Unternehmer: Warum der neue Flugplatz für Coburg unverzichtbar ist

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Björn Schumacher und Frank Wöhner im Besprechungszimmer mit Durchblick in die Fertigung bei Wöhner. Beide Unternehmer sind überzeugt davon, dass ihre Unternehmen sich nur dann weiterentwickeln können, wenn es möglich ist, von Coburg aus zu den übrigen Standorten zu fliegen.Foto: Simone Bastian
Björn Schumacher und Frank Wöhner im Besprechungszimmer mit Durchblick in die Fertigung bei Wöhner. Beide Unternehmer sind überzeugt davon, dass ihre Unternehmen sich nur dann weiterentwickeln können, wenn es möglich ist, von Coburg aus zu den übrigen Standorten zu fliegen.Foto: Simone Bastian

Die Coburger Wirtschaft brauche einen richtlinienkonformen Verkehrslandeplatz: Deshalb soll bei Neida (Meeder) ein neuer gebaut werden. Deshalb geht es beim Bürgerentscheid am Sonntag im Landkreis Coburg nicht nur um Kosten und Lärmbelästigungen, sondern auch um Investitionen und Arbeitsplätze.

Nein, es geht am Sonntag nicht um den Neubau des Verkehrslandeplatzes. Es geht nur darum, ob der Landkreis mit Sitz und Stimme und finanziellen Verpflichtungen Mitglied der Projektgesellschaft Verkehrslandeplatz Coburg (PGVC) bleibt. Die PGVC soll bei Neida einen neuen Verkehrslandeplatz für die Region bauen, damit auf den vorhandenen Flugplatz Brandensteinsebene verzichtet werden kann.

Darauf drängen vor allem die Unternehmen der Region, die den Flugplatz nutzen. Die Landebahn dort ist so kurz, dass die Maschinen nicht vollbeladen starten können, und entspricht nicht den Sicherheitsstandards für die gewerbliche Fliegerei. Aber diese Standards wollen die Coburger Firmen ansetzen, die ihre Mitarbeiter mit ihren Werksmaschinen zu den verschiedenen Standorten, zu Lieferanten und Kunden bringen. Die Unternehmer Björn Schuhmacher und Frank Wöhner erläutern im Interview, warum die Coburger Wirtschaft den Platz braucht und warum die Gegner des Flugplatzneubaus falsch rechnen.

Schumacher ist Gesellschafter von Schumacher Packaging Ebersdorf, Geschäftsführer unter anderem der Werke Ebersdorf, Breslau und Greven. Er verantwortet die Massenware, sein Bruder Hendrik die hochwertigen Verpackungen. Wöhner ist Geschäftsführender Gesellschafter und alleiniger Inhaber der Wöhner-Gruppe mit weltweit zwölf Standorten. Weiterhin gehören zur Unternehmensgruppe die Sinit Kunststoffwerke (drei Standorte) und die Metalltechnik Annaberg.

Herr Schumacher, Herr Wöhner, Sie argumentieren damit, dass ein Flugplatz Arbeitsplätze sichert. Groß geworden sind Sie aber beide ohne Flugplatz. Warum ging es früher ohne und nun nicht mehr?

Frank Wöhner: Wir haben im Firmenverbund inzwischen Tochtergesellschaften im inner- und außereuropäischen Ausland, die wir immer wieder auch besuchen müssen. Nächstes Jahr wollen wir in Skandinavien ein Büro eröffnen, wir denken über Polen und Tschechien nach. Und da sind noch keine Kunden und Lieferanten dabei, die wir auch besuchen.

Aber diese Standorte liegen doch sicherlich in der Nähe von Verkehrsflughäfen. Da könnte ich doch mit einer Linienmaschine hinfliegen?

Wöhner: Problem ist, dass Nürnberg gar nicht mehr alle Businessziele in Europa anfliegt. Mailand zum Beispiel ist ein wichtiger Standort für uns, aber man kommt von Nürnberg direkt nicht hin. Ich habe das große Glück, dass ich auf die Möglichkeit zurückgreifen kann, mit den Flugzeugen der anderen Unternehmen zu fliegen.

Björn Schumacher: Bis 2008 sind wir mit dem Auto gefahren. Aber da hatten wir nur vier oder fünf Werke, und Breslau das am weitesten entfernte. Ich war permanent dort, mein Vater saß in Ebersdorf, mein Bruder betreute die anderen Werke. Heute haben wir 13 Werke, darunter in Danzig und in Holland. Diese Entfernungen kann man nicht mehr fahren. Allein für Breslau ist man mit dem Auto zwei oder drei Tage hin und zurück unterwegs, wenn man einen Tag dort arbeitet. Irgendwann kam der Punkt, dass selbst mein Vater gesagt hat: Das funktioniert nicht mehr mit dem Auto. Als mein Vater in der Geschäftsleitung aufgehört hat, wurde er nicht ersetzt. Seinen Bereich habe ich mehr oder weniger mit übernommen. Auch in Breslau wurde niemand für mich eingestellt.

Sie könnten aber jemanden als Geschäftsführer einstellen und Videokonferenzen abhalten. Es ist doch eine unternehmerische Entscheidung, dass Sie das Unternehmen so strukturiert haben, dass Sie fliegen müssen.

Schumacher: Es ist eine unternehmerische Entscheidung, die auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Ich schätze, dass mich eineinhalb Geschäftsführer schon mehr kosten als das Flugzeug, und dann fehlt mir ja immer noch das Vertrauen, dass der Manager den Job so erledigt. Und die Videokonferenzen -

Wöhner: Viel zu unpersönlich!

Schumacher: - meint denn jemand, wir nutzen das nicht? Wir haben täglich Kontakt mit unseren Werken über Telefon oder Videokonferenzen.

Wöhner: Das geht für bestimmte Fragestellungen, aber in Bezug auf Kundenkontakt nur bedingt. Wir haben mittlerweile 60 Prozent Auslandsanteil, und das große Wachstum hat ja erst 2005 eingesetzt.

Herr Wöhner, Sie hatten voriges Jahr angekündigt, dass Sie in Rödental investieren, in die ehemalige Götz-Immobilie. Dann wollten Sie in Meeder investieren. Aber nur, wenn der Flugplatz kommt.

Wöhner: Es handelt sich um zwei Projekte. Das Gebäude in Rödental ist für die Firma Wöhner gedacht. Das möchte ich zeitnah kaufen und abreißen lassen, so dass die Voraussetzungen für einen Neubau gegeben sind. Das Angebot in Meeder war, dorthin mit einem Werk der Sinit Kunststoffwerke zu gehen. Grundsätzlich investieren wir rund acht Prozent unseres Umsatzes jedes Jahr hier am Standort, das ist nicht gerade wenig.

Aber es gibt gewisse Investitionen, die über das normale Maß hinausgehen. Dafür braucht man Entscheidungsgrundlagen, das ist von gewissen Faktoren abhängig. Und aus heutiger Sicht ist für mich für die Entwicklung des Unternehmens ein Verkehrslandeplatz als Infrastruktur unabdingbar. Wenn wir die nicht bekommen, muss ich das in meine Entscheidungsgrundlage mit einfließen lassen. Dann kann es durchaus passieren, dass man andere Überlegungen anstellt.

Dass wir standortverbunden sind, zeigt, dass wir hier unsere Kunststofffertigung ausgegliedert haben in ein eigenständiges Unternehmen. Diese GmbH arbeitet inzwischen nur noch 25 Prozent für Wöhner. Wir hätten die Gründung in Sonneberg machen können, wo wir erhebliche Zuschüsse bekommen hätten. Wir wollten nicht, dass unsere Mitarbeiter nach Sonneberg fahren müssen, und Subventionen sind nicht unser Geschäftsmodell. Aber ich hätte meinen Leuten von Sinit zugemutet, nach Meeder zu pendeln - im Interesse des Allgemeinwohls.

Schumacher: Wir sind hier aufgewachsen, zur Schule gegangen. Ich liebe meine Coburger Heimat. Deswegen kämpfen wir auch für die Standorte, die da sind. Ich möchte nicht verlagern müssen. Hier sind wir groß geworden, hier wollen wir bleiben. Ich kann meinen Job definitiv nicht mehr machen ohne Flugzeug. Man muss sich doch mal über unsere Region Gedanken machen! Es geht doch nicht nur um uns paar Unternehmer. Es geht um die Region, und die punktet in erster Linie mit Infrastruktur und mit Fachkräften. Wir stehen im Wettbewerb der Regionen um Investitionen. Da muss ich punkten können! Ich habe das Gefühl, wir hier ruhen uns immer noch auf der Vergangenheit aus, dabei haben wir schon einen Strukturwandel hinter uns mit der Porzellanindustrie und den Polstermöbler.

