Wenn's regnet, ist Great Britain raus

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Fähnchen schwingen für Großbritannien und Europa: Paul Jenkinson (links), Karen Adam-Bohley und Nick Barton sind übereinstimmend dafür, dass ihr Heimatland nicht aus der EU austritt. Foto: Ulrike Nauer
Fähnchen schwingen für Großbritannien und Europa: Paul Jenkinson (links), Karen Adam-Bohley und Nick Barton sind übereinstimmend dafür, dass ihr Heimatland nicht aus der EU austritt. Foto: Ulrike Nauer
Nick Barton hätte gern die doppelte Staatsbürgerschaft. Foto: Ulrike Nauer
Nick Barton hätte gern die doppelte Staatsbürgerschaft. Foto: Ulrike Nauer
 
Karen Adam-Bohley, Schottin, sieht keinerlei Vorteile in einem EU-Austritt. Foto: Ulrike Nauer
Karen Adam-Bohley, Schottin, sieht keinerlei Vorteile in einem EU-Austritt. Foto: Ulrike Nauer
 
Paul Jenkinson, Teilzeit-Kunstlehrer am Arnoldgymnasium. Foto: Ulrike Nauer
Paul Jenkinson, Teilzeit-Kunstlehrer am Arnoldgymnasium. Foto: Ulrike Nauer
 

Drei Briten, die Jahrzehnte in Coburg leben, werfen einen Blick über den Ärmelkanal: Was treibt ihre Landsleute möglicherweise zum EU-Austritt?

Das englische Wetter ist legendär. Aber ist es auch so mächtig, dass es sogar die Entscheidung um den "Brexit" beeinflussen könnte? Nick Barton, Paul Jenkinson und Karen Adam-Bohley sagen eindeutig: Ja, das kann es! Die drei Coburger müssen es wissen, denn sie sind allesamt gebürtige Briten und damit einerseits Experten in Sachen englisches Wetter, zum anderen wissen sie ziemlich genau, wie ihre Landsleute in Großbritannien ticken.
Das Europe-Direct-Informationszentrum Coburg hat am Donnerstagabend zur Gesprächsrunde ins "British Corner" in der Nägleinsgasse eingeladen, um aus erster Hand zu erfahren, wie die drei Briten die Lage einschätzen. "Wenn es nächsten Donnerstag regnet, werden die in der Mitte, die jetzt noch unentschlossen ist, aus dem Fenster sehen und sagen: ,Ach nein, da bleiben wir lieber zu Hause‘", befürchtet beispielsweise Nick Barton.
Und auch Karen Adam-Bohley hofft noch auf die "stille Masse, die losgeht und pro EU wählt".


Was wäre, wenn?

Denn bei der Frage, ob bleiben oder gehen, sind sich alle drei einig: "Bleiben!" Wobei Nick Barton zugeben muss, dass ein winziger Teil von ihm, "vielleicht 30 Prozent", schon gerne mal sehen würde, was passiert, wenn Großbritannien den Staatenbund verlässt. Andererseits habe er Angst, dass genau das der Anfang vom Ende der EU sein könnte.
Die Schottin Karen Adam-Bohley kann über das ganze nur den Kopf schütteln. "Ich frage mich: Was bringt es mir, was sind die Vorteile?" Antworten habe sie bisher nicht gefunden, dafür seien eine Menge Polemik und Emotionen im Spiel.
Ähnlich sieht es auch Paul Jenkinson. Seine Landsleute würden in Sachen "Brexit" nicht ausreichend informiert. Das habe er bei einem England-Besuch über Pfingsten selbst feststellen können. "Da heißt es in den Nachrichten zum Beispiel: ,Wenn wir in der EU bleiben, kommen drei Millionen Einwanderer‘ - Punkt!" Nähere Erklärungen dazu gebe es nicht, etwa, was überhaupt unter "Einwanderer" zu verstehen sei. "Sind wir zum Beispiel Einwanderer, wenn wir eines Tages aus Deutschland nach England zurückkehren wollen?" Zu viele Fragen blieben einfach unbeantwortet, findet er. "Dabei wollen die Leute Fakten."
Was treibt die "Brexit"-Befürworter eigentlich weg von der EU? Nach Jenkinsons Meinung liegt das zum einen an der "Insel-Mentalität" seiner Landsleute, andererseits auch an der Struktur der Europäischen Union. Die findet auch Karen Adam-Bohley viel zu "Brüssel-fokussiert" - man denke nur an den Hickhack um die Coburger Bratwurst. Dabei sind sich alle drei einig, dass Großbritannien in den letzten Jahrzehnten durchaus von der EU profitiert habe - etwa die Universität von Cambridge, die mit hohen Fördergeldern zu einem zweiten "Silicon Valley" geworden sei, wie Karen Adam-Bohley anmerkt. Oder Nick Bartons Heimatstadt Liverpool: "Vor 30 Jahren war sie grau und grässlich, heute ist sie ein Prachtstück - auch dank der EU."


Zwei Heimaten

"Ich bin gern Britin", stellt Karen Adam-Bohley klar. "Das sind meine Wurzeln. Ich sage zum Beispiel: ,ich gehe nach Hause‘, wenn ich nach Schottland fahre." Andererseits fühle sie sich auch "privilegiert, zwei Heimaten" zu haben.
Seinen britischen Pass abzugeben, käme auch für Nick Barton nicht infrage, er hätte aber durchaus gern die deutsche Staatsbürgerschaft ("Deutschland ist ein klasse Land"). Leider gebe es derzeit keine Chance auf die doppelte Staatsbürgerschaft. "Ich dachte vor 25 Jahren, dass wir heute vielleicht alle einen EU-Pass haben, dabei geht es jetzt wieder mehr aufs nationale Klein-Klein zurück."
Mitentscheiden können die drei Coburger am Donnerstag übrigens nicht. Wer, wie sie, länger als 15 Jahre außerhalb Großbritanniens lebt, darf beim "Brexit"-Referendum nicht abstimmen. "Wir hätten dennoch das Recht haben müssen", findet Karen Adam-Bohley, die gerne "ihr Kreuzchen dafür gemacht" hätte. "Wir sind mittlerweile so weit abgeschnitten von unserer Heimat, dass wir nichts mehr zu sagen haben", bedauert auch Nick Barton. "In Deutschland darf ich aber auch nicht wählen - das ist doch bescheuert!"