"Tierversuche müssen nicht sein"

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Versuche an Tieren - hier ein Rhesusaffe mit einem Implantat in der Tierhaltung im Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen - sind keineswegs alternativlos, sagt der Mediziner Andreas Ganz. Foto: Marijan Murat, dpa
Versuche an Tieren - hier ein Rhesusaffe mit einem Implantat in der Tierhaltung im Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen - sind keineswegs alternativlos, sagt der Mediziner Andreas Ganz.  Foto: Marijan Murat, dpa
Andreas Ganz Foto: privat
Andreas Ganz  Foto: privat
 

Der Mediziner Andreas Ganz will bei einem Vortrag in Erlangen erklären, welche Alternativen es bei der Medikamentenentwicklung gibt.

Andreas Ganz ist Chefarzt einer psychosomatischen Klinik in Bad Reichenhall. Während des Studiums, als er anhand eines Tierversuchs die Funktionsweise des Herzens nachweisen sollte und dafür vorher ein Meerschweinchen von den Praktikumsassistenten getötet wurde, kamen ihm erste Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Tierversuchen.
Ganz hat in München studiert, in der Schweiz promoviert und studierte weitere drei Jahre in Bielefeld Gesundheitsökonomie. Aufgrund seiner Ausbildung als Krankenhausverwalter kann er auch zu den Schäden der Tierversuchsmedizin für die Gesundheitswirtschaft Stellung nehmen. Er war vor wenigen Wochen im ZDF zu sehen. Bei Peter Hahne war Professor Treue vom Primatenzentrum Göttingen sein Gesprächspartner zum Thema Tierversuche. Seitdem zeigten auch der Deutschlandfunk und eine Herzstiftung Interesse an Alternativen zu Tierversuchen. Über diese wird der Mediziner nun in Erlangen aufklären. Die Arbeitsgruppe Erlangen des Vereins Ärzte gegen Tierversuche hat ihn eingeladen.

Was erwartet die Zuhörer im Lesecafé in Erlangen?
Andreas Ganz: Ganz sicher keine grausamen Bilder von leidenden Tiere und keine Erzählungen über deren Qualen. Das können sich die Menschen im Internet ansehen. Ich will aufzeigen, dass es Alternativen zu Tierversuchen gibt und wie diese Alternativen aussehen und funktionieren. Das sind vor allem die Forschung an Multiorganchips und Mini Brains. Spezielle Zellorganellen, die Bestandteile eines Multiorganchips sind, zu züchten, kostet weniger als Tiere für Versuche zu züchten. Spätestens wenn aus dem Publikum dann die Frage kommt, ob damit auch eigene Körperteile nachgezüchtet werden können, weiß man, dass das Thema auf interessierten Boden gefallen ist.

Ist damit dann auch ein Umdenken hin zu den genannten alternativen Methoden bewirkt?
Diese Veränderung kann nur von außen geschehen und dazu gibt es zwei Varianten. Die sanfte, wenn sich immer mehr Leute informieren, darüber nachdenken, das Thema auch mit in die Wahlkabine nehmen oder sich finanziell an Firmen dieser Forschungsart zu beteiligen.
Die andere Variante ist die harte Methode in Form einer Katastrophe, die geschieht. Das könnte Bioterrorismus sein. Dann kann nicht erst an Tieren geforscht werden. Bewähren wird sich dann jemand, der den Multiorganchip anbietet. Neue Methoden sind immer erst durch eine Katastrophe möglich geworden, sonst würde die Pest noch immer mit Weihrauch behandelt werden. Die Menschen sind zivilisiert genug, um gewisse Zusammenhänge zu verstehen und sehen ein, dass sie davon mehr profitieren.

Ist fehlendes Mitleid der Grund, dass noch immer an den alternativlos genannten Tierversuchen festgehalten wird?
Jedes System hat das Bestreben, sich selbst zu erhalten. Etliche Milliarden Euro werden pro Jahr für Tierversuche ausgegeben. Wer etwas ohne Tierversuche veröffentlicht, wird belächelt. Die Menschen, die dort forschen und lehren, sind mit den Glaubensgrundsätzen, dass Tierversuche alternativlos und ein Medikament nur damit sinnvoll erprobt wurde, aufgewachsen.

Sind diese Glaubenssätze falsch?
Sie sind Aberglaube. Schon Augustinus sagte, jeder Aberglaube ist ein intellektueller Verfall. Vor allem sind Tierversuche nicht sinnvoll erprobt, denn es wird nicht an der Struktur geforscht. Viele Substanzen, die für den Menschen ungiftig sind, sind für Tiere giftig. Penicillin wäre heute nicht ausprobiert worden, weil es für manche Nager gefährlich ist. Ein anderes Beispiel ist die Forschung zu MS (Multiple Sklerose). Tiere haben kein MS. Diese Forschung an Tieren ist genauso sinnlos, als würde die Maul- und Klauenseuche an einem Affen erforscht werden.

Wird die Tierversuchsforschung nur aus finanziellem Interesse aufrechterhalten?
Es wird jedenfalls kräftig aus dem Topf der Kassen und anderer Steuertöpfe geschöpft und ständig heißt es, bald kommt der Durchbruch. Dabei wird die Hand nur ausgestreckt und es kommt nichts zurück. Die Medikamente wurden am Tier entwickelt, nicht am Menschen. Die Medikamente sind zwar so aufbereitet, dass nicht jeder Mensch gleich an dem Medikament stirbt. Doch sie besitzen viele Nebenwirkungen, die wieder anders therapiert werden müssen. Die Patienten haben längere Liegezeiten, längere Ausfälle durch Arbeitsunfähigkeit. 58 000 Menschen sterben in Deutschland pro Jahr an den Nebenwirkungen der Medikamente. Da es eine Alternative gibt, muss diese Handlungsweise hinterfragt werden.

Welches Publikum wünschen Sie sich?
Ich freue mich auf ein kritisches Publikum, das kritische Fragen stellt, auf einen Wettstreit beider Systeme. Und ich freue mich auf Zuhörer, die sich informieren möchten und nachdenklich nach Hause gehen.

Der Vortrag: Dr. med. Andreas Ganz, Mitglied des erweiterten Vorstands von Ärzte gegen Tierversuche, spricht am Mittwoch, 19. Juli, in Erlangen zum Thema Tierversuche unter dem Titel: "Von Äpfeln und Menschen, Mäusen und Birnen: ein teurer und gefährlicher Vergleich". Sein Vortrag beginnt um 19 Uhr im Lesecafé "Anständig essen", Hauptstraße 55.