Weil eine Wachenrother Bäckerei ein Brot namens "Sonne" im Sortiment hatte, muss sie Strafe zahlen. Ein Münchner Großbäcker hatte sich die Marke schützen lassen. Dass es das betreffende Brot gar nicht mehr gibt, tut nichts zur Sache. Die Bäcker fühlen sich überrumpelt.
Mit leuchtenden Augen spricht Jan Schmidt über Brot. Besonders stolz ist der Bäckermeister auf sein "Dinkelkraft", eines der Bestseller der Wachenrother Familienbäckerei. Schmidt schwärmt von selbst hergestelltem Teig und mildem Malzgeschmack. Die wichtigste Zutat aber bereitet der Bäckersfamilie gerade Kopfschmerzen - das Dinkelvollkorn. Anfangs, also vor einigen Monaten, hieß das Brot noch "Dinkel-Sonne". Wegen der Sonnenblumenkerne. Nur kurze Zeit später änderte Schmidt die Rezeptur und den Namen: in "Dinkel-Kraft". So weit, so alltäglich im Handwerk. Doch nun gibt es Ärger.
Das Einschreiben der Anwaltskanzlei trudelt am 28. Mai, 17.30 Uhr, ein. Enthalten ist eine Verpflichtungserklärung. Es geht darum, dass sich der Münchner Bäckerkonzern Hofpfisterei die Bezeichnung "Sonne" als Marke für Brot- und Backwaren vor mehr als 40 Jahren hat schützen lassen. Ein üblicher Vorgang, vor allem in der Industrie. Im vergangenen Jahr sind alleine in Bayern mehr als 12 000 Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen worden. Wegen dieses Schutzes dürfen andere Bäcker keine Brot- und Backwaren verkaufen, die das Wort "Sonne" im Namen tragen.
Dass die Schmidts ihre "Sonne" nur kurz im Sortiment hatten, tut nichts zur Sache. Eine vergessene Karteileiche auf der Homepage der fränkischen Bäckerei reicht aus für das Anwaltsschreiben (liegt der Redaktion vor). Darin fordern die Münchner von den Wachenrothern, den Namen in Zukunft nicht mehr zu verwenden, und eine Strafzahlung in vierstelliger Höhe zu leisten.
"Wir waren fix und fertig", erzählt Schmidt. Auf den ersten Schock folgt das Unverständnis. "Das Brot verkaufen wir doch schon lange nicht mehr. Hätten sie sich vorher bei uns erkundigt, hätte sich das doch klären lassen." Statt eines kurzen Anrufs der Hofpfisterei kam ein 57-seitiges Anwaltsschreiben. Persönlichen Kontakt gab es keinen. "Bäcker sollten zusammenhalten und sich nicht gegenseitig kleindrücken", so Schmidt.
Die Wachenrother sind nicht die ersten, die es mit Rechtsanwälten der Hofpfisterei zu tun bekommen. Seit Jahren kämpfen die Münchner um ihr Markenrecht, nicht selten vor Gericht. Bisher hat die Hofpfisterei ihre Ansprüche stets durchsetzen können, in der Regel mit hohen gerichtlichen Streitwerten im sechsstelligen Eurobereich. Jan Schmidts Kollegin und Schwester Saskia sagt, dieses Risiko könnten sie nicht eingehen. "Wir wollen einfach schnell und gut aus der Sache rauskommen." Heißt: unterschreiben, Strafe zahlen, Reue zeigen.
Die Causa Hofpfisterei bewegt selbst den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Für dessen Geschäftsführer Daniel Schneider ist die Marke "Sonne" seit Jahren ein großes Thema. "Viele Bäckereien können sich offenbar nicht vorstellen, dass geläufige Worte wie Sonne markenrechtlich schutzfähig sind und benutzen diese daher wie selbstverständlich." Er rät, bei neuen Produkten rechtzeitig zu recherchieren und etwa bei der Innung nachzufragen. "Wir informieren unsere Mitglieder regelmäßig über problematische Markenanmeldungen, so wie wir es auch bei der "Sonne" mehrfach getan haben", so Schneider.
An entsprechende Mitteilungen können sich die Wachenrother nicht erinnern. Das mag unter anderem daran liegen, dass der letzte Infobrief vor vielen Jahren verschickt wurde, wie aus der Bayerischen Bäckerinnung zu erfahren war. Saskia Schmidt hörte zufällig von anderen Abmahnungen, als sie auf einem Seminar war. Doch da war es schon zu spät.
Das wird der Hofpfisterei egal sein, aber ich werde sie jetzt mal bis Jahresende boykottieren. Bei der Molkerei Müller ziehe ich den Boykott schon ein paar Jahre durch.