Markus Horst vom Erzbistum Bamberg referierte in Höchstadt einen Kosmos von Kirchen, Religionen und Weltanschauungen. Er plädierte dafür, die Diskussion über die Lonnerstadter Sektenkinder noch nicht zu beenden.
Der Überblick über den "verwirrend vielfältigen Markt religiöser Gegenwartskultur" war die eine Seite. Die andere war ganz konkret: die "Neue Gruppe der Weltdiener" aus Ailsbach und Lonnerstadt, und da insbesondere die Situation der Kinder, um die sich viele engagierte Bürger sorgen.
Markus Horst, Leiter der Erlanger Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen im Erzbistum Bamberg und Dekanatsbeauftragter für den interreligiösen Dialog, ist tagtäglich konfrontiert mit dem Spannungsfeld, das sich aus dem Gebot zur Toleranz und Religionsfreiheit einerseits und dem Gefährdungspotenzial durch weltanschauliche Sondergruppen ergibt. Vor dem Hintergrund der Lonnerstadter Sektenkinder hielt er im Gymnasium einen sehr gut besuchten Vortrag zum Thema Esoterik und Okkultismus.
Ein sehr komplexes Thema, wie gleich eingangs deutlich wurde, als der Referent einen Überblick über den "religiösen Kosmos" von Kirchen, Religionen, Weltanschauungen und anderen religiösen Angeboten gab. Durch die Globalisierung sei die religiöse Landschaft, "das Sortiment auf dem religiösen Supermarkt", für den Einzelnen nahezu unüberschaubar geworden.
Anwesend war auch Redakteurin Beate Greindl, die den Film über die Lonnerstadter Weltdiener gemacht hatte, der das ganze Thema erst öffentlich gemacht hatte. Eine tolle Arbeit, mit der sie dieses Phänomen an einem Beispiel dokumentiert habe, lobte der Referent. Für seinen Vortrag hatte sich der Sektenbeauftragte mehrere Schwerpunkte gesetzt: Glück und der religiöse Supermarkt, die Jugendkultur samt ihren Phänomenen, das weitreichende Gebiet der Esoterik und die Definition des Begriffs "Sekte". Wobei man laut Horst vielmehr von "religiösen Sondergemeinschaften" sprechen sollte, wolle man diese Menschen ihrer Würde nicht berauben. Sie weltanschaulich oder ideologisch zu beurteilen, sei auf der Basis des Grundgesetzes schon gar nicht möglich.
Nicht alles, was mit den neuen religiösen Strömungen daher komme, sei auch gleich bedrohlich, sagte Horst. In einer freiheitlichen Gesellschaft müsse das "jeder für sich buchen können". Vorsicht sei jedoch angebracht, wenn der Einzelne zugunsten der Gruppe seine persönliche Freiheit aufgeben müsse. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Menschen, die da hineinfallen, gehörig ausgenommen wurden.
Grundsätzlich gehe es immer um Glück und Sinnsuche. Eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten müsse. Das einst "optimistische Fortschrittsdenken" sei heute dem Bewusstsein ständiger Krisen gewichen. Esoterik sei ein Antwortversuch auf das heutige wissenschaftliche Lebensmodell. In diesem Zusammenhang müsse auch besonderes Augenmerk auf die Jugendkultur gelegt werden. Harry Potter, Twilight oder Dan Browns Romane bedürften einer kritischen Auseinandersetzung.
"Kinder und Jugendliche müssen lernen, zwischen Realität und Fantasiewelt zu unterscheiden." Etwa 30 Prozent der jungen Menschen würden sich heute mit Esoterik oder Okkultismus beschäftigen und sich an Pendeln, Gläser rücken, Wahrsagen beteiligen. Auf der Suche nach Spiritualität boome der Esoterikbereich.
Eine höhere Stufe erreichen Die Grundidee der Esoterik sieht der Sektenbeauftragte auch bei den Weltdienern. Sie würden sich auf die "göttliche Energie" beziehen. Ziel sei eine höhere Stufe der Entwicklung, an deren Ende der Mensch selbst Gott werde. "Sie gehen davon aus, dass das höhere Potenzial des Menschen noch nicht erreicht ist." Daher spiele die Meditation eine große Rolle.
Das Problem - auch der Gruppe in Lonnerstadt/Ailsbach - sei, wie man mit Krankheit und Leid umgehe. "Nach ihrem Verständnis entsteht Leid, wenn man falsch lebt, gegen kosmische Gesetze verstößt und den Ruf unserer höheren Natur ignoriert." Daher würde man den Kindern auch Medikamente oder eine Brille vorenthalten. Die öffentliche Diskussion um die Lonnerstadter Gruppe müsse noch einmal thematisiert und sollte nicht vorschnell abgehakt werden.
In der anschließenden Diskussion ging es auch darum, ob die Demonstrationen den Lonnerstadter Kindern geschadet haben. "Die Öffentlichkeit war notwendig, um auf die Problematik aufmerksam zu machen", sagte Horst. Nächster Schritt wäre, dass sich die Nachbarn fragen, wie sie damit umgehen.
"Ich habe das Problem zunächst schlichtweg verkannt", gab der Höchstadter Dekan Kilian Kemmer zu. Zwar sei die Religionsfreiheit als oberstes Prinzip zu achten. "Wir müssen aber sehr genau hinschauen, ob Menschenrechte missachtet, Menschen an Leib oder Seele verletzt werden." Eine besondere Verantwortung liege bei den Schulen, damit die Kinder ihren Weg in Freiheit gehen können.