Guido Knopp in Höchstadt: EU befindet sich in Zerreißprobe

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Guido Knopp zog die Zuhörer in seinen Bann. Foto: Mona Lisa Eigenfeld
Guido Knopp zog die Zuhörer in seinen Bann. Foto: Mona Lisa Eigenfeld

Zuhören, nachdenken, diskutieren: Mit dem "Geschichtslehrer der Nation", war der richtige Mann zu Gast in Gremsdorf, um das Motto des Sparkassen-Forums mit Leben zu erfüllen. Neben seiner Meinung zur Flüchtlingskrise verriet Guido Knopp auch, welche Person der Geschichte ihm am meisten imponiert.

Guido Knopp ist Journalist, Historiker und Publizist und vor allem durch seine Fernsehreihe "ZDF History" über viele Jahre hinweg regelmäßiger Gast in deutschen Wohnzimmern gewesen. Wie kaum ein Zweiter steht er für das Thema Zeitgeschichte im Fernsehen.

Beim Höchstadter Sparkassen-Forum, das zum zweiten Mal im Forum der Barmherzigen Brüder in Gremsdorf stattfand, beschäftigte sich der selbst ernannte "Edelfranke", der in Neustadt/Aisch sein Abitur absolvierte und anschließend unter anderem in Würzburg studierte, mit Deutschlands Rolle im 21. Jahrhundert. "Europa ist eine wunderbare Idee. Aber das war der Kommunismus auch", lautete Knopps provokanter Einstieg.

Gleich eingangs ging er auf die Aufnahme von Flüchtlingen ein und kritisierte mangelnde Solidarität innerhalb der Staatengemeinschaft aufs Schärfste. Aber auch für Deutschlands Politik und die Haltung Angela Merkels in der Krise brachte er wenig Verständnis auf: "Aus Sicht anderer Länder betreiben wir Hippie-Politik."

Aktuell ist aus Knopps Sicht nach wie vor die Euro- und Griechenlandkrise, die jederzeit neu aufflammen könne. Eine Regierung, die ausschließlich aus Links- und Rechtsradikalen bestehe, könne schließlich nicht funktionieren. Die Schuld für diesen Zustand sucht er aber auch bei anderen EU-Staaten, die bei der Aufnahme Griechenlands in den Euro immerhin beide Augen zugedrückt hätten.


Die Deutschen als Sündenbock

"Im Krisenfall sind Deutsche jedenfalls gerne noch der Sündenbock", stellte der Professor mit Blick auf die internationale Kritik an deutscher Politik in diesem Zusammenhang fest. Momentan bestehe aus seiner Expertensicht die Gefahr, "die großartige Idee Europa" aufs Spiel zu setzen. Weil Deutschlands Rolle nur anhand der Geschichte erklärt werden könne, spannte er einen Bogen zum Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die sagenumwobene Dolchstoßlegende sprach er an, ebenso den Frieden von Versailles als "Sinnbild für ein nationales Trauma" und später Hitlers "Machterschleichung". Fast philosophisch mutete dann eine seiner zentralen Feststellungen an: "Der Mensch wäre gerne gut, es gelingt ihm aber nur selten."

Den Schwerpunkt seines Vortrags legte Knopp auf die jüngste Geschichte. Als "Sternstunde Deutschlands" und "Glücksfall der Geschichte" bezeichnete er die Geschehnisse im Herbst 1989. Dass Knopp, der sich am Wochenende des Mauerfalls selbst in Berlin aufhielt, mit diesen Wochen und Monaten ganz persönlich verbunden ist, merkte man ihm an. Gemeinsam mit den Hauptakteuren der Einheit, allen voran Altkanzler Helmut Kohl, rekonstruierte er die politischen Ereignisse schließlich noch Jahre später für seine Veröffentlichungen. "Die Tür zur Einheit stand nur einen Spalt breit offen und das auch nur kurze Zeit", lautet Knopps Resümee.


Mit Russland verhandeln

Dass Churchill Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst in Nord und Süd aufteilen wollte oder dass noch im Sommer 1990 ein Putschplan gegen Gorbatschow und die Wiedervereinigung bestand, dürfte einigen Zuhörern neu gewesen sein. Die Flüchtlingskrise betrachtet Knopp nun als "Probe aufs Exempel", ob die EU ihren Vertiefungsprozess fortsetzen oder in einen losen Staatenbund verfallen wird. Als Basis einer funktionierenden EU sieht er das deutsch-französische Verhältnis, Deutschlands Beziehungen zu den USA und auch Verhandlungsbereitschaft gegenüber der "Demokratur" Russland.

Trotz der ernsten Thematik und der harten geschichtlichen Fakten gelang es dem 67-Jährigen immer wieder, die Stimmung mit scharfsinnigen Sprüchen, Anekdoten und Witzen aufzulockern und Geschichte so für jedermann greifbar und unterhaltsam aufzubereiten. Der über 60 Minuten lang mucksmäuschenstille Saal, der mit 400 Zuhörern voll besetzt war, bestätigte diesen Eindruck.

