Albert Schrenker hat die Verantwortung für rund 7500 Hektar Land.
Mit einem Forstmann durch den Wald zu gehen, hat noch immer diesen Hauch von Romantik. Der brave Jagdhund weicht ihm nicht von der Seite, die Sonne blinzelt durchs grüne Blätterdach und der Specht klopft seine Morsezeichen. Die Gedanken aber, die sich Albert Schrenker als Leiter des Forstbetriebs Coburg der Bayerischen Staatsforsten machen muss, wenn er hier unterwegs ist, sind nicht immer romantischer Natur.
"Wir arbeiten im Forst heute in einem Spannungsdreieck zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialen Belangen", erklärt er. Jeden Morgen, wenn er seinen Dienst antritt ist es seine Aufgabe, dieses Dreieck möglichst gleichseitig zu halten. Alle Belange gleich zu gewichten und ihr Verhältnis zueinander in konstanten Winkeln zu festigen. Gar nicht so einfach. Jedes der drei Elemente hat nämlich so seine eigene Dynamik.
Daher arbeitet der Forst nicht planlos. Im Gegenteil.
"Es gibt Bestandaufnahmen, Forstbetriebspläne, Maßnahmenpläne und dergleichen mehr", sagt Schrenker. Und über allem steht ein Prinzip, das der Forst tatsächlich erfunden hat, auch wenn es jetzt in aller Politiker Munde ist: Nachhaltigkeit. "Wir arbeiten schon seit 300 Jahren nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit", stellt Schrenker fest, und macht auf eine Fläche aufmerksam, die aussieht als hätte ein Objektkünstler sich hier entfalten dürfen. Im Gegenlicht schimmern leicht grünliche Kunststoffsäulen. "Hier wurden Douglasien mit Einzelschutz gepflanzt", erklärt der Forstmann. Ihm gefallen die künstlichen Objekte im Wald nicht besonders.
Aber die in der Umgebung eher seltene Douglasie wäre ohne Schutz in Gefahr. "Der Rehbock verfegt sie gern", sagt Schrenker.
Gemeint ist, dass der Bock mit seinem Gehörn an den dünnen Stämmchen hoch und runter fährt und dabei Zweige und Rinde beschädigt. Die Bäumchen werden dabei stark beschädigt. Wenn sie heran gewachsen sind, können die Hüllen abgenommen werden. Ein Zaun um die Pflanzfläche bleibt deswegen erspart.
Mit Vielfalt in die Zukunft "Die Douglasie wird mit Blick auf den Klimawandel gepflanzt", erklärt Albert Schrenker. Die Fichte wird in vielen Regionen, so auch im Coburger Land, keine guten Lebensbedingungen mehr vorfinden, wenn die Durchschnittstemperatur steigt. Davon sind Forstwissenschaftler überzeugt. Der Waldumbau, hin zu mehr Laubholz hat bereits begonnen. Doch Waldbau rechnet in anderen Zeiträumen wie der Landbau.
Bäume wachsen über Generationen.
Daher muss jetzt gehandelt werden - auch wenn sich erst in Jahrzehnten erweisen wird, wie der Klimawandel wirklich aussieht und welche Folgen sich daraus ergeben. "Je mehr Baumarten es gibt, desto besser ist es für die Zukunft", ist Albert Schrenker überzeugt. Dass der Standort, der Boden, für die gepflanzten Bäume passt, ist Forstleuten heute wichtiger als die schnellen Erträge, um deren Willen früher die Fichte gepflanzt wurde. Der Waldumbau ist im Gang. "Seit 1998 haben wir den Laubholzanteil von 30 auf 37 Prozent angehoben. Das entspricht 600 Hektar Betriebsfläche, die umgewandelt wurden", rechnet Schrenker vor, der für einen Forstbetrieb mit rund 7500 Hektar Fläche verantwortlich ist.
Etwas weiter stehen wir vor einem der ungeliebten Zäune. "Hier wurden Eichen gepflanzt und alte Fichten zur Beschattung stehen gelassen", erklärt der Forstmann.
Es wird nur wenige Jahre dauern, bis die Eichen so herangewachsen sind, dass der Zaun abgebaut werden kann. Doch so lange muss er stehen. Was selten ist, interessiert naschhafte Rehe besonders.
Im gesamten Forstbetrieb wurde Inventur gemacht. Von genau festgelegten Punkten wird im bestimmten Umkreis der Bestand ermittelt. "Nach zehn Jahren wird dann wieder genau dasselbe getan. Der ermittelte Unterschied ist der Zuwachs", beschreibt Schrenker. Diesen zu ermitteln, ist sehr wichtig. "Bei einem Zuwachs von etwa neun Festmetern je Hektar gehen maximal sieben Festmeter in die Nutzung", hält Schrenker dem immer wieder aufkeimenden Vorwurf entgegen, die Betriebe der Bayerischen Staatsforsten seien auf Gewinnmaximierung ausgerichtet.
"Wir arbeiten durchaus gewinnorientiert - aber eben nicht gewinnmaximiert", betont der Betriebsleiter den Unterschied. Immerhin verwalten die Staatsforsten Eigentum des Volkes.
Den Bürgern fühlt man sich daher verpflichtet, ihnen wohl einen Wald als Erholungsraum zu bieten, diesen nach ökologischen Grundsätzen für die Zukunft umzubauen, aber eben auch nicht zum Groschengrab zu machen, sondern durch verantwortungsvolle Bewirtschaftung eben auch finanzielle Gewinne zu erzielen.
Faktor Wirtschaft Der Forst ist Arbeitgeber, Auftraggeber und Kunde. Mit dem vor- und nachgeordneten Bereich hängen Tausende von Arbeitsplätzen direkt oder indirekt vom Forst ab. "Wie der Wald aussieht, bewegt immer noch die Volksseele", weiß der Forstmann aus Erfahrung. Ob Totholz entnommen oder liegen gelassen wird, findet Beachtung. Einschläge, Zäune - was immer sich im Wald tut, wird nicht selten kritisiert.
Nicht immer gelingt es, dafür Verständnis zu erzeugen, aber Forstleute müssen sich mit dem Blick der Bevölkerung auf ihre Arbeit beschäftigen. Dieser Blick fällt auch auf die fast schon geheimnisvollen Zeichen, die manche Bäume zieren. Mal zieren Stämme blaue, dann wieder rote oder weiße Linien, Es gibt Buchstaben, Zahlen oder Pfeile.
"Das sind sichtbare Zeichen der Forstwirtschaft", lacht Albert Schrenker. Wellenlinien kennzeichnen etwa einen Baum, der aus ökologischen Gründen als Totholz stehen bleibt. Rote Striche und der Buchstabe "R" kennzeichnen eine Rückgasse, durch die bei der Bewirtschaftung gefahren werden kann. Ein blauer Ring kennzeichnet einen Baum, der bis zur Ernte stehen bleiben soll, weil er besonders gut gewachsen ist. Ein roter oder gelber Tupfer dagegen kennzeichnen einen Baum, der gefällt werden soll. Zahlen und Pfeile markieren Anstände für organisierte Jagden.
Wer sich damit auskennt, erfährt bei einem Spaziergang viel über die Arbeit der Förster.
Und wer sich umschaut findet im Wald auch heute noch, was ihn seit Jahrhunderten auszeichnet: Einen Lebensraum, der Erholung und Kraft spendet, durch den zu wandern einfach schön ist, und der keineswegs alle seine Romantik verloren hat.
Sommer in Franken: "Daheim unterwegs"Serie Das Coburger Land ist schön - und: viele interessante Menschen leben hier. In unserer Sommerserie "Daheim unterwegs" verbinden wir diese beiden Erkenntnisse und machen uns mit eben solchen Menschen auf, um ein paar besonders idyllische Stellen unserer Heimat zu erkunden. Manchmal sind es Wanderungen, manchmal eher Spaziergänge. Zu entdecken gibt es aber immer etwas - und nebenbei viel zu erfahren von unseren jeweiligen Weggefährten.