Das Trio "Musenwunder" porträtierte im Höchstadter Schlossgewölbe in einer Veranstaltung der "Bücherstube" den Dichter Erich Kästner.
Da sage noch einer, Literatur interessiere keinen mehr. Rund 100 Besucher drängten sich am Freitagabend im Schlossgewölbe, um einem Künstlertrio zu lauschen. Freilich widmeten sich die drei "Musenwunder" - nach Belieben im Singular oder Plural zu verwenden - auch einem nach wie vor beliebten Schriftsteller.
Davon zeugte schon der reichlich mit vielen verschiedenen Werken Erich Kästners bestückte Büchertisch. Ja, der Autor (1899 bis 1974) ist immer noch präsent bei Alt und Jung. Denn wie kaum ein anderer schrieb er für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen, wobei sein Schaffen von bissigen Angriffen auf Militarismus und Obrigkeitsdenken über melancholische Betrachtungen des menschlichen Liebeslebens bis zu unsterblichen Figuren der Literatur für junge Leser wie Emil, Luise und Lotte oder Pünktchen und Anton reicht.
Freilich sorgten auch Kino-Versionen der Romane - allein "Emil und die Detektive" ist achtmal verfilmt worden - für die anhaltende Popularität Kästners, dessen Kreativität bis 1933 auf Hochtouren lief. Aber es muss auch etwas an den Büchern sein, das sie nicht wie viele andere in den Bibliotheken verstauben lässt. Allein "Emil" erlebte über 150 Auflagen, eine Comic-Version und DVDs sind auf dem Markt. Liegt es vielleicht an der Modernität der Romane?
Vertonte Gedichte
Darauf gab ein Künstlertrio aus Bamberg launige Antworten. Aline Joers, Franz Tröger und Patrick L. Schmitz sind das oder die "Musenwunder" und reisen mit musikalisch-literarischen Programmen durch die Lande. "Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?" hatten die Schauspieler und der Musiker (Tröger) den Abend überschrieben, zu dem sie das Team der "Bücherstube" (das Ehepaar Ranger half bei der Organisation tatkräftig) eingeladen hatte. Mit diesem gesungenen Vers auf den Lippen zogen sie ein und zeichneten in den kommenden gut zwei Stunden das Bild eines vielschichtigen Künstlers.
Einleuchtend war die Struktur: Tröger arbeitete sich an der Biografie des aus einfachen Verhältnissen stammenden Autors entlang und entwarf so den Hintergrund für die zum Teil vertonten Gedichte, die Joers und der auch als Heinz Erhardt auftretende Schmitz - eine kurze Kostprobe gab der, Achtung Kalauer, verschmitzte Schauspieler, der ebenso wie seine Kollegin lange im Ensemble des E.T.A.-Hoffmann-Theaters gespielt hatte - rezitierten und sangen. Trotz einer Erkältung intonierte Aline Joers absolut tonsicher und hinreißend melancholisch Kästner-Klassiker wie "Atmosphärische Konflikte" oder "Gewisse Ehepaare" ("Sie lebten feig und wurden unansehnlich"), oft im Duo mit Schmitz, begleitet vom Musikus am Flügel.
Die lakonischen Gedichte, meist in der Endphase der Weimarer Republik entstanden, erregten Anstoß. Aber nicht nur der neusachliche Blick auf Geschlechterverhältnisse provozierte seinerzeit, sondern auch der politische Kästner mit "Stimmen aus dem Massengrab" oder "Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?". Kein Wunder, dass die Bücher des Erfolgsautors im Mai 1933 verbrannt wurden - bis auf "Emil und die Detektive", das in zu vielen Kinderzimmern stand. Dennoch emigrierte Kästner nicht und schlug sich mit Pseudonymen durch. Auch das Drehbuch zum "Münchhausen"-Film stammt von ihm. Diese Inkonsequenzen sprach der biografische Abriss offen an.
Doch mit kurzen Spielszenen aus dem "Emil", aus dem "doppelten Lottchen" fanden die "Musenwunder" stets die Balance zwischen Tiefsinnigem und Deprimierendem und Unterhaltung. Die dominierte letztendlich; man könnte mit dem Titel einer Kästner-Humoreske auch resümieren: ein reizender Abend.