Mit deutlichen Worten haben sich die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses im Landkreis Erlangen-Höchstadt zu dem Fall der drei Sektenkinder in Lonnerstadt geäußert. Die Kinder müssen nach strengen Regeln leben, da ihre Eltern einer Sekte verfallen sind. Kommunalpolitiker stärken das Jugendamt und kritisieren die Medien.
Nachdem alle Tagesordnungspunkte mit nur wenigen Wortmeldungen abgehandelt worden waren, wurde es beim Thema "Sektenkinder" am Ende der Sitzung emotional. Scharf kritisierten die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses das Vorgehen der Filmemacherin, die die Kinder mit einer "tendenziösen Berichterstattung" (Landrat Irlinger) in die Öffentlichkeit gezerrt habe.
Der Jugendhilfeausschuss des Landkreises Erlangen-Höchstadt stellte sich hinter das Jugendamt Erlangen. Die Mitglieder stärkten in der Sitzung am Donnerstag Landrat Eberhard Irlinger (SPD) den Rücken, der das Vorgehen des Amtes verteidigte: "Wir würden bei jedem Gericht durchfallen, wenn wir sagen, wir nehmen die Kinder raus." Die SPD-Fraktion hatte nach Erscheinen des WDR-Films "Sektenkinder - zum Dienen geboren", in dem die ärmlichen Lebensverhältnisse der Kinder gezeigt werden, öffentlich eine Berichterstattung zu den Vorkommnissen bei der Sekte "Neue Gruppe
der Weltdiener" vom Landrat gefordert.
Christian Pech (SPD) bedankte sich gestern für die Antworten, die Irlinger bereits auf der Pressekonferenz vor einer Woche gegeben hatte. Vereinzelte Kritik kam vor allem von den Freien Wählern, die eine öffentliche Anfrage zur Sekte als den falschen Weg bezeichneten. Dies hätte man besser intern mit einem Telefonat klären können.
Anfragen zum Thema Sektenkinder von der Filmemacherin wurden in der Vergangenheit vom Landratsamt abgeblockt. Das sei der einzige Fehler gewesen, den das Amt gemacht habe, gestand der Landrat im Jugendhilfeausschuss ein. "Ich gebe zu, wir hätten in dem Film gleich Stellung nehmen müssen."
Auch Eltern in der Pflicht Die Mitglieder der Jugendhilfeausschusses werteten den Film eindeutig.
Retta Müller-Schimmel (Grüne) sprach von "Schwarz-Weiß"-Malerei: Die Filmemacherin hätte wissen müssen, was sie mit der Darstellung auslöst.
Gabriele Klaußner (CSU) sagte, sie habe den Film erst an diesem Mittwoch angeschaut. Sie habe dabei bemerkt, dass der Wahrheitsgehalt sicher nicht sehr hoch sei. Vor allem kritisierte sie den Presserummel, der nach Ausstrahlung des Films aufkam. Damit sei für den Sekten-Guru nur unnötig eine Plattform geschaffen worden.
Andreas Tonke vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Mittelfranken störte sich an der Berichterstattung der lokalen Tageszeitungen, die das Jugendamt in die Enge getrieben hätten. "Es ist ein Skandal, wenn man Kinder aus der Familie nehmen würde - das wäre Kindeswohl gefährdend." Das Jugendamt habe richtig gehandelt.
In ebenso drastischen Worten verurteilte Udo Rahtje vom Kreisjugendring Erlangen-Höchstadt die Mahnwachen, die erst zu einer Gefährdung des Kindeswohls führten. Er sprach von Gaffern mit Sensationslust, denen sich die Kinder aussetzen müssten, weil die Medien Öl ins Feuer gießen würden.
Otto Schammann, Leiter des Sozialdienstes, nimmt dagegen die Eltern der Sektenkinder in die Pflicht: "Die Eltern haben zu verantworten, dass der Filmbericht so erschienen ist." Auf Hinweise des Jugendamtes, dass dies für das Wohl der Kinder schlecht sein könnte, seien die Eltern nicht eingegangen.
Armut kein Grund einzugreifen? Zuvor hatte Landrat Irlinger zu dem Fall eine Erklärung abgegeben. Dass die Familie sich für ein Leben in Armut entschieden habe, sei noch lange kein Grund einzugreifen. "Die Kinder haben das, was sie brauchen, um aufzuwachsen.
Die Kinder können draußen spielen und Kontakte haben." Und zum Thema fehlende Krankenversicherung bei den Kindern sagte er: "Es ist kein Grund, die Kinder herauszunehmen, weil wir das D'accord der Familie haben. Wenn was Ernstes ist, würden sie zum Arzt gehen."
