Aber Jan Gorr geht lieber den "Weg der kleinen Schritte" und pflegt dabei eine realistische Sicht der Dinge. Der Trainer des HSC 2000 Coburg freut sich auf die erste Saison in der 2. Bundesliga. Zum Angeln zieht er sich gerne an den Westsee in Bad Staffelstein zurück und tankt Kraft.
                           
          
           
   
          Die schöne Landschaft am Bad Staffelsteiner Westsee ist verlockend. Beim Angeln kann er in aller Ruhe die Natur genießen und seine Gedanken baumeln lassen. Doch Jan Gorr fischt dabei nicht im Trüben, sondern tankt in diesen Momenten die nötige Kraft, die er braucht, wenn am nächsten Samstag eine für ihn sicher kräfteraubende Saison in der 2. Handball-Bundesliga beginnt.
Angeln ist wichtig für das seelische Gleichgewicht, sagt man. Oder auch dafür, nicht zu schnell die Geduld zu verlieren. Wenn etwas am Angelhaken anbeißt, könnte eine günstige Wendung in Sicht sein. Frische Fische aus klarem Wasser verheißen oft Erfolg und Glück.
Trübes, schmutziges Wasser, in dem geangelt wird, warnt vielleicht vor Intrigen und ähnlichen dunklen Machenschaften - dann ist Vorsicht geboten. Fakt ist aber, dass das Angeln als Symbol für die Suche oder dem Streben nach Anerkennung, Erfolg und Überlegenheit ist - Jan Gorr ist ein leidenschaftlicher Angler und sicher auch ein nach Anerkennung und Erfolg suchender Handballtrainer. Wir sprachen mit dem 36-Jährigen.
Hallo Herr Gorr, wie fällt Ihr Fazit nach einer langen, schweißtreibenden Vorbereitungszeit aus?Jan Gorr: Im Großen und Ganzen können wir ein positives Fazit ziehen. Wir haben, was Umfang und Intensität betrifft, nochmal mehr gemacht als vor der letzten Drittliga-Saison und auch einige Spiele gegen Erstligisten absolviert. Die Spieler haben sich in der Vorbereitung echt reingehängt und waren auch bereit, für unsere beiden Trainingslager einige zusätzliche Tage Urlaub zu investieren. Das spricht für eine gute Einstellung und hat mir gut gefallen. Andererseits werden wir das aber auch brauchen, wenn wir uns als Aufsteiger in dieser ausgeglichenen Liga behaupten wollen. Natürlich gibt es auch einige Dinge, an denen wir noch arbeiten müssen. Im Abwehrverband fehlt mir teilweise noch die nötige Grundaggressivität und im Angriffsspiel greifen noch nicht alle Rädchen wie gewünscht ineinander. Das ist aber auch normal wenn man bedenkt, dass wir mit Matthias Gerlich, Konstantin Singwald und Florian Billek drei neue Spieler in unser Team integrieren möchten.
Sie sprechen die Neuen an. Wie zufrieden sind Sie mit diesem Trio?Alle drei haben eine gute Vorbereitung gespielt. Konstantin zeigt schon tolle Ansätze, wird aber sicher noch seine Zeit brauchen und zunächst in unserer 2. Mannschaft Spielpraxis sammeln. Florian und Matthias werden unser Team direkt bereichern. Wir werden variantenreicher im Angriff, denn beide verfügen über große individuelle Stärken, die uns in der 2. Liga gut zu Gesicht stehen werden. Alle drei sind auch schon gut im Mannschaftskreis angekommen, wobei der bestehende Kern ihnen die Integration auch einfach gemacht hat. Hier waren vor allem die beiden Trainingslager enorm wichtig, in denen wir Zeit hatten, auch das Teamgefüge wieder neu zu ordnen.
Was trauen Sie Ihrem Team im ersten Spiel gegen SV Henstedt-Ulzburg zu?Unser Ziel wird es sein, direkt im ersten Spiel die ersten beiden Zähler einzufahren. Und sollte uns ein Sieg zum Auftakt gelingen, dann wäre das natürlich fantastisch. Henstedt wird uns das aber nicht einfach machen. Nicht umsonst sind sie sehr souverän in der Nordstaffel Meister geworden und haben sich mit einigen neuen Spielern vor dieser Saison verstärkt. Wenn wir es aber schaffen, 60 Minuten mit unseren Fans im Rücken "unseren" Handball zu spielen, haben wir alle Chancen.
Der Klassenerhalt in der 2. Liga erscheint realistisch. Ist mehr möglich?Der Klassenerhalt in der 2. Liga ist unser vorrangiges Ziel. Wenn wir diesen zum Schluss geschafft haben, können wir alle sehr zufrieden sein. Ich selbst möchte natürlich so optimal wie möglich abschneiden. Und wenn es der Saisonverlauf zulassen würde, dass wir uns bereits in Richtung Mittelfeld orientieren könnten, wäre das natürlich traumhaft. Aber die Konkurrenz ist enorm und wir tun gut daran, zunächst einmal realistisch mit der Situation umzugehen.
Der Spielplan will es so, dass Sie bereits am 2. Spieltag bei ihrer "alten Liebe" TV Hüttenberg ran müssen. Ist das für Sie eine Reise in die Vergangenheit?Die ist es natürlich. Das war eine tolle Zeit in Hüttenberg mit vielen schönen Erlebnissen und Erfolgen. Von daher freue ich mich auf das Wiedersehen mit meinen alten Weggefährten. Aber an erster Stelle steht natürlich unser Spiel. Und ich möchte mit meiner Mannschaft um die ersten Auswärtszähler kämpfen. Deswegen werden wir uns viel vornehmen und hoffentlich auch von vielen Fans aus Coburg nach Mittelhessen begleitet. Denn in der Hüttenberger Halle kann richtig gute Stimmung aufkommen und dann ist der Rückhalt für uns natürlich doppelt wichtig.
Verantwortliche des HSC, aber auch Spieler, sagen, dass Jan Gorr 24 Stunden am Tag Handball lebt. Gibt es eigentlich etwas, was Sie an dieser Sportart stört?Ehrlich gesagt relativ wenig. Ich finde, dass Handball eine unheimlich dynamische und deswegen attraktive Sportart ist, die dem Zuschauer einiges bietet und auch dem Trainer eine Menge an Einflussmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Im Endeffekt basiert Erfolg auf Teamleistung und die, die das verstanden haben und sich daran orientieren, kommen zu einer höheren Wahrscheinlichkeit zu guten Resultaten.
Schade ist, dass dem Verband nicht annähernd ähnliche wirtschaftliche Mittel wie im Fußball zur Verfügung stehen. Denn dann könnte man auch die Nachwuchsarbeit noch weiter forcieren und für die Nationalmannschaft noch bessere Spieler ausbilden. Dann würde es auch keine Alibis mehr geben, diesen jungen Spielern nicht mehr Einsatzzeiten in der ersten Liga einzuräumen.
Haben die Schiedsrichter während eines Spiels nicht zu viel Macht? Schließlich prägen Unparteiischen oft eine Partie maßgeblich.Der Spielraum für die Schiedsrichter ist in der Tat sehr groß. Aber wenn man sich überlegt, wie viele 50:50-Entscheidungen in einem Spiel vorkommen, machen es unsere Schiedsrichter in der Regel schon ziemlich gut. Vor allem die Gespanne aus den Spitzenligen zeigen relativ beständig gute Leistungen.
Dürfen sich die vielen Fans in Coburg erneut auf einen engagierten Trainer auf der Platte freuen, der über Schiedsrichter-Entscheidungen flucht und gleichzeitig seine Spieler liebevoll in den Arm nimmt? Oder reift ein Trainer mit der Zeit und wird eher ruhiger? Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass ein Trainer authentisch ist und in bestimmten Momenten emotional aber sachlich und in anderen eher ruhig und analytisch coacht. Es kommt eben auf die Spielsituation an. Ob an dieser Stelle das Alter eine Rolle spielt, werde ich vielleicht in einigen Jahren sagen können. Und dass man sich auch mit den Schiedsrichtern während dem Spiel austauscht, gehört einfach dazu. Mir ist es wichtig, von ihnen eine Rückmeldung zu bekommen. Dann kann man vieles besser verstehen. Und souveräne Schiedsrichter bekommen das sehr gut hin. Aus diesem Grund war ich schon oft als Referent auf Schiedsrichter-Lehrgängen des DHB eingeladen. Denn die Kommunikation zwischen Schiedsrichtern und Trainern bzw. Spielern muss im Sinne unserer Sportart einfach noch besser werden. Davon profitieren letztlich alle Beteiligten.
Wie erklären Sie sich das Phänomen "HUK-Arena"? Die Halle ist bei HSC-Spielen nahezu voll. Der Verein hat enorm viele Dauerkarten verkauft.Die Fan-Unterstützung in Coburg ist in der Tat herausragend. Handball hat hier einen besonderen Stellenwert und die Spiele vom HSC sind auch deswegen etwas Besonderes. Ich glaube aber auch, dass unsere Fans zusätzlich merken, dass unsere Mannschaft sich bis ans Maximum reinhängt und alles gibt. Und so einem Team verzeiht man auch weniger erfolgreiche Spiele. Und deswegen bin ich froh, dass wir tolle Charaktere in unserem Team haben, die in Sachen Einsatz vorbildlich sind. So wächst die Identifikation zwischen Mannschaft und Fans und das ist eine wichtige Grundlