"Weckruf" für die Pflege: Sohn von demenzkranker 90-Jähriger kämpft gegen "Ungleichbehandlung"

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Herzogenaurach: Sohn einer Demenzkranken reicht Petition im Bundestag ein
Die Mutter von Kurt Zollhöfer aus Herzogenaurach kann in der Wohngemeinschaft mit anderen Mieter*innen zusammenleben. Doch das Gesetz gewährt ihr keinen Zuschuss, ärgert sich ihr Sohn.
Herzogenaurach: Sohn einer Demenzkranken reicht Petition im Bundestag ein
Kurt Zollhöfer

Die demenzkranke Mutter von Kurt Zollhöfer aus Herzogenaurach lebt in einer ambulant betreuten WG. Eine Pflegereform spricht ihr keinen Zuschuss zum Eigenanteil zu. Ihr Sohn empfindet das als Ungerechtigkeit.

Wegen ihrer fortgeschrittenen Demenzerkrankung lebt die bald 90-jährige Mutter von Kurt Zollhöfer aus Herzogenaurach seit 2018 in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft (abWG) in Cadolzburg. Wie ihr Sohn erklärt, habe sie nicht mehr alleine zu Hause leben können und daher habe er für sie diese "familienähnliche Pflege- und Betreuungsform" ausgesucht.

Was ihn aber stört: Mit einer Pflegereform zum 1. Januar 2022 sei gesetzlich ein Zuschuss zum pflegebedingten Eigenanteil für Personen in Pflegeheimen, nicht aber in ambulant betreuten WGs festgelegt worden. Zollhöfer, der Beisitzer im Ortsverband Herzogenaurach (CSU) ist, sieht hierin eine finanzielle Ungerechtigkeit, hat bereits eine Petition beim Bundestag eingereicht und plant eine Verfassungsbeschwerde

Franke setzt sich für demente Mutter in Pflege-WG ein - "Ungerechtigkeit"

Das Leben seiner Mutter in der Demenz-WG beschreibt der über 70-Jährige wie folgt: "Sie lebt dort in einem 1-Zimmer-Appartement und kann die Gemeinschaftsräume, Küche, Wohnzimmer, großen Begegnungsflur und den Garten im Rahmen ihrer vorhandenen Ressourcen nutzen." An Weihnachten würde zusammen Plätzchen gebacken und Tätigkeiten im Haushalt, wie das Ausräumen der Spülmaschine, übernähmen die zwölf Mieterinnen selbst. Der ambulante Pflegedienst der Diakonie im Landkreis Fürth stelle dabei eine 24-Stunden-Rundum-Betreuung durch Präsenzkräfte sicher.

Seit Mai 2018 sei Zollhöfer Mietergremiumssprecher und gemeinsam mit dem Mietergremium verantwortlich für die
Wohngemeinschaft, ihre Mieter*innen und Angehörigen. Er beschäftige sich dadurch intensiv mit den gesetzlichen Bestimmungen, was ihn inzwischen zur Einreichung einer Petition an den Bundestag und einer geplanten Verfassungsbeschwerde bewegt habe. Der Grund: Mit dem Paragraf 43c SGB XI Sozialgesetzbuch sei zum 1. Januar 2022 der Zuschuss zum pflegebedingten Eigenanteil eingeführt worden.

"Dieser Zuschuss soll die finanzielle Belastung der pflegebedürftigen Bewohner in den Pflegeheimen reduzieren. Dies ist zweifelsohne ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die finanzielle Belastung beim Eigenanteil zu senken." Doch Zollhöfer vermisst hier die Bewohner*innen von WGs, wie seine Mutter und sieht eine "Ungleichbehandlung" und "finanzielle Ungerechtigkeit". Alle Pflegebedürftigen sollten einen Zuschuss erhalten, so seine Forderung in der am 4. Januar 2022 einreichten Petition.

Herzogenauracher plant Verfassungsbeschwerde - verstößt Reform gegen das Grundgesetz?

"Der pflegebedingte Eigenanteil eines pflegebedürftigen Bewohners in einer WG ist in der Regel mindestens genauso hoch wie der eines pflegebedürftigen Bewohners in der vollstationären Pflege in einem Heim", führt er in seiner Petition an. Er rechnet: "Legt man einen Durchschnitt von 10 Bewohnern pro Wohngemeinschaft zugrunde, sind dies mindestens 31.000 pflegebedürftige Senioren, die keinen Zuschuss für die Kosten beim pflegebedingten Eigenanteil erhalten."

Der Zuschuss für Heimbewohner*innen betrage im ersten Jahr 5 Prozent, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und ab dem vierten Jahr 70 Prozent. Zollhöfer sieht durch die Ungleichbehandlung ein weiteres Problem: Sozialhilfeempfänger*innen hätten nur noch eine eingeschränkte Wahlmöglichkeit, denn die Sozialhilfe-Träger müssten das bezuschusste Pflegeheim priorisieren. Außerdem sieht er die Existenz der abWGs gefährdet

Neben der Petition, die bis zum 5. März 2022 online unterzeichnet werden kann, will Zollhöfer auch eine Verfassungsbeschwerde
beim Bundesverfassungsgericht einreichen. "Mir geht es vor allem darum, prüfen zu lassen, ob bei der Gesetzgebung des Paragrafen 43c SGB XI der Gesetzgeber gegen den Artikel 3 Absatz 1 des GG verstoßen hat: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich". Zur allgemeinen "Pflege-Groß-Baustelle" in Deutschland sagt der Herzogenauracher: "Es besteht ein sehr großer Handlungsbedarf."