ein Wechsel an der Parteispitze eigentlich aus?Es ist eine Voraussetzung, dass wir ein neues personelles Angebot haben.
Wir müssen unseren Stil ein bisschen ändern: Wir denken zuerst an den Bürger. Außerdem müssen wir Worte so aussprechen, dass es die Bürger verstehen. Nichts Hochkomplexes.
Was muss die FDP jetzt tun?Sie muss sich bemerkbar machen. Das wird ohne parlamentarische Möglichkeiten schwer genug. Die Zweitstimmenkampagne kurz vor der Wahl - da haben sich viele in der Partei geschämt. Ich auch. Das war schlimm. Die Quittung haben wir gekriegt. Die Fehler haben wir gemacht. Die Verantwortlichen sind nicht mehr da. Das Programm müssen wir nicht ändern. Die Grundrichtung ist richtig.
Wie ist es mit Ihnen? Bleiben Sie politisch aktiv? Ich kann im Moment mangels parlamentarischer Kraft für die Bürger nichts tun. Ich hätte es gerne getan. Ob ich für die nächste Landtagswahl kandidiere, weiß ich jetzt noch nicht.
Aber ich kandidiere definitiv für die Kommunalwahlen 2014.
Wie geht es mit der FDP im Landkreis weiter? Ich hoffe gut. Wir sind unterwegs, wir stellen Listen auf. Die Leute können sich weiter auf die FDP verlassen.
Das Gespräch führte Sabine Herteux