Schaeffler: Ex-Manager müssen nicht zahlen

2 Min
Da gab es noch Eintracht: Der damalige Konzernchef Jürgen Geißinger (links) und sein damaliger Finanzvorstand Klaus Rosenfeld (heute Konzernchef) im Jahr 2010 vor einer Pressekonferenz. Foto: Peter Kneffel, dpa
Da gab es noch Eintracht: Der damalige Konzernchef Jürgen Geißinger (links) und sein damaliger Finanzvorstand Klaus Rosenfeld (heute Konzernchef) im Jahr 2010 vor einer Pressekonferenz. Foto: Peter Kneffel, dpa

Das Arbeitsgericht weist die Klage des Konzerns auf Schadensersatz gegen Ex-Chef Jürgen Geißinger und andere ab.

Die Entscheidung kam nun doch schneller als von vielen erwartet. Und sie wird dem Herzogenauracher Auto- und Industriezulieferer Schaeffler überhaupt nicht schmecken: Das Arbeitsgericht in Schweinfurt hat die Klage des Konzerns gegen acht ehemalige Mitarbeiter abgewiesen. Aus Sicht der Kammer sind die Schadensersatzforderungen von insgesamt bis zu 62,5 Millionen Euro verjährt oder verwirkt.
In der Sache ging es um Bestechung in mehreren Fällen bei Türkei-Geschäften. Demnach sind in den Jahren 2004 bis 2011 Schmiergeldzahlungen an Kontaktleute in der Türkei geflossen, um an Aufträge zu kommen. Mehr als 700 000 Euro sollen in dieser Zeit geflossen sein, getarnt als Beratungshonorar oder Provisionskosten.


Gespräch lässt Verjährung laufen

Dieses Geld und die erwarteten Strafzahlungen wegen der Schmiergeldaffäre wollte sich Schaeffler von den verantwortlichen Mitarbeitern vor dem Arbeitsgericht in Form von Schadensersatz sichern. Unter den Beklagten waren auch der ehemalige Konzernchef Jürgen Geißinger und der frühere Industrievorstand Robert Schullan. Die Klage scheiterte letztlich am Verhalten des heutigen Chefs von Schaeffler: Klaus Rosenfeld.
Der ehemalige Bank-Manager war im März 2009 zur Schaeffler-Gruppe gekommen - als Finanzvorstand. Laut Gericht kam im Prozess heraus, dass Rosenfeld im Oktober 2011 vom Schaeffler-Compliance-Beauftragten in einem Gespräch über die Schmiergeldzahlungen unterrichtet worden war. Die Kammer wertete dies als den Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen Kenntnis von den Bestechungsgeldern und auch von einer sogenannten Schwarzgeldkasse erhalten habe - auch wenn Rosenfeld nach Aussagen der Schaeffler-Anwälte damals keine Unterlagen ausgehändigt worden waren.


Untätigkeit des Finanzvorstands

Geklagt hatte der Konzern erst Anfang dieses Jahres, mehr als vier Jahre später. Nach Ansicht des Gerichts war zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen bzw. hat das Unternehmen seine Ansprüche durch Untätigkeit verwirkt.
"Rosenfeld hätte sensibilisiert sein müssen, die Alarmglocken hätten läuten müssen", sagte der Vorsitzende Richter Frank Bechtold in seiner Urteilsbegründung. Dabei lastete er dem heutigen Vorstandsvorsitzenden der Schaeffler AG auch an, dass er der Sache mit den durchaus denkbaren Schmiergeldzahlungen nicht nachgegangen sei. Schließlich habe er bei seinem früheren Arbeitgeber, der Dresdner Bank, gerade auch die Vermeidung von Regelverstößen (Compliance) verantwortet.


"Kultur des Wegsehens"

Bechtold kritisierte in seinen Ausführungen zum Urteil aber auch das gesamte Unternehmen. Der Richter sprach von einer "Kultur des Wegsehens". Niemand könne sich dadurch entlasten, dass er bewusst die Augen verschließe.
Damit hielt der Vorsitzende Richter auch den Anwälten der Beklagten noch einmal vor Augen, dass die Frage der Verantwortlichkeit in diesem Verfahren nicht entschieden ist. Im Prozess vor dem Arbeitsgericht ging es lediglich um Schadensersatzforderungen des Schaeffler-Konzerns. Strafrechtliche Fragestellungen blieben außen vor. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt, hat aber noch keine Klage erhoben. Spätestens dann rückt auch Ex-Chef Jürgen Geißinger wieder in den Fokus. Er will von den Schmiergeldzahlungen nichts gewusst haben.


Noch nicht rechtskräftig

Aktuell können die acht ehemaligen Mitarbeiter aber zunächst durchatmen. Sie müssen zwar ihre Anwaltskosten selbst tragen, die Millionen-Forderungen sind aber erst einmal vom Tisch. Und auch die Gerichtskosten muss aufgrund der Klageabweisung der Kläger tragen, also die Firma Schaeffler.
Das gestrige Urteil in erster Instanz ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Schaeffler kann gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht in Nürnberg einlegen. "Ich gehe davon aus, dass es eine Berufungsverhandlung gibt", mutmaßte gestern ein Gerichtssprecher. Schließlich sei der Streitwert enorm. Er beträgt 62,5 Millionen Euro. Eine Summe, die Schaeffler als möglichen Schaden während des Prozesses angegeben hatte.