Der ganze Ebrachgrund wollte den prominenten Geistlichen in Wachenroth hören.
"Wie lange haben Sie gebraucht, um so weise und so gütig zu werden?", fragte im Anschluss an seinen Vortrag eine Besucherin Pater Anselm Grün. Vermutlich 68 Jahre, denn so alt ist der prominente Benediktinerpater aus Münsterschwarzach. Nach dreijährigen Bemühungen ist es der Raiffeisenbank Ebrachgrund gelungen, - nach Peter Hahne und Theo Waigel - Anselm Grün als Referenten zu gewinnen. Es kam, wie es zu erwarten war: Der gesamte Ebrachgrund "pilgerte" nach Wachenroth, um dem Benediktinerpater und seinen Lebensweisheiten zu lauschen.
Der durch die Medien zu Ruhm gelangte Mönch der Abtei Münsterschwarzach hat sich als Lebensberater, Leiter von Kursen und Seminaren, vor allem aber als Autor einen Namen gemacht.
Mit 250 in viele Sprachen übersetzten Büchern gilt er als einer der meistgelesenen Autoren der Gegenwart.
Nein, vorstellen musste Raiffeisendirektor Georg Mönius seinen prominenten Gast wirklich nicht: Waren die gut 700 Besucher, die die Halle bis auf den letzten Platz füllten, doch allein seinetwegen gekommen. Dennoch, der Mann in der Mönchskutte fiel zunächst überhaupt nicht auf. Bescheiden saß er auf seinem Platz in der ersten Reihe, ganz offensichtlich auf seinen Vortrag konzentriert. Bereitwillig beantwortete er alle Fragen und stellte sich den Fotografen. Dabei ist er als Referent zu vielfältigsten Themen in ganz Deutschland unterwegs. Nicht zuletzt Wirtschaftsunternehmen holen sich den charismatischen Benediktiner zu Führungsseminaren und Vorträgen.
Hilfe durch Gott "Was will ich? Mut zur Entscheidung" titelt sein Vortrag in Wachenroth.
Wie das unter einen Hut zu bringen sei - der Theologe und Mönch und der Berufsstand der "Banker", die in den vergangenen Jahren mit einem eher zweifelhaften Image zu kämpfen hatten. Nein, er verteile keine Bankenschelte, antwortet Pater Anselm. Man dürfe keinen Berufsstand verurteilen. Das Leben sei eine ständige Entscheidung, lässt er schon im Voraus hören.
Das war es sicher auch für ihn, als er 1964 ins Kloster eintrat. In der Abtei Münsterschwarzach ist der studierte Betriebswirtschaftler und promovierte Theologe heute als Cellerar für die wirtschaftliche Leitung des Klosters zuständig.
In der Halle tritt Anselm Grün ans Rednerpult und erzählt - ganz einfach, ohne Manuskript oder Konzept. Aus seiner Lebenserfahrung, die er mit Beispielen aus seiner Praxis, mit Bibelstellen oder Texten von Heiligen und Mystikern unterlegt. Mit Entscheidungen könne der Mensch viel Energie verschwenden, sagt er.
Dennoch sei jegliche Entscheidung besser als gar keine. Um in der Folge aufzuzeigen, welche Hindernisse Entscheidungen verzögern - und letztendlich Entscheidungsunwilligen Hilfen anzubieten. Perfektionismus und Angst vor Kritik nennt er als Hindernisse für Entscheidungen. Wobei eine Entscheidung auch immer eine Begrenzung sei. Vor allem für Menschen, die sich lieber alle Türen offen ließen.
Hilfe könne das Gebet, die Begegnung mit Gott sein, aus der ein innerer Friede erwachse. In wichtigen Lebenssituationen könne man sich auch vorstellen, wie man sich nach einer Entscheidung in einigen Jahren fühle. Gefühle von "Friede, Weite, Lebendigkeit, Freiheit und Liebe" seien Zeichen, dass man mit der Entscheidung den richtigen Weg einschlage. Dass auch "Abtauchen" eine Hilfe sein kann, zeigt er am Beispiel von Jesus und der Ehebrecherin auf. Jesus habe den Pharisäern nicht sofort geantwortet.
Er habe vielmehr "brainstorming" betrieben und damit seine Zuhörer verblüfft. Letztendlich aber sei als oberste Norm die Gewissensentscheidung ausschlaggebend. "Wenn ich nach innerer Prüfung zu dieser Ansicht komme, darf ich auch so entscheiden!"
Vom Fazit "ich stehe zu mir, zu meinem Leben, meinen Überzeugungen" war es nur noch ein kleiner Schritt, zu einer kurzen Meditation: Mit über der Brust gekreuzten Armen umarmten sich die Besucher selbst.