Die Coburger Stadtbücherei bekam einen Koran geschenkt. Den ließ Bücherei-Chefin Brigitte Maisch sicherheitshalber vom Staatsschutz überprüfen.
82 000 Bücher hatte die Coburger Stadtbücherei im vergangenen Jahr in ihrem Bestand. Nun hat sie einen Neuzugang erhalten, für dessen Beurteilung die Leiterin der Bücherei, Brigitte Maisch, professionelle Hilfe in Anspruch genommen hat: Den Koran, ein Geschenk der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung, ließ Brigitte Maisch vom Staatsschutz untersuchen, ehe sie ihn offiziell ins Programm aufgenommen hat.
Dass die Stadtbücherei Buchgeschenke erhalte, sei nichts Ungewöhnliches, sagt Maisch. "Wir überlegen dann, ob das für uns geeignet ist." In diesem Fall war der Schenker, die "Lahore-Ahmadiyya-Bewegung zur Verbreitung islamischen Wissens", wie die Gemeinschaft in Langform heißt, der Bücherei-Chefin allerdings völlig unbekannt. Sie entschied sich, auf Nummer sicher zu gehen, und zog die Coburger Polizei zu Rate.
Von Coburg nach Bayreuth
"Ja, das Buch war bei uns", bestätigt Polizei-Pressesprecher Markus Reißenberger auf Nachfrage. Die Coburger Beamten gaben den Koran an die Kollegen vom Staatsschutz in Bayreuth zur Beurteilung weiter. Schon nach wenigen Tagen kam das Buch wieder nach
Coburg zurück. "Der Staatsschutz hat es geprüft. Es gibt keine verbotenen Inhalte, es steht nichts auf dem Index, deshalb wurde es freigegeben", fasst Reißenberger das Ergebnis zusammen.
"Ich muss zugeben, früher wäre ich da sicher unbedarfter herangegangen", sagt Brigitte Maisch. Sie habe überlegt, von welcher Einrichtung komme der Koran und könne man sich eventuell Ärger mit einer anderen islamischen Glaubensrichtung einhandeln. "Man will schließlich keine Empfindlichkeiten treffen, von denen man vorher gar nichts gewusst hat", beschreibt Maisch die Gedanken, die sie sich vor der offiziellen Registrierung gemacht hat.
Der Lahore-Ahmadiyya-Koran im grünen Einband ist übrigens nicht der einzige in der Stadtbücherei. Mit dem Neuzugang stehen nun insgesamt fünf Ausgaben im Regal der Sachbuch-Sparte "Religion", dazu einiges an ergänzender Literatur. Die übrigen vier Ausgaben sind aber allesamt von deutschen Verlagen herausgegeben, was die Einordnung laut Brigitte Maisch deutlich vereinfacht habe.
Nachfrage nach Koran-Ausgaben eher gering
Die berühmteste Ausgabe im Quintett dürfte die Rückert-Übersetzung aus den 1820er Jahren sein. Rückert, fasziniert von den arabischen Reimen, hatte versucht, diese in deutscher Sprache "nachzudichten". "Er hat aber auch Sätze weggelassen", wie Brigitte Maisch beim Vergleich der unterschiedlichen Übersetzungen festgestellt hat. Die Besonderheit des Lahore-Ahmadiyya-Korans: Hier wurde der deutschen Übersetzung die überlieferte Fassung in Hocharabisch zur Seite gestellt. Ergänzend dazu gibt es auf den Seiten teilweise sehr ausführliche Erläuterungen und Fußnoten.
Nachgefragt würden die Koran-Ausgaben aber eher weniger, sagt Brigitte Maisch - von Bürgern mit Migrationshintergrund vermutlich deshalb nicht, weil in den Haushalten ohnehin ein Koran vorhanden sei. Werde doch ein Koran ausgeliehen, dann meistens, um "mal reinzuschauen" oder auch für ein Referat in der Schule. Maisch: "Ich frage aber auch nicht nach, warum jemand etwas ausleiht."
Die Lahore-Ahmadiyya-Bewegung
Entstehung Die Ahmadiyya ist eine islamische Sondergemeinschaft, die von Mirza Ghulam Ahmad in den 1880er Jahren in Britisch-Indien gegründet wurde. 1914 spaltete sich daraus die Lahore-Ahmadiyya-Bewegung ab. Der Grund waren vor allem ideologische Differenzen - die Lahore-Ahmadiyya-Bewegung lehnt das Kalifentum ab. Die Zentrale der Organisation ist die "Darus-Salam-Moschee" in Lahore (Indien). Neben der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung entstand durch die Spaltung auch die heute bedeutendere Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), die in Deutschland rund 35 000 Mitglieder hat.
Deutschland Die Berliner Moschee (heute Wilmersdorfer Moschee) wurde in den Jahren 1924 bis 1928 erbaut und ist seitdem die Zentrale der Gemeinschaft in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg verhinderte zum einen die isolierte Lage Berlins, zum anderen der starke Zustrom von muslimischen Migranten in den 1960er Jahren, die ihre eigenen Hinterhofmoscheen einrichteten, dass die Moschee eine bedeutende Rolle für den Islam in Deutschland spielen konnte. Heute kämpft die Moscheegemeinde finanziell ums Überleben und den Erhalt der Moschee.
Quelle: Wikipedia