Wenn wir über die Zumutbarkeit von Entfernungen reden: In Haßfurt gibt es einen Flugplatz, und dort können Sie genauso schnell startklar sein wie in Coburg.

Schumacher: Nach Haßfurt hab ich eine Stunde Fahrt. Damit ist meine Autofahrzeit genauso lang wie meine Flugzeit nach Breslau. Dann sitz ich wieder 50 Prozent des Arbeitstages im Flieger oder Auto. Nach Meeder spar ich mir eine halbe Stunde bis 40 Minuten! Wir fliegen viermal die Woche. Das sind viermal Reisekosten, die Zeit - und das ist selbst bei Haßfurt, was noch die beste aller Alternativen ist, eine ganze Menge.

Sie sind beide mit Ihren Unternehmen Mitglied in der Projektgesellschaft Verkehrslandeplatz Coburg. Sie kalkulieren mit Baukosten von 30 Millionen Euro für einen neuen Flugplatz - sieben Millionen von Stadt und Landkreis, acht Millionen von der Wirtschaft, 15 Millionen vom Land. Die Gegner und ihr Gutachter Faulenbach da Costa kommen auf 70 Millionen. Wie erklären Sie das?

Schumacher: Wir wissen nicht, woher Herr Faulenbach da Costa seine Expertise bezieht. Wir haben versucht, nachzuvollziehen, wie er auf eine Startbahnlänge von 730 Metern für die Beechcraft Kingair B200 kommt. Wenn wir das vorgeschriebene Performance-Chart für das Flugzeug zugrunde legen, kommen wir auf eine Startstrecke der B200 von 1188,72 Meter. Die 730 Meter ergeben sich dann, wenn ich Sichtflug ansetze. Wir reden hier aber von Anfang an über Instrumentenflug. Entweder hat Faulenbach da Costa vorsätzlich den Sichtflugwert angesetzt, oder er hat einfach mal im Internet nach "Startstrecke B200 " gesucht. Denn bei der Citation kommt er auf 1200 Meter, und dieser Wert passt - das ist aber auch der einzige, den man im Netz findet, denn beim Jet wird von vornherein der Instrumentenflug angesetzt.

Wöhner: Das ist der Unterschied - wir arbeiten mit Fakten, die andere Seite verständlicherweise mit Emotionen.

Aber was ist mit den Kosten für den Flugplatzbau?

Schumacher: Da kam Faulenbach da Costa schon auf viele verschiedene Werte. Er sagt: 16,65 Millionen Euro für Flugverkehrsflächen und Terminal. Wir haben aber kein Terminal. Dann sagt er, das Terminal sei mit null Euro angesetzt. Ja, will er die Landebahn vergolden? Er rechnet zehn Millionen Euro für Hangars. Die Hangars sind bis jetzt von den Nutzern selbst bezahlt. Ein sehr aufwendiger Hangar wie die von Brose und Kapp kostet nicht mal eine Million. Ein normaler Hangar - eine Leichtbauhalle mit Boden, ungeheizt, kostet etwa 100.000 Euro. Ich glaube außerdem, dass viele im Aero-Club ihre Hangars an der Brandensteinsebene abbauen und am neuen Landeplatz wieder aufbauen werden. Dann nennt Faulenbach da Costa zehn Millionen Euro für die Renaturierung der Brandensteinsebene? Wofür denn? Wir haben nun in der PGVC überlegt, ob wir nicht die Kosten bei 30 Millionen Euro deckeln. So sicher fühlen wir uns da.

Wird es Entschädigungen für den Aeroclub geben, für den Tower und die Gaststätte?

Schumacher: Nein. Niemand hat ein Recht auf Entschädigung. Wenn der Flugplatz dicht gemacht wird, ist er dicht. Wir haben in der PGVC aber eine Lösung gefunden, dem Aeroclub entgegenzukommen, ohne die öffentliche Hand zu belasten. Außerdem wurden in der Planung viele Wünsche des Aeroclubs berücksichtigt. Und er hat Vorteile: Am neuen Platz können alle Segelflugzeuge mit der Winde starten. Er braucht kein Schleppflugzeug mehr - das bedeutet weniger Umweltbelastung, weniger Lärm, und für die Segelflieger weniger Kosten. Dass es drei Bahnen gibt, war ein Wunsch des Aeroclubs. Von dort aus ist ein Segler auch in einer Minute an der Brandensteinsebene und kann hier seine Runden drehen.

Erst heißt es, der Flugplatzbetrieb ist ein Zuschussbetrieb. Die Befürworter argumentieren, dass ein neuer Platz mit zusätzlichen Landegebühren, Ansiedlung von Werkstätten oder Dienstleistern höhere Einnahmen hätte, doch dann ist der Lärm das Problem.

Schumacher: Ich hoffe, dass es am neuen Flugplatz mehr Flugbewegungen werden. Aber es werden wohl nur um die 1000 Starts und Landungen mehr im Jahr. Was den Lärm angeht: Das nächste Haus von Neida steht 1,4 Kilometer vom Flugplatz entfernt. Nimmt man das Gutachten von Neida zum Maßstab, sind an der Brandensteinsebene 6000 Menschen von Lärm betroffen, in Neida keiner.

Wöhner: Bei mir fährt im Halbstundentakt die Bimmelbahn vorbei. Die macht richtig Krach. Die Flugzeuge hören wir nicht. Ich verstehe, dass es die Neidaer ruhig haben wollen. Aber ich glaube nicht, dass sie bemerkenswert gestört werden. Da fahren am Tag mehr Bulldogs vorbei als Flugzeuge starten.

Auf einem neuen Flugplatz könnte sich auch ein Charterunternehmen ansiedeln. Wie lösen Sie eigentlich im Moment das Problem, ohne eigenes Flugzeug zu fliegen, Herr Wöhner?

Wöhner: Ich greife heute auf die vorhandenen Flieger zurück. Aber ich gehe davon aus, dass irgendwann ein eigener vorhanden ist.

Schumacher: Das ist eine Grauzone. Auch der Flugdienst Coburg, den es einmal gab, hat sich darin bewegt. Wir dürfen ja keinen Personentransport anbieten. Ich kann Herrn Wöhner nur unentgeltlich mitnehmen.

Wöhner: Das wäre mir lieber, aber er fliegt zu den falschen Zielen.

Schumacher. Herr Wöhner mietet ein Flugzeug auf der Brandensteinsebene und organisiert sich einen Piloten. Dadurch wird Herr Wöhner zum Luftfrachtführer und kann mitfliegen. Das nennt sich Münchner Modell und wird geduldet. Aber als Luftfrachtführer müsste er den Flug versichern. Wenn es da mal einen schweren Unfall gibt, möchte ich nicht in seiner Haut stecken. Deshalb hat das Konzept vom Flugdienst Coburg nicht funktioniert. Derzeit darf auch kein anderer nach Coburg fliegen. Das heißt, er dürfte landen, aber er hat die Außenstartgenehmigung nicht. Auch die HUK und andere hatten früher Kunden, die mit dem Flugzeug kamen. Die kommen nun nicht mehr.

Wöhner: Ich hatte einen Kunden, der mit dem Flugzeug kommen wollte. Aber dessen Pilot hat gesagt: Diesen Flugplatz in Coburg fliegen nur Wahnsinnige an.

Sollte der Bürgerentscheid durchgehen, bedeutet das noch nicht das Ende des Flugplatzes.

Beide: Ja, mit Sicherheit nicht.

Aber was passiert, wenn das Planfeststellungsverfahren negativ ausgeht und der Bau nicht genehmigt wird?

Wöhner: Das ist etwas Objektives. Aber ich glaube fest daran, dass das Planfeststellungsverfahren positiv für den Bau ausfällt. Wenn es denn anders kommt, müssen wir neu nachdenken und uns auf die Situation einstellen. Unsere Investitionsentscheidung in Rödental hängt im hohen Maß vom Ausgang des Planfeststellungsverfahrens ab.

Schumacher: Wenn der Flugplatz wegfällt, haben wir einen entscheidenden Standortvorteil hier verloren. Egal, wodurch. Im Moment machen wir uns dahingehend aber keine Gedanken.

Das Gespräch führte Simone Bastian
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