Henning Dietze (26) aus Höchstadt lebt seit über einem Jahr in Bangkok. Die Unruhen gegen die thailändische Regierung bekommt er hautnah mit. Die haben für ihn aber manchmal eher Festival-Charakter.
19 Länder auf vier Kontinenten. Schon früh hatte Henning Dietze (26) das Reisefieber gepackt. Reiste durch die ganze Welt. Asien hat es ihm dabei besonders angetan. So sehr, dass er sich entschloss, seine Heimat, Höchstadt, hinter sich zu lassen und sich auf ein neues Abenteuer einzulassen. Seit über einem Jahr lebt der gelernte Elektroniker nun in Bangkok, wo er an einer staatlichen Schule Englisch für Sieben- bis 13-Jährige unterrichtet. Die Unruhen und Proteste in Thailands Hauptstadt bekommt er hautnah mit. Uns hat er erzählt, wie er die derzeitige Situation in Bangkok erlebt.
Herr Dietze, die Proteste in Thailand halten trotz der angekündigten Neuwahlen weiter an. Wie nehmen sie diese wahr? Henning Dietze: Ich bedauere die gesamte Situation sehr! Meine Schule ist nur fünf Gehminuten vom Democracy Monument, dem Zentrum der Proteste, entfernt.
Daher war sie viele Tage geschlossen. Ein paar Mal habe ich mir die Proteste mal aus der Nähe angeschaut. Tagsüber kommt mir das aber eher wie ein riesiges Festival vor, nicht wie eine Revolution oder ein Putsch. Viele Zelte, große Bühnen mit Livemusik, viele Essens- und Getränkestände. Keiner, der Steine schmeißt oder etwas anzündet. Sehr wenig Polizisten, keine Soldaten. Aber so ist es eben nur tagsüber. Zu den brenzligen Orten gehe ich nicht.
Das hört sich noch recht harmlos an...Ist es aber nicht. Mir zeigte sich auch schon ein ganz anderes Bild. Einmal standen in einer Straße ausgebrannte Fahrzeuge, demolierte Polizeitrucks und gestapelte Betonblockaden.Die Thais laufen aber rum als wäre das ein Jahrmarkt, dabei ist es das Schlachtfeld einer vergangenen Nacht. Sie stellen sich mit Peace-Fingern davor und lächeln in die Kamera.
Sogar ein Eisverkäufer macht dort seine Runde. Ansonsten merke ich im Alltag aber nichts davon. Die Stadt ist so groß, die Proteste sind nur in manchen Stadtteilen. Ich habe Touris getroffen, die waren drei Tage in Bangkok und wussten nichts von den Protesten.
Sie würden also nicht davon abraten, nach Bangkok zu reisen? Nein. Die Proteste behindern den Urlaub in Bangkok fast gar nicht. Man sollte sich nur ein Hotel oder Guesthouse fernab der Khao San Road aussuchen, da dort das Democracy Monument und die Proteste gleich um die Ecke sind. Der Verkehr ist etwas schlimmer, Taxifahrten zum Grand Palace könnten problematisch werden. Ansonsten dürfte man aber keine Probleme haben. Bangkok war 2013 die meistbesuchte Stadt der Welt!
Was gefällt Ihnen denn an Bangkok?Bangkok hat einfach fast alles. Immer. Überall. Und günstig.
Das macht das Leben hier so reizvoll, spannend und angenehm. Als ungelernter Lehrer verdiene ich hier viel besser als die meisten Thais und kann damit ganz gut leben. Es gibt Essen aus aller Welt, prachtvolle Tempel, große Parks, unzählige Märkte und Shopping Malls, jede Menge Bars und kostenloses Schwimmen in Fünf-Sterne-Hotelpools.
Klingt gut. Gibt es auch eine Kehrseite? Ja, die gibt es. Um nur ein paar Stichwörter zu nennen: Korruption, Ignoranz und Gleichgültigkeit, Xenophobie, Dreck und Gestank und Rückständigkeit. Außerdem der Verkehr, manchmal ist er so laut, dass man sich nicht normal unterhalten kann. Die Abgase und weggeworfene Essensreste stinken so sehr, dass man nicht tief einatmen möchte. Sich im Bangkok fortzubewegen ist fast immer nervig und unangenehm.
Haben Sie Heimweh? Manchmal drifte ich in Gedanken ab oder versinke in Erinnerungen. Da laufe ich über die Aischwiesen, spiele Kicker im Töpfla, hole mir ein Leberkäsweckla beim Metzger oder radele zum nächsten Biergarten. Dann wache ich wieder auf, atme einmal tief durch und ärgere mich dass mein Taxi im Stau feststeckt.
Wann haben Sie vor, das nächste Mal nach Deutschland zu kommen?Im März oder Mai will ich endlich mal wieder nach Hause. Für ein oder zwei Monate Familie und Freunde besuchen. Danach möchte ich ins nächste asiatische Land. Wohin genau, weiß ich noch nicht. Aber wieder als Lehrer.
Wie verbringen Sie die Weihnachtsfeiertage? Das weiß ich noch nicht. Vermutlich gar nicht. Weihnachtsstimmung oder Weihnachtsatmosphäre ist hier gen null.
Vielleicht gehe ich mit Kollegen etwas trinken.
Was würden Sie sich für die Zukunft Thailands wünschen?Ich wünsche mir, dass hier endlich mal eine Partei regiert, die was von Demokratie versteht und sich nicht bestechen lässt. Es fehlen funktionierende soziale Systeme wie Steuern, Rente und Versicherungen.Weder die aktuelle Regierung noch die protestierende Opposition kann das. Vielleicht ist ein unparteischer Farang, also ein westlicher Ausländer, eine gute Lösung. Gerade höre ich draußen schon wieder Trillerpfeifen und Gebrüll. Mal schaun was heute passiert.