Sportabzeichen: Keine Frage des Alters

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Gerhard Freunscht hält sich zu Hause auf dem Fahrrad fit und will auch nächstes Jahr wieder das Sportabzeichen ablegen. Foto: Johannes Höllein
Gerhard Freunscht hält sich zu Hause auf dem Fahrrad fit und will auch nächstes Jahr wieder das Sportabzeichen ablegen.  Foto: Johannes Höllein

Der 71-jährige ehemalige Marathonläufer Gerhard Freunscht sieht das Deutsche Sportabzeichen als eine sinnvolle Möglichkeit für jedermann, die eigene Fitness zu überprüfen. Auch eine Erblindung hielt den Weisendorfer (Kreis Erlangen-Höchstadt) nicht vom Sport ab.

Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Sport durch das Leben von Gerhard Freunscht. Schon in seiner Jugend in Lindau am Bodensee betrieb er als Läufer Leistungssport und legte einige Male die Prüfung für das Sportabzeichen ab. "Aber die Leistungen von damals zählen heute nicht mehr", weiß der 71-Jährige. Der Bewegungsdrang des gelernten Industriekaufmanns war schon immer immens.

Als Freunscht aber durch eine Netzhauterkrankung im Alter von 27 Jahren das Augenlicht verlor, war es mit dem Sport erstmal vorbei. Doch er haderte nie mit seinem Schicksal und packte neue Herausforderungen an. "Ich habe umgeschwenkt auf den Bereich Datenverarbeitung und das war sehr spannend, weil es damals noch keine Erfahrungswerte für die Arbeit von Blinden gab", erinnert sich Freunscht, den eine Anstellung bei Siemens nach Franken führte.
"Erst als ich beruflich wieder gefestigt war, habe ich Mitte der 1970er-Jahre wieder mit dem Sport angefangen."

Zuerst beim Versehrtensportverein Nürnberg, wo er das Behinderten-Sportabzeichen ablegte. "Irgendwann hat das aber nicht mehr gereicht, ich wollte mich mit Menschen ohne Beeinträchtigung messen", erzählt der Sportler, der sich nie behindert gefühlt hat. Er gehe offen auf Menschen zu, mit deren Unterstützung es leicht sei, sich zu integrieren und als Sportler unter Sportlern zu fühlen.

Freunscht intensivierte in den 1980er-Jahren sein Training, mit viel Unterstützung seiner Frau Elisabeth, die oft als Chauffeur eingespannt war. Er machte sich beim TV48 Erlangen fit für seinen ersten Marathon, den er 1989 absolvierte. Ein Jahr später mischte er schon beim Triathlon mit - in der normalen Wertung, was einzigartig in Deutschland war: Beim Schwimmen und Laufen hatte Freunscht immer einen Begleiter an seiner Seite, die Radstrecke bewältigte er zusammen mit diesem auf einem Tandem. "Natürlich muss so ein Begleiter fit sein, denn er muss mich konzentriert um alle Hindernisse herum führen." Es gab aber immer jemanden, der sich gern bereit erklärte, mit Freunscht zu starten.

In dieser Zeit lernte der Weisendorfer auch Willi Wahl kennen, der ihn zum TSV Neuhaus lotste und mit dem er für Marathonläufe die Welt bereiste. Boston, New York, Wien, Hamburg oder München standen auf dem Programm und Freunscht genoss jeden Wettbewerb. Als besonderes Erlebnis blieb ihm der Wien-Marathon in Erinnerung, den er 1995 als 55-Jähriger in 3:26 Stunden absolvierte. "Es ist schön, wenn man mit anderen mithalten kann, auch wenn man die Konkurrenz nicht sieht. Aber der Willi hat immer etwas gesagt wie: Da ist einer in deinem Alter, den packen wir noch." Und so erstritt sich Freunscht im Laufe der Jahre zahlreiche Trophäen.
Neben all den Großveranstaltungen und Grenzerfahrungen hatte aber auch das Deutsche Sportabzeichen in Freunschts Leben einen gewissen Stellenwert, auch wenn das eher nebenher lief. Die Bedingungen dafür erfüllte der begeisterte Sportler immer. Jahr für Jahr legte Freunscht die Prüfung ab. "Heuer war es das 32. Mal, auch wenn ich mit Kniebeschwerden etwas zu kämpfen hatte."

Sich Selbstbestätigung holen

Der 71-Jährige muss ich nichts mehr beweisen, möchte aber so lange es geht Sport treiben. Dafür hält er sich fit. Zwei Mal pro Woche im Weisendorfer Fitnessstudio und zu Hause arbeitet er auf dem Fahrrad oder auf dem Laufband an der Ausdauer. Ehrgeizig ist Freunscht noch immer. Beim Sportabzeichen orientiert er sich an den Leistungen aus dem Vorjahr, zumindest bei seinen Paradedisziplinen Laufen und Schwimmen. Beim Standweitsprung macht sich das Alter jedoch bemerkbar: Vor ein paar Jahren waren noch 2,30 Meter drin, jetzt nur noch 1,80 Meter.

Trotzdem hält Freunscht das Sportabzeichen für die ideale Möglichkeiten, sich Selbstbestätigung zu holen. "Jeder kann das machen, unabhängig vom Alter. Man muss kein Vereinsmitglied sein. Aber es werden vielerorts Übungsstunden und Prüfungstermine angeboten. Ich kann es wirklich nur empfehlen", sagt Freunscht und ist überzeugt, dass das Sportabzeichen ein guter Einstieg in eine regelmäßige Betätigung sein kann.

Der Bewegungsdrang bei Gerhard Freunscht ist ungebrochen und manchmal auch derart ausgeprägt, dass ihn seine Frau Elisabeth etwas bremsen muss. Aber auch neben dem Sport geht der 71-Jährige vielen Aktivitäten nach. Er arbeitet im Garten oder im Seniorenbeirat und als Behinderten-Beauftragter der Gemeinde Weisendorf. "Es gibt immer etwas zu tun."