Viel Lärm um einen Stummfilm

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Das Percussion-Quartett "Cabaza" untermalte die Szenen des Stummfilms. Fotos: Heike Reinersmann
Das Percussion-Quartett "Cabaza" untermalte die Szenen des Stummfilms. Fotos: Heike Reinersmann
Der Film spielt im Nürnberg der 1920er-Jahre.
Der Film spielt im Nürnberg der 1920er-Jahre.
 
 
 
 

Gegen Ludwig Bergers "Der Meister von Nürnberg" gab es 1927 massive Proteste aus national gesinnten Kreisen, weil er angeblich Richard Wagner verunglimpft. 85 Jahre später wurde er in Höchstadt gezeigt.

Ein Zeichen für die Kultur wollte er setzen, erklärt Landrat Eberhard Irlinger (SPD) seine Idee, zum 200. Geburtstag des Komponisten Richard Wagner eine über Jahrzehnte verschollene Stummfilmaufnahme von Ludwig Berger zu zeigen. Reichlich Spannung boten die geschichtlichen Ereignisse um die Uraufführung sowie die musikalische Untermalung durch das professionelle Percussion-Quartett "Cabaza".
Vor gut 85 Jahren hätte der Stummfilm "Der Meister von Nürnberg" mit hochkarätiger schauspielerischer Besetzung wie Adele Sandrock, Rudolf Ritter, Maria Solveg und Gustav Fröhlich in Nürnberg im Phöbus-Palast gezeigt werden sollen. Seinerzeit gab die Phöbus-AG das Projekt in Auftrag, um damit den neuen Nürnberger Filmpalast mit 2000 Sitzplätzen einzuweihen.
"Dass es dazu nicht kam, ist von Interesse", erklärt Siegfried Kett, der ehemalige Leiter des Bildungszentrums Nürnberg.
1994 entdeckte er den Film im Filmarchiv Wiesbaden. Der Regisseur Ludwig Berger verfilmte 1926/27 in den Babelsberger Studios eine heitere Liebeskomödie, die sich im Namen und in der Handlung an Richard Wagners Oper "Die Meistersänger von Nürnberg" anlehnte. Am 9. September 1927 wurde der Film erstmalig in Berlin gezeigt. Die Kritiken fielen recht einhellig positiv aus. Das Bühnenbild, welches in romantisch-biedermeierlicher Art durch Rudolf Berger geschaffen wurde, ist der Stadt Nürnberg nachempfunden. "Wie von Spitzweg sind die Bilder aus Nürnberg. Wenn man jedes Bild, jede Geste für sich sieht, so ist es der denkbar beste Film", zitiert Kett das Berliner Tagblatt. Auch der Dresdner Anzeiger schwärmt nach der Uraufführung: "Der Film ist einer der schönsten, den die letzte Zeit geschaffen hat."
Einzig der Berliner Musikkritiker Hugo Rasch sieht eine "Beschädigung von Wagner und seiner Oper". Kett arbeitet in seinen einführenden Worten heraus: "Vermutlich aus einer ideologisch Grundhaltung motiviert, zerreißt Rasch den Film, ohne ihn jemals gesehen zu haben." In Nürnberg fällt dieses Gedankengut bei Wilhelm Matthes vom "Fränkischen Kurier" auf fruchtbaren Boden. Ohne den Film jemals gesehen zu haben, inszeniert er ein großes Spektakel bis hin zu dem "Nürnberger Protest", der von vielen namhaften Personen und Vereinen unterzeichnet wurde. Es dauerte ein dreiviertel Jahr, bis der Film in Nürnberg gezeigt wurde.
"Eigentlich könnten wir dieses Ereignis, diese Provinzposse hier abhaken", fährt Kett fort, um anzumerken: "Wenn es nicht Vorbote einer dunklen Zeit gewesen wäre." Der finale Einführungssatz ist ein sinngemäßes Zitat von Ludwig Berger, eigentlich Bamberger: "Hätte ich 1927 mit weniger Empörung, aber mit mehr Aufmerksamkeit das sich ankündigende Unheil gelesen, wäre ich kaum weitere sieben Jahre in Nürnberg geblieben." Sein Bruder Rudolf wurde 1944 im KZ Auschwitz umgebracht.

Instrument bellt wie ein Hund

Der Film offeriert mit viel Charme und einigem Witz sein Geschehen. Das professionelle Percussion-Quartett "Cabaza" unterlegt die Handlung spannungsreich, hingebungsvoll und mit heiterer Ironie. Eine Posaune, ein Flügel, dessen Saiten selbstverständlich auch mit Schlegeln bearbeitet werden, und eine riesige Auswahl von Schlagwerken aller Art stellen die Ausstattung der Musiker dar.
Diese sind ihres Zeichens allesamt Professoren oder Dozenten der Musikhochschule Nürnberg sowie der Musikschule Nürnberg: Hermann Schwandner, Hans-Günther Brodmann, Radek Szarek und Werner Treiber. Lautlos wechseln sie während der Aufführung ihre Plätze, schaffen es sogar, das Bellen eines Hundes mit Instrumenten nachzuahmen. Im Film wird gerade die alte Burg derer von Stolzings gezeigt, während die "Boys" aus der Percussiongroup einen Kontrapunkt mit "funky music" setzen. Einfach klasse. Sehr gelungen wird auch der würdige Einzug der Nürnberger Räte mit einem Narren-Marsch auf dem Marimbaphon auf die Spitze getrieben.
"Flexaton und Waterphon sorgen für den rechten Ton", reimte eine Besucherin beim gemütlichen Ausklang im Hof und in der Lounge der Fortuna. Film, Musik, Büfett und Getränke gaben eine wunderbare Vorlage für einen Sommerabend der Extraklasse, der leider zu wenige Besucher hatte.