In Erlangen haben rund 300 Asylbewerber in einer provisorischen Zeltstadt zumindest vorübergehend ein neues Zuhause bekommen. Dort sollen sie nach ihren Strapazen zunächst einmal wieder zu Kräften kommen.
Hochbetrieb herrscht im Erlanger Freibad West. Mit insgesamt 291 Bewohnern ist die Notunterkunft für Flüchtlinge aus aller Welt innerhalb weniger Tage schon an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen. Um den noch verbleibenden minimalen Grad an Privatsphäre zu schützen, ist der Zutritt zu den Zeltanlagen für Außenstehende normalerweise nicht gestattet. Unsere Zeitung durfte am Donnerstagnachmittag trotzdem einen Blick hinter die Kulissen werfen und machte sich ein Bild von der prekären Lage einiger Flüchtlinge.
Eigentlich läuft alles nach Plan. Angefangen vom Transport der Betroffenen aus der Zirndorfer Erstaufnahmestelle über die Aufnahme in der Erlanger Notunterkunft bis hin zur Verteilung der Nahrungs- und Sachspenden.
Auch die medizinische Versorgung, die sich zusätzlich auf sämtliche Ernstfälle eingestellt hatte, zieht nach etwa fünf Tagen ein positives Fazit.
Thomas Heideloff vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK), das sich gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) um das Wohlergehen der Bewohner kümmert, gibt Entwarnung: "Bisher gab es noch keine besonderen Fälle. Die meisten Patienten haben mit Erschöpfung oder grippalen Infekten zu kämpfen. Daher ist das für uns bisher eigentlich ein normaler Kurzeinsatz."
Normal ist im Leben von Basel Kayali hingegen rein gar nichts mehr. Seit drei Tagen befindet sich der Flüchtling aus Syrien in Deutschland. "Deutschland ist großartig und freundlich. Vor allem herrscht hier Frieden", schwärmt der 26-Jährige im Gespräch mit dem FT. Frieden - genau das fehlte dem Bewohner der Erlanger Notunterkunft in seiner Heimat zuletzt.
Aufgrund bürgerkriegsähnlicher Zustände hatte der studierte Naturwissenschaftler Syrien den Rücken gekehrt. Seine Familie und Freunde ließ Kayali dabei zurück.
Einen Monat lang war er seit Verlassen seiner Zwischenunterkunft in der Türkei unterwegs. Mithilfe von Flugzeug, Bahn und Schiff führte ihn sein Weg über Algerien, Tunesien, Libyen und Italien schließlich nach Deutschland. Ein Weg, der gefährlicher kaum hätte sein können.
In Libyen sei der frühere Mitarbeiter eines biotechnischen Labors sogar von Kriminellen gefangen genommen worden. Vier Tage lang befand er sich gemeinsam mit anderen Flüchtlingen in deren Gewalt. Ohne Essen. Lediglich Salzwasser gab man dem 26-Jährigen zu Trinken. Untergebracht in baufälligen Gebäuden. Immer wieder überkreuzt Kayali seine Fäuste, um zu zeigen, dass er von den Entführern gefesselt wurde.
Trotz allem, was der Syrer in den vergangenen Monaten erlebt haben muss, erzählt er ruhig und sachlich.
In Deutschland endete seine Odyssee letztlich in den Armen der Polizei. Da die Asyleinrichtung in Zirndorf mittlerweile jedoch aus allen Nähten platzt, wurde Basel Kayali nach Erlangen gebracht. Hier kann er sich nun von den Strapazen der vergangenen Wochen und Monate erholen.
Es sind Schicksale wie diese, welche die Erlanger Stadtführung in ihrem Engagement bekräftigen dürften. Nachdem in den vergangenen Tagen die Grundversorgung der Bewohner sichergestellt worden war, beginnt laut Bürgermeisterin Elisabeth Preuß (FDP) nun die nächste Phase: "Jetzt wollen wir mit den ersten tagesstrukturierenden Maßnahmen für die Flüchtlinge anfangen."
In Zusammenarbeit mit der Erlanger Friedensmoschee sollen die Bewohner muslimischen Glaubens in den nächsten Tagen die Möglichkeit haben, sich
ungestört dem täglichen Gebet zu widmen. Der ASB stellt zudem noch ein Nachmittagsprogramm für die rund 50 Kinder auf die Beine. Des Weiteren kümmern sich bis zu neun Mitarbeiter eines Erlanger Sicherheitsunternehmens um jegliche Bedürfnisse und das allgemeine Wohlergehen der Asylanten.
Sicherheit ist für Basel Kayali nach den vergangenen Monaten wohl zu einem Fremdwort geworden. Doch schon jetzt schmiedet der Biotechniker neue, optimistische Pläne für seine Zukunft: Eines Tages möchte Kayali auch in Deutschland beruflich Fuß fassen. Dass es bis dahin noch ein weiter und vor allem bürokratischer Weg ist, ahnt der 26-Jährige. Doch auch er weiß, dass kein Weg zu weit ist, um endlich in Freiheit und Frieden leben zu dürfen.