Zu dem Event geladen worden waren ausgewählte Kunden der Kreissparkasse Höchstadt/Aisch. "Die Nachfrage war enorm. Leider konnten wir nicht noch mehr Plätze zur Verfügung stellen", berichtet Marketingleiter Christian Enz.

Im Anschluss an Guido Knopps Vortrag erhielten die Besucher Gelegenheit, Fragen zu aktueller Politik zu stellen. "Wie steht Europa in fünf Jahren da?" oder "Können wir den IS schlagen?" lauteten nur zwei davon. Doch auch für Gespräche, Autogramme und Widmungen nahm sich der "Geschichtslehrer der Nation" am Ende noch Zeit. Ein letzter Satz hallte vielen Zuhörern auch noch lange nach Ende der Veranstaltung nach: "Die kommenden Monate entscheiden über unsere Zukunft in der Welt - das gilt für Europa und auch für Gremsdorf."

Noch vor seinem Vortrag nahm sich Guido Knopp Zeit für ein exklusives Interview mit dem Fränkischen Tag.

Sie sind in Aschaffenburg aufgewachsen, haben Ihr Abitur in Neustadt/Aisch gemacht und unter anderem in Würzburg studiert. Wie verbunden fühlen Sie sich mit der Region?
Guido Knopp: Ich habe ein Schuljahr hier in der Gegend verbracht und die allerbesten Erinnerungen an diese Zeit. Gelegentlich treffe ich mich noch mit Freunden zum Karpfenessen. Das Fränkische ist mir sehr nahe.

Inwieweit mussten Sie Ihren Vortrag angesichts der jüngsten Ereignisse umgestalten?
Mein Vortrag hat eine historische Grundnote mit Schwerpunkt von 1914 bis 1990. Dennoch versuche ich, Aktuelles zu Beginn und Ende immer mit einzubeziehen. In diesem Fall sind das die Flüchtlingssituation, die Eurokrise und auch Paris.

Glauben Sie, dass Europa, dass die EU die aktuelle Bewährungsprobe bestehen oder daran zerbrechen wird?
Ein Bruch ist nicht ausgeschlossen. Ich glaube es aber letztlich nicht. Die EU war immer fähig, mit dem Rücken zur Wand noch einen Rettungsanker zu werfen. Aber die Situation ist gefährlich. Die EU ist bedingt durch die Flüchtlingskrise in der schlimmsten Krise ihrer Geschichte und das Thema Solidarität äußerst schwach entwickelt. Wir sind alleine in Europa, das muss man so sagen. Wenn die Kanzlerin es schafft, die Krise zu bewältigen, ist sie eine große Kanzlerin. Momentan jedenfalls ist auch sie in der schwierigsten Situation ihrer Kanzlergeschichte.

Wenn Sie die Wahl hätten: In welcher Zeit würden Sie gerne leben?
Im zehnten Jahrhundert zur Zeit Ottos I. Damals fand die Lechfeldschlacht statt, und in unseren Schulbüchern war immer von Einfällen der ungarischen Reiter und Plünderzügen die Rede. Meine Frau hingegen ist Ungarin, und in ihren Büchern wurden friedliche Erkundungsritte beschrieben. Ich würde also gucken, wie es wirklich war.

Welche historische Persönlichkeit imponiert Ihnen am meisten?
Da gibt es natürlich eine ganze Reihe. Aber wer mich mit am meisten fasziniert, ist Graf von Stauffenberg - ein mutiger Mann, der gegen die Stimmung im Volk gesagt hat, "wir müssen etwas tun und das Land vom Tyrann befreien". Wäre das Attentat gelungen, wäre Hitler weg gewesen und der ganze Weltkrieg früher beendet worden.

Glauben Sie, dass die Menschheit in der Lage ist, aus der Geschichte zu lernen?
Die Menschheit sicher nicht. Das Lernen aus Geschichte ist leider noch immer auf nationale Folgerungen beschränkt. Ich denke, dass wir Deutsche weitgehend gelernt haben und daran ist auch das Fernsehen beteiligt, das Bilder aufbereiten und jungen Leuten zeigen kann, wie es in der Nazizeit war.

Gibt es Schattenseiten Ihrer Arbeit?
Richtig schwarze Schatten nicht, höchstens Grauschattierungen. Ich war ja der Erste, der in Deutschland begonnen hat, Dokumentationen mit Spielszenen zu ergänzen, und am Anfang waren diese Szenen nicht sehr professionell. Dieses "learning by doing" war vielleicht nicht ganz ideal. Gegenwind gibt es natürlich immer, wenn man in einem so wirkungsmächtigen Medium arbeitet und Geschichte für Millionen transferiert. Die Angst vor dem Verlust von Deutungsmacht spielt bei Zuschauern eine Rolle. Ich sage aber immer: Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen.