Streit in Sachen Erbe? Mediatorin Angelika Preuss hilft aufeinander zuzugehen, statt sich zu bekriegen. Von Schimpfworten bis Tränen wird ihr an Emotionen so ziemlich alles geboten.
Das Wort sachlich kann sie überhaupt nicht leiden. Für Angelika Preuss gibt es keinen sachlichen Streit, können Menschen gar nicht sachlich streiten. Ein Streit ist voller Emotionen, voller Leidenschaft - und wird auch mal laut. Das wird Preuss privat auch gerne mal - obwohl man das gar nicht richtig glauben mag, wenn man sie in Jeansrock und gestreiftem Oberteil lässig zurückgelehnt in ihrem Stuhl sitzen sieht. Nichts scheint sie aus der Ruhe zu bringen. Im Gegenteil ist sie eher diejenige, die für Ruhe sorgt, wenn es bei anderen mal wieder lauter wurde.
Seit zehn Jahren ist Angelika Preuss aus Burghaslach freiberufliche Mediatorin. Der Laie würde sagen Streitschlichterin. Doch dazwischen liegt ein himmelweiter Unterschied: "Ein Streitschlichter ist neutral und versucht, sich herauszuhalten. Ich bin allparteiisch und versuche beide Seiten zu verstehen."
Spezialisiert hat sich Preuss auf Erbschaftsangelegenheiten.
Viel Stoff für viel Streit. Meistens geht es ums Geld oder ums Haus, oft aber auch um Schmuck und andere ans Herz gewonnene Erinnerungen: "Einmal ging es um eine kleine Porzellanfigur. Der Streit landete sogar vor Gericht", erinnert sich Preuss.
Müllsäcke im Garten Für viele Klienten ist der Gang zu ihr der letzte Versuch, den Streit außergerichtlich beizulegen. Beide Parteien müssen die Mediation wollen und dürfen zumindest nicht abgeneigt sein. Davor ist der Konflikt schon häufig eskaliert: "Die einen legen Müllsäcke in den Garten des anderen. Andere entfernen etwas vom Grab, das der andere hingelegt hat", weiß Preuss aus Erfahrung zu erzählen.
Bei der 42-Jährigen soll der Streit mithilfe von Mediation bewältigt werden.
Über den Ausgang entscheiden die Beteiligten selbst, sie sind für den Inhalt ihrer Konfliktlösung verantwortlich. Preuss' Aufgabe ist, sie dabei zu unterstützen, sie auf diesem Weg zu begleiten. "Ich höre aktiv zu. Wiederhole, was sie sagen. Spreche aus, was sie fühlen", erklärt die Mediatorin.
Je nachdem, um was es geht, kann ein Konflikt in fünf Minuten, aber auch erst nach 20 Sitzungen erledigt sein. An Emotionen wird Preuss dabei alles geboten. Viele sind wütend, traurig, enttäuscht. Ein Schamgefühl, vor der Konfliktmanagerin die intimsten Gefühle zu äußern, legen die meisten nach kurzer Zeit schnell ab: "Es wird laut, es fallen Schimpfwörter, es laufen Tränen. Das ist okay. Es darf den anderen bloß nicht unter Druck setzen."
Viele Klienten versuchen vor allem am Anfang der Mediation, Preuss auf ihre Seite zu schlagen.
Das darf sie aber auf keinen Fall zulassen: "Ich muss beiden Parteien das Gefühl geben, sie und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Sie müssen mich mögen." Keiner darf als Verlierer aus der Mediation herausgehen. Ideal ist eine Win-win-Situation.
Preuss will deshalb genau herausfinden, wie tief die gegenseitigen Verletzungen sind, und vor allem: woher sie rühren. "Ich suche den Grund für ihr schlechtes Verhalten. Oft liegt der in der Kindheit und ist den Betroffenen selbst gar nicht bewusst", sagt sie. Irgendwann geht es dann gar nicht mehr um die Sache selbst. Stattdessen kommt es zu Vorwürfen à la: "Du warst ja schon immer Muttis Liebling" oder "Du durftest ja schon früher im Auto vorne sitzen". "Es ist immer wieder ergreifend, wenn dem Streit um mehrere hunderttausend Euro ein Streit um eine Puppe oder ähnliches zugrunde liegt."
Damit sich ihre Klienten letztlich doch einigen können, müssen sie sich
zuhören und die Gefühle des anderen ansatzweise nachvollziehen können. "Erst nach diesem Perspektivwechsel kann es zu einer Wendung kommen", sagt die Mediatorin. Parallel schickt Preuss die Betroffenen zu einer Rechtsberatung, damit sie auch von der rechtlichen Seite erfahren, was ihnen zusteht.
Güterichter nutzen Mediation Auch das Amtsgericht in Erlangen hat seit vielen Jahren hauseigene Mediatoren. Bloß heißen die anders: Sie bezeichnen sich als Güterichter, um zu verdeutlichen, dass sie zu den Anbietern auf dem freien Markt nicht in Konkurrenz stehen. "Sie verwenden aber dieselben Techniken wie ein Mediator", sagt Michael Hammer, Leiter der Justizpressestelle. Der Unterschied zum Mediator: Klienten können sich ihren Güterichter nicht frei aussuchen.
Außerdem muss der Mediation ein gerichtliches Verfahren anhängen.
Preuss hat bisher 300 Mediationen geleitet. Bisher sind sie laut Preuss immer gut ausgegangen. "Man braucht als Mediatorin eine lösungsorientierte Kommunikation." Deshalb ist es ihr zufolge bei jedem Streit - auch ohne Mediator - wichtig, genau zu artikulieren, was einem nicht passt. Und da darf es auch mal laut werden. "Wenn mir was stinkt, werde ich auch hysterisch." Ein Streit kann eben vieles sein, nur nicht sachlich.
Vita 2002 bis 2005 machte Angelika Preuss ihre Ausbildung zur Mediatorin. Außer den Mediationen bietet sie Vorträge und mehrtägige Ausbildungen. Neben Erbschaftsangelegenheiten ist sie spezialisiert auf Gewaltprävention. Seit 2010 ist sie zudem Hypnotiseurin.
Preise Eine Stunde kostet 75 Euro, auch Paschalangebote sind möglich.