Michael Kratz und seine Frau Karin sind gemeinsam die deutsch-österreichische Grenze abgelaufen. Über 500 Kilometer. Über 500 Grenzsteine. Ein Gespräch über ihren Gang zwischen den Welten.
Langsam klickt er sich durch die vielen Fotos, die vielen Ordner, die vielen Erinnerungen. Über 500 Grenzsteine auf über 500 Kilometern. Michael Kratz hat alles ganz genau festgehalten, alles ganz genau sortiert, hat nichts dem Zufall überlassen. Über 4000 Bilder, und zu jedem von ihnen kennt er eine Geschichte. 15 Etappen dauerte sein Abenteuer. "Ich wollte mir damit den Ruhestand verschönern", sagt der heute 65-Jährige.
Mit seiner Frau Karin (62) wanderte und kletterte er die deutsch-österreichische Grenze entlang - von Oberstdorf bis kurz vor Salzburg. Auf der Spur von Grenzsteinen - Michael Kratz' großer Leidenschaft.
Gesehen haben er und seine Frau die verschiedensten Varianten: groß und klein, schlicht und aufwändig verziert. Die meisten davon quadratisch, aus Granit und Beton - oder direkt auf den Fels aufgemalt.
"Häufig waren die Grenzsteine von 1844 und zeigten die Grenze zwischen Bayern und Tirol", erzählt Kratz.
Nicht alle Grenzsteine gefundenAlle Marken hat das Ehepaar nicht gesehen. Entweder sie waren unerreichbar, etwa auf einem Berg, oder sie blieben schlichtweg unentdeckt: "Teilweise war die Grenzschneise ganz schön zugewachsen. Wir waren manchmal auf allen Vieren", erinnert sich Karin Kratz. Eine richtige Wanderung war nicht immer möglich, ein Weg nicht immer vorhanden. Statt dessen - wenn sie Glück hatten - eine Art Trampelpfad. "Das ging durch Stock und Stein, bergauf und bergab. Wir mussten bei jedem Schritt aufpassen, dass wir nicht hinfallen", sagt sie.
Satt hatte das Ehepaar sein Vorhaben deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil. Schon immer waren die Kratz' begeisterte Wanderer, liebten es, ihren Urlaub im Gebirge zu verbringen.
Fast jedes Jahr haben sie sich deshalb eine weitere Etappe der Grenze vorgenommen. Immer für drei bis vier Tage. "Es gibt noch ein paar Lücken, die wir nicht erkundet haben", gesteht Michael Kratz, während er die Karten vor sich auf dem Esstisch begutachet. Manchmal reichte dem Paar die Zeit nicht, manchmal machte das Wetter einen Strich durch die Rechnung. "Für mich ist das jetzt trotzdem abgeschlossen", sagt der Grenzwanderer.
Mit der Rente ging es losAngefangen hat alles vor sieben Jahren, als der ehemalige Produktkonstrukteur in Herzogenaurach bei Schaeffler in Rente ging. "Er kann nicht nichts tun", beschreibt Karin Kratz den Tatendrang ihres Mannes. Gesagt, getan. Nach ausgiebigen Vorbereitungen startete die erste Etappe in Pfronten im Allgäu. An der Wasseralm oberhalb vom Königsee endete die letzte Etappe letztes Jahr im Juli.
Eine Tour ist Michael Kratz besonders in Erinnerung geblieben: "Ich wollte den Viehkogel besteigen, hatte zuhause aber meine Bergstiefel vergessen." Also kehrte er um, fuhr wieder heim. Immer wieder kam etwas dazwischen, wenn er es erneut versuchen wollte. "Erst beim fünften Anlauf hat es geklappt."
Und die Grenzwanderung war nicht Kratz' einziges Abenteuer. Auch mit der Aisch hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen: Vor vier Jahren ist er sie mit seiner Frau zunächst komplett abgelaufen, von Illesheim bis Trailersdorf - insgesamt 70 Kilometer an drei Tagen. Zwei Jahre später saß er in einem Kleinflugzeug und sah die gesamte Strecke von oben.
Letztes Jahr dann der Clou: Kratz baute sich selbst ein Kanu und schipperte damit neun Tage lang auf der Aisch. "In unserem Teich im Garten habe ich getestet, ob das Kanu wassertauglich ist", erinnert er sich.
Und Kratz wäre nicht Kratz, würde er nicht schon über dem nächsten Wagnis brüten: mit dem Fahrrad von Höchstadt bis nach Arco am Gardasee. "Die Strecke verläuft ungefähr auf dem zehnten Längengrad", sagt Kratz - und vertieft sich erneut in seine Karten.