Die Arbeitslosenquote schaut im Landkreis Erlangen-Höchstadt auf dem Papier sehr gut aus. Es herrscht Vollbeschäftigung. Aber immer mehr Menschen reicht ein Job nicht zum Leben.
Die Zahlen der Arbeitsagentur für den Landkreis lesen sich schön: 2,9 Prozent der Erwerbstätigen sind ohne Job. Aber diese Zahlen spiegeln wohl nicht die ganze Wahrheit wider.
Mittelfrankens DGB-Chef Stephan Doll warnt vor einem rasanten Anstieg prekärer oder atypischer Beschäftigungsverhältnisse in der Region.
Unter diese Bezeichnungen fallen etwa Teilzeitarbeit, Minijobs, Leiharbeit oder die Beschäftigung durch Werkverträge. Doll: "Von den Löhnen daraus allein können Menschen aber nicht leben. Ihr Verdienst ist viel zu gering." Doch wie stark stiegen dort die Zahlen an?
Laut Studien der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nahm der Anteil von Minijobs bei Menschen, die diesen als Zweit- oder Dritt-Tätigkeit nachgehen, in den vergangenen zehn Jahren um 172 Prozent in Erlangen-Höchstadt zu - das ist ein Spitzenwert in Mittelfranken.
Der Anteil von aytpischen Beschäftigungsverhältnissen stieg im gleichen Zeitraum von 27,4 auf 36,2 Prozent.
"Menschen, die derartige Jobs haben, verfügen über so gut wie keine Aufstiegschancen, erhalten keine Weiterbildung", urteilt der DGB-Chef mit ernster Miene. Und geht hart mit manchen Arbeitgebern ins Gericht: "Arbeit darf nicht billig wie Dreck verkauft werden!"
Solche Tätigkeiten würden vor allem im Handel existieren, gefolgt vom verarbeitenden Gewerbe. Meistens würden Frauen solche Jobs haben, da sie laut Wolfgang Niclas, dem DGB-Vorsitzenden Erlangen-Höchstadt, auf diese Zuverdienste angewiesen seien.
Wo aber liegen für den DGB die Lösungen aus der Spirale einer weiteren Zunahme von prekären Beschäftigungen? Doll antwortet: "Der Mindestlohn von 8,50 Euro wird vielen Menschen Monat für Monat mehr Geld in die Hand geben.
Allein in Nürnberg profitieren laut unseren Zahlen rund 52.000 Beschäftigte davon. Das sorgt jährlich für eine zusätzliche Kaufkraft von 130 Millionen Euro."
Wolfgang Niclas fordert zudem, dass Arbeitgeber für alle Arten von Beschäftigungen Sozialversicherungsabgaben zahlen sollten und will auch Städte und Gemeinden mehr in die Pflicht nehmen. Etwa wenn es um die Vergabe von öffentlichen Aufträgen geht. Nur Firmen, die Tarif zahlen, sollen Aufträge erhalten.
"Das wird sich auch Landrat Alexander Tritthart auf unserem Neujahrsempfang anhören müssen", erklärt Niclas. Daneben will der DGB im neuen Jahr für den Mindestlohn trommeln und die Menschen über dessen Vorteile informieren.
Auch mit Hilfe der Broschüre "Was bedeutet das Mindestlohn-Gesetz für mich?".
Niclas kündigt an: "Wir wollen ebenfalls aufmerksam beobachten, ob die Unternehmen auch wirklich die Mindestlöhne zahlen." Und zwar mit Hilfe einer telefonischen Hotline, an die sich Menschen wenden können, wenn Arbeitgeber den Mindestlohn umgehen wollen.
Alles in allem sei die Arbeitsplatz-Situation im Landkreis Erlangen-Höchstadt noch gut, aber auch Vorsicht sei geboten, "sonst würde es unsere Gesellschaft auseinander reißen", warnt der DGB. Ganz zu schweigen von einem sorgenfreien Leben im Alter. Denn: "Menschen, die zu wenig Geld für ihre Arbeit bekommen, werden auch nicht von ihrer Rente leben können und unter der Armutsgrenze bleiben", so DGB-Funktionär Wolfgang Niclas.