Die Hüter der Höchstadter Grenzen

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Vitus Kramer ist neuer Feldgeschworener für Zentbechhofen. Foto: Evi Seeger
Vitus Kramer ist neuer Feldgeschworener für Zentbechhofen. Foto: Evi Seeger

Vitus Kramer folgt bei den Zentbechhofener Feldgeschworenen seinem verstorbenen Vater Leonhard. Die Siebener üben das älteste noch erhalten Ehrenamt der kommunalen Selbstverwaltung aus.

Wenn in alten Zeiten einer heimlich einen Grenzstein versetzt hat, fand er nach seinem Tod keine Ruhe. Mit dem schweren Stein auf dem Buckel musste er nachts rumgeistern, immer mit der Frage auf den Lippen: Wo soll ich ihn hintun?
Vitus Kramer kennt die alte Sage, die sich um das unrechtmäßige Versetzen von Marksteinen rankt, genau. Vermutlich hat sie ihm sein vor kurzem verstorbener Vater Leonhard erzählt, der selbst seit 1981 Siebener und später dann Obmann der Zentbechhofener Feldgeschworenen war. Sohn Vitus trat jetzt seine Nachfolge an und - er ist ein wenig stolz darauf. Denn bei den Siebenern handelt es sich um das älteste noch erhaltene Ehrenamt der kommunalen Selbstverwaltung.
"Jeden kann man da nicht nehmen", sagt der Zentbechhofener. 49 Jahre ist er alt und Disponent bei Schaeffler. Die Nebenerwerbslandwirtschaft spielt in Kramers Alltag nur noch eine untergeordnete Rolle.
Bekannt ist Vitus Kramer als Chorleiter und Organist in der Pfarrkirche Sankt Leonhard und als Musikant beim Wirtshaussingen in vielen Dörfern im weiten Umkreis. "Die alten Grenzverläufe, vor allem in den Wäldern, haben mich schon als Bub interessiert", erzählt er. Ganz besonders aber die mitunter Jahrhunderte alten Grenzsteine, die immer wieder vom Moos freigekratzt werden müssen.
Im Höchstadter Gasthaus "Blauer Löwe" wurde Kramer von Bürgermeister Gerald Brehm (JL) vereidigt. "Ich setze das Lokal hiermit als Amtsraum fest", stellte Brehm vor der Amtshandlung fest. Mit Vitus Kramer ist der Kreis, dem außerdem Werner Hahn, Bernhard Schmitt, Helmut Schmuck, Hans Ruß, Richard Schmitt und Georg Dürrbeck angehören, wieder vollzählig.
In ihrer Runde haben sie "den Neuen" auch ausgewählt. Mit dem Ablegen des Eides verpflichtet sich jeder Feldgeschworene, das Siebener-Geheimnis zu wahren. Dabei handelt es sich um ein besonderes Zeichen, das die Feldgeschworenen unter den Grenzstein legen, um ihn vor willkürlichem Versetzen zu schützen. Nein, noch kenne er das geheimnisvolle Zeichen nicht, sagt Kramer. Das werde ihm erst bei seinem ersten Einsatz offenbart.
Gemeinsam ist die Siebener-Runde für die etwa 600 Hektar große "Gemarkung Zentbechofen", zu der auch der Ortsteil Jungenhofen zählt, zuständig. Wie viele Grenzsteine es in ihrem Zuständigkeitsbereich gibt, wissen die Feldgeschworenen nicht. Sicher ist jedoch, dass jedes Feld mindestens einen, je nach Zuschnitt des Flurstückes meist mehrere Marksteine aufweist.
Im gesamten Gebiet der Stadt Höchstadt mit ihren 23 Ortsteilen auf 72 Quadratkilometern gibt es nach Auskunft von Bürgermeister Brehm sieben Gruppen von Feldgeschworenen, also sieben mal sieben, insgesamt 49 Siebener. Sie würden sich in ihren Fluren am besten auskennen, betont das Stadtoberhaupt. Dies sei auch der Grund, weshalb es keine "zentrale" Feldgeschworenengruppe gebe, sondern jede Gemarkung ihre eigenen Grenzhüter habe. Mit ihrem Wissen begleiten und unterstützen die Siebener vor Ort Vermessungsarbeiten, die durch ihre Mitwirkung um einiges schneller abgewickelt werden können.
Das allein kann es aber nicht sein. Schürft man etwas tiefer, kommt die uralte Tradition dieses Ehrenamts ins Gespräch: "Schon, dass man darauf vereidigt wird, zeigt die Bedeutung", findet Vitus Kramer. Und dass man zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet ist, das Ehrenamt auf Lebenszeit behält und das Siebenergeheimnis mit ins Grab nimmt. Dazu brauche es schon eine Vertrauensperson.
Wenn die Siebener einen neuen Kandidaten vorschlagen, mische sich die Stadt nicht ein, sagt der Bürgermeister. "Allerdings, wenn jemand vorbestraft wäre, würden wir ihn nicht akzeptieren." Das ist aber sicher noch nie vorgekommen. Ebenso wie noch nie eine Frau Siebener wurde. Es sei halt eine der letzten Männerdomänen, ist aus deren Kreis zu hören. Brehm erklärt sich das daraus, dass die Männer immer schon mehr auf den Feldern gearbeitet haben als die Frauen. Rein rechtlich stünde allerdings nichts dagegen. "Geschrieben steht das nirgendwo, dass eine Frau nicht Feldgeschworene werden kann."