Zu der Forderung der Mahnwachen-Veranstalter, einen Sektenexperten heranzuziehen, sagte Irlinger: "Wir lassen uns von keinem Sektenexperten beraten, der in der Presse schreibt, was wir Schlimmes gemacht haben." Damit nahm er Bezug auf die Aussagen von Wolfgang Behnk, Sektenbeauftragter der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, der ein Einschreiten der Behörden gefordert hatte. Irlinger sagte vielmehr, er wolle Behnk einen "saftigen Brief" schreiben.
Im Fall der drei inzwischen erwachsenen Kinder der Lebensgefährtin des Sekten-Gurus, die vor zehn Jahren unter den Erziehungsmethoden der "Weltdiener-Sekte" gelitten hatten, habe man inzwischen recherchiert. Die Information aus dem Gesundheitsamt laute: "nichts Auffälliges". In dem Film wird deutlich, dass die Kinder von damals noch heute mit psychischen wie körperlichen Folgen zu kämpfen haben.
Es wird halt alles schon wieder verharmlost und unter den Tisch gekehrt.Das ist aber ganz üblich für Behörden, dennen pinkelt schließlich im Ernstfall keiner ans Bein. Leider.
Es ist leider gang und gäbe bei vielen Fernseh-Reportern wie z. B. beim Bayerischen Rundfunk und bei den so genannten "Sektenexperten", die in Wirklichkeit gar keine "Experten", sondern Interessenvertreter ihrer eigenen Kirche sind. Es wird alles mögliche in das Schema "Böse Sekte" hinein gepresst. Differenzierungen finden nicht statt und sind nicht gewollt. Und sagt dann ein tatsächliches oder vermeintliches "Opfer" aus, wird es für dieses Schema instrumentalisiert, und man tut so, als wäre jeder Satz die ungefärbte reine objektive Wahrheit. Die andere Seite in diesem Konflikt kommt entweder gar nicht zu Wort oder sie wird im Dienst des Schemas verdreht oder manipuliert. Und wer hat dieses Schema, das ich für verlogen halte, den Leuten in die Köpfe gepflanzt?
So ist es auf jeden Fall sehr schwer zu beurteilen, wo ein "Opfer" tatsächlich Opfer ist und wo nicht.
Dass die Eltern hier extrem unverantwortlich und ohne Vorbildfunktion handeln, wenn sie sich nicht darum bemühen, einer rechtschaffenen geregelten Arbeit nachzugehen, ist ja wohl klar, und damit bringen sie ihre religiösen Überzeugungen selbst in Misskredit. Wird jedoch von den Schema-Vertretern zur öffentlichen "Sektenjagd" geblasen, wird meist wild drauf los geschossen, egal, was vor die Flinte kommt.
Ein öffentlich-rechtlicher (!) Sender, der ja der Allgemeinheit und nicht der Kirche verpflichtet ist, dürfte überhaupt nicht von "Sekten" sprechen. Oder er müsste zur Ausgewogenheit dann auch von den kirchlichen Großsekten sprechen.
Der Jugendhilfeausschuß scheint sich sehr um den Ruf der Behörde zu sorgen. Dabei sollten die Kinder aber nicht aus dem Blick geraten, die jetzt und heute unter dem Sektenleben leiden müssen. Vom Problem abzulenken und besorgte Bürger als "Gutmenschen" und "Gaffer" zu beschimpfen, ist sicher nicht der richtige Weg. Schon einmal hat das Landratsamt eine fatale Fehleinschätzung getroffen, die Opfer leiden noch heute. Wird es diesen Fehler nun wiederholen?
Landrat Irlinger erklärte gestern vor dem Jugendhilfeausschuß, bei den vor zehn Jahren geflüchteten Sektenkindern habe das Gesundheitsamt damals „nichts Auffälliges“ gefunden. Konrad, eines der Opfer, das heute noch unter den Folgen des Sektenlebens leidet, nimmt dazu auf dieser Facebook-Seite Stellung: „Bei mir wurde nicht mal eine richtige Untersuchung durchgeführt. Wie kann ein Arzt in meinem F...all behaupten, ich sei gesund? Ist schon klar: Eine kaputte Hüfte und Gehschwäche kann man ja auch nur mit den richtigen Geräten erkennen und nicht mit einer äußeren Leibesvisite; geschweige denn, was im Gehirn alles fehlt. Das benötigt Fachspezialisten. Auf jeden Fall fehlte mir äußerlich nichts, das stimmt, aber was wirklich mit mir war, wurde ja geheimgehalten, um nicht aufzufallen. Aber wenn es mal soweit ist, daß wirklich etwas fehlt, dann ist es eh zu spät, dann muß man mit den Folgen leben.“