Erneut geht Martina Stamm-Fibich für die SPD ins Rennen um das Bundestags-Direktmandat im Wahlkreis Erlangen und Erlangen-Höchstadt. Als Betriebsrätin setzt sie vor allem auf Arbeits- und Sozialthemen.
Martina Stamm-Fibich, 47 Jahre, ist gebürtige Erlangerin, freigestellte Betriebsrätin bei Siemens Helathcare und Mutter von zwei Kindern im Alter von 13 und 17 Jahren. Renate Schmidt traut ihr sogar zu, Ministerin zu werden. Nach der SPD-Nominierungsversammlung am vergangenen Freitag in Buckenhof, hat sie sich für ein paar Fragen Zeit genommen.
FT:
Sie sind nun die Kandidatin für den Wahlkreis Erlangen und Elangen-Höchstadt. Haben Sie mit einem so guten Ergebnis gerechnet? Martina Stamm-Fibich: Ich habe gehofft, dass es ein deutliches Ergebnis wird. Dass es nun aber so gut gekommen ist, freut mich außerordentlich. Ein großer Vertrauensbeweis der Parteifreunde.
Wann beginnt für Sie der Wahlkampf?Heute. Zunächst muss ich aber sagen, dass ich das Wort "Wahlkampf" eigentlich grässlich finde. Das klingt mir zu aggressiv und herabsetzend. Ich finde, "Vorbereitungen auf die Bundestagswahl" ist treffender. Ich habe ja schon die Erfahrung beim letzten Mal im Jahr 2009 gemacht. Als gewählte Kandidatin ist das ab heute natürlich ein ganz anderer Fokus als noch gestern. Schließlich wollen wir im nächsten Jahr den Wahlkreis holen. Ich denke, dass es nach dem Sommer so richtig losgehen wird.
Wenn Sie bei einer der Wahlveranstaltungen mit dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel zusammen kommen, welches Politikfeld legen Sie ihm im Falle eines Regierungswechsels als zudringlichste Baustelle ans Herzen?Arbeit und Soziales, ganz klar.
In ihrer Rede an die Erlanger Delegierten haben Sie sich vor allem zu Arbeitsmarkt-Themen geäußert. Dabei haben Sie von den "angeblich so hervorragenden Arbeitsmarktzahlen" gesprochen. Was meinen Sie damit?Natürlich klingt das, was man an Zahlen vom Arbeitsmarkt zu hören bekommt, hervorragend. Bei uns hier im Wahlkreis herrscht ja nahezu Vollbeschäftigung. Aber ich sage, dass zu viele Teilzeitbeschäftigte und Minijobber aus der Statistik rausgefallen sind. Ob die Zahlen mit der Realität des Arbeitslebens übereinstimmen, wage ich sehr zu bezweifeln. Vor allem sagen sie noch nichts über die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsverträge der Menschen aus.
Was die geringfügig Beschäftigung und die prekären Arbeitsverhältnisse angeht, sehen Sie auch eine Mitverantwortung Ihrer eigenen Partei in der Vergangenheit?Mit Sicherheit wurden auch von unserer Seite in der rot-grünen Koalition oder der Großen Koalition Fehler gemacht, keine Frage. Das spreche ich übrigens auch immer ganz offen an. Vor allem bei den Minijobs muss unbedingt nachgebessert werden. Auch bei den Leiharbeitern gibt es, was Bezahlung und Stellung im Unternehmen anbetrifft viel zu korrigieren. Das Stichwort heißt Equal Pay, also "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit".
Renate Schmidt war heute zu Gast und hat Sie geradezu mit Lob überschüttet. Was sagen Sie dazu, dass Schmidt Sie sich als Ministerin vorstellen kann?Mich verbindet mit Renate sehr viel. Auch sie war im Betriebsrat engagiert. Auch sie hat Familie und Beruf unter einen Hut bekommen müssen. Wir beide haben quasi die selben Erfahrungen gemacht. Ich kenne Renate sehr gut. Sie ist kein Mensch, der jemanden leichtfertig mit Lob überschüttet. Deshalb haben mich ihre Worte außerordentlich geehrt. Aber es liegt mir fern, den Anspruch zu erheben, Ministerin werden zu wollen. Ich bin heute als Kandidatin für die SPD aufgestellt worden und möchte die Menschen hier im Wahlkreis als Abgeordnete vertreten.
Mit Peer Steinbrück, Frank Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel gibt es momentan drei potentielle Kanzlerkandidaten bei der SPD. In Ihrer Rede haben Sie erwähnt, dass Sie 1994 in die SPD eintraten, was Sie mit der Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen gemeinsam hätten. Würden Sie es begrüßen, wenn Hannelore Kraft entgegen ihrer Ankündigung, vielleicht doch in den Bund wechselt und aus dem Trio ein Quartett wird?Ich halte Hannelore Kraft für eine sehr fähige Frau. Ich denke sie wird zu ihrem Wort stehen, das sie den Bürgern in NRW gegeben hat, sich voll und ganz um die Landesbelange zu kümmern. Das soll jetzt nicht pauschal klingen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen eher dazu neigen, ihr Versprechen auch einzuhalten. Generell wünsche ich mir natürlich mehr Frauen an der Spitze der Politik. Endlich eine Frau als Finanz- oder Außenministerin fände ich gut.
Haben Sie unter den möglichen Kandidaten der SPD-Troika eine Präferenz?Ich denke, dass wir mit Peer Steinbrück einen guten Kanzlerkandidaten hätten.
Glauben Sie, dass das eine Mehrheit Ihrer Partei auch so sieht?Warum nicht? Peer Steinbrück ist ein ausgewiesener Finanzexperte. Da ich davon ausgehe, dass uns die Krise des Finanzsystems noch länger beschäftigen wird und die Diskussionen wie etwa über den Fiskalpakt nicht abreißen werden, glaube ich, dass wir mit Peer Steinbrück gut aufgestellt wären.
Natürlich halte ich auch Frank Walter Steinmeier für einen hervorragenden Politiker. Als Außenminister hat er einen ausgezeichneten Job gemacht. Und das ganze Gerede vom sogenannten "Wahlverlierer Steinmeier" kann ich nicht nachvollziehen.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer strebt eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich an. Finden Sie auch, dass Bayern der Zahlmeister der Republik ist?Ich muss Ihnen sagen, dass ich bei diesem Thema besonders emotional reagiere. Ich finde es schändlich wie Horst Seehofer die Solidarität innerhalb der Republik behandelt. Es war doch die CSU, die den Finanzausgleich noch vor gar nicht so langer Zeit verhandelt hat. Ich sehe es noch wie heute, dass Stoiber sich hingestellt hat und sich damit gebrüstet hat, es sei sein Erfolg. Dabei will die CSU doch nur vom Desaster bei der Landesbank ablenken. Zudem ist es dümmlich, die Zahlen aus den 70er Jahren mit den heutigen zu vergleichen. Bayern war zwar Nehmerland, aber DM und Euro und die heutige Zeit mit damals zu vergleichen, das ist nicht seriös.
Sie finden also nicht, dass bei den Finanzströmen zwischen den Ländern etwas reformiert werden muss? Ich würde warten, bis der Finanzausgleich ordentlich neu verhandelt wird. Bis dahin würde ich ihn unangetastet lassen. Der Länderfinanzausgleich ist nicht das Wohl und Wehe Bayerns. Da gibt es ganz andere Probleme. Ich sehe es als unsäglich, andere Bundesländer, so etwa NRW zu kritisieren, keine Studiengebühren zu verlangen, da dies angeblich Luxus sei. Die CSU hat doch genauso die Möglichkeit, die Gebühren noch heute abzuschaffen wenn sie möchte. Dass aber bei den desaströsen Geschäften der BayernLB etwa ein Stadion in Kärnten millionenschwer mitfinanziert wurde, die jungen Menschen im Land auf der anderen Seite Gebühren für ihren Bildungszugang bezahlen müssen, das wird nicht dazu gesagt. Wie gesagt, für mich handelt es sich um ein Ablenkmanöver.
Ich sehe viel eher mit Wehmut, was aus Oberfranken wird. Uns in Mittelfranken geht es, was Arbeitsplätze und Infrastruktur angeht, ja vergleichsweise gut. Erst letztens war ich hinter Kronach an der Thüringer Grenze auf dem Land unterwegs. Dort braucht es massiv Strukturpolitik. Ich finde, Herr Seehofer sollte lieber seine Hausaufgaben in seinem eigenen Bundesland angreifen, anstatt anderen reinzureden.
Ihre Partei fordert ja die Einführung von Elementen direkter Demokratie. Was halten Sie von der unmittelbaren Beteiligung von Bürgern an politischen Entscheidungen?Erst auf dem letzten Bundesparteitag wurde zu einer Grundgesetzänderung wieder diskutiert. Ich sehe für die nächste Legislaturperiode eine echte Chance für mehr Bürgerbeteiligung. Natürlich müssen die Details stimmen. So müssen etwa die Quoren hoch genug sein. Warum sollte ich generell ein Problem damit haben, wenn eine Entscheidung direkt-demokratisch gefällt wird? Ein Abgeordneter muss seine Entscheidung ja auch nahe am Menschen treffen, mit den Menschen vor Ort reden. Natürlich sehe ich ein Problem darin, dass sich nicht jedes Thema mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet werden kann, wie es bei einem Volksentscheid er Fall ist. Aber mehr Bürgerinitiativen sind nur wünschenswert.
Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit mit Ihrem Konkurrenten von der Piratenpartei zu sprechen. Sind Sie ein digitaler Mensch? Nutzen Sie Facebook und Twitter?Politisch bin ich bei Facebook seit der letzten Wahl unterwegs. Twitter nutze ich nicht. Sicher gehört das heute dazu, aber ich finde, man sollte sich vor allem dem Medium bedienen, das man beherrscht. Übrigens habe ich festgestellt, dass Andreas Waas ebenfalls Angestellter bei Siemens ist wie ich, sogar im selben Bereich des Unternehmens. Persönlich kenne ich ihn allerdings nicht.
Was halten Sie von der Piratenpartei? Was ich nicht verstehe, ist der deren Vorwurf, die Parteien würden alles in Hinterzimmern ausküngeln. Das ist nicht die Realität der Politik, die ich kenne. War die Nominierungsveranstaltung heute Abend etwa eine geschlossene Gesellschaft? Mit Nichten. Die Bürger sind immer willkommen, zu den Parteiveranstaltungen zu kommen. Wer mit uns reden will, der kann das immer tun. Auch eine Gastmitgliedschaft auf Probe oder einfach mal bei den Stammtischen vorbeizukommen, begrüßen wir ausdrücklich. Von Hinterzimmer keine Spur.
Auch so etwas wie das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, das einige Piraten fordern, ist bisher nur eine recht schwammige Angelegenheit.
Was macht Ihrer Meinung den bisherigen Erfolg der Piraten aus?Das Netz, ganz klar. Natürlich ist es charmant, mal zwei Zeilen irgendwo im Netz zu posten. Ob das aber komplexen, politischen Inhalten gerecht wird, wage ich zu bezweifeln.
Wenn Sie heute nicht gerade zur Bundestagskandidatin Ihrer Partei gewählt worden wären, was hätten Sie anstattdessen an einem Freitagabend wie diesem gemacht?Ein Kollege von mir feiert heute seinen Geburtstag. Da werde ich jetzt noch einmal vorbeischauen.
Die Fragen stellte Christian Bauriedel.