Bus- und Lkw-Fahrer künftig nur mit "95" ans Lenkrad

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Immer am Steuer: Günter L. ist seit 23 Jahren Busfahrer. Foto: Sabine Herteux
Immer am Steuer: Günter L. ist seit 23 Jahren Busfahrer.  Foto: Sabine Herteux

Nach einem EU-Gesetz brauchen alle Bus- und Lkw-Fahrer diese Schlüsselzahl in ihrem Führerschein. Die Kurse kosten nicht nur Geld, sondern auch Zeit.

Mit beiden Händen hält er das große Lenkrad in seinen Händen. Die Knöpfe und Schalter drumherum kennt er wie seine Westentasche. Genauso wie die Autobahn, die vor ihm liegt. Seit 23 Jahren fährt Günter L. Bus, überall in Europa. Damit er aber auch in Zukunft am Steuer sitzen bleiben und seinen Beruf ausführen darf, braucht er künftig die 95. Eine Schlüsselzahl, die im Führerschein für die Qualifizierung von Bus- als auch Lkw-Fahrern steht. Hinter der Zahl steckt ein neues EU-Gesetz, mit dem die Sicherheit im Straßenverkehr verbessert werden soll.

Um die 95 in seinem Führerschein zu bekommen, muss Günter L. nun alle fünf Jahre insgesamt 35 Stunden einen Weiterbildungskurs besuchen. "Für Berufseinsteiger sehe ich das ein. Aber für ältere Busfahrer wie mich ist das ein Krampf.
Das ist reine Geldschneiderei", ärgert sich der bei Kohler Reisen in Höchstadt angestellte Busfahrer über die neue Regelung.

Die Kosten für die insgesamt fünf Kurse muss er - wie seine Kollegen - selbst tragen. 69 Euro pro Person pro Kurs. Das sind insgesamt 345 Euro innerhalb von fünf Jahren. Die Busfahrer von Kohler Reisen nutzten bei der Verkehrsakademie in Nürnberg einen Gruppentarif von 212 Euro pro Person. "Wir können die Kosten bei insgesamt 80 Busfahrern nicht übernehmen", bedauert Lisa Kohler. Das Busunternehmen wollte seinen Angestellten deshalb zumindest mit dem günstigeren Gruppenangebot entgegen kommen.

Und die Kosten für die einzelnen Fortbildungsmodule sind nicht die einzigen. Dazu kommen über 150 Euro für einen umfassenden Gesundheitscheck, Reaktions- und Sehtest, den Günter L. ebenfalls alle fünf Jahre absolvieren und aus eigener Tasche bezahlen muss. Doch darin sieht er - im Gegensatz zu den Kursen - zumindest noch einen Sinn: "Ich hatte in den Fortbildungen keinen einzigen Aha-Effekt", sagt der 59-Jährige.

Referiert wird dabei unter anderem über Fahrsicherheit, wirtschaftliches Fahren, Fahrgast- und Ladungssicherheit - für Günter L. zu viel Theorie, zu wenig Praxis. "Ingenieure und Doktoren müssen sowas doch auch nicht machen", findet er.

Als er vor 23 Jahren begonnen hat, Bus zu fahren, gab es noch keine Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Dass die Kurse ihm diesen Status nicht nachträglich bescheinigen, ärgert ihn: "Dann würde mir diese Weiterbildung in Bezug auf Lohn, Versicherung und Rente wenigstens etwas bringen. So habe ich aber nichts davon." Rund 10 000 Euro kostet der Führerschein für Busfahrer samt IHK-Prüfung laut Lisa Kohler heute. Die meisten der Busfahrer bei Kohler Reisen sind 40 plus. Nachwuchs gibt es, aber nicht viel. "Deshalb sollte es lieber Förderungen und Bezuschussungen in diesem Bereich geben", findet Kohler.


Sicherheitstrainings sinnvoller

Fahrschullehrer Erich Scharlott aus Höchstadt bietet Bus- und Lkw-Fahrern die Weiterbildungskurse für die 95 im Führerschein an. Das Feedback ähnelt dem von Günter L.: "Die meisten sitzen es ab und sehen die Kurse als Schikane und Laune des Gesetzgebers", sagt Scharlott. Er gibt zu, dass die Module eine zusätzliche Einnahmequelle sind.

Für Scharlott sind sie aber auch eine Belastung: "Weil man stundenlang Dinge erzählen muss, die eh jeder schon weiß." Er fände es deshalb erheblich sinnvoller, regelmäßige Sicherheitstrainings zu verpflichten: "Mit Ausweich- und Bremstests, um schwere Unfälle zu vermeiden."

Zudem bekämen nicht alle Bus- und Lkw-Fahrer die Kosten für die Qualifizierung von ihrem Chef bezahlt. Manche lassen es deshalb gleich ganz bleiben: "Das habe ich auch schon erlebt."

Galster Reisen aus Wachenroth übernimmt die Kosten für seine insgesamt zehn Fahrer. Urlaub müssen sie für den Besuch der Fortbildungen nicht nehmen. Und obwohl ihre Fahrer mit dem Inhalt der Kurse zufrieden waren, hält Marion Galster von der konkreten Umsetzung der Qualifizierungen nicht viel: "Den Stoff könnte man auch auf zwei Tage beschränken."

Dieter Exner fährt gelegentlich im Nebenjob Bus bei Galster. Auch der 55-Jährige findet die Weiterbildung richtig: "Busfahren ist meine Passion. Müsste ich die Kurse selbst bezahlen, würde ich mir aber schon gut überlegen, ob ich es weitermache."

Er will ebenso wie Günter L. noch so lange Bus fahren, wie es geht. "Bis 70 kann ich es mir schon vorstellen", sagt Günter L., während er das Lenkrad dreht. Und so werden die nächsten Fortbildungskurse dieses oder nächstes Jahr wohl auch nicht seine letzten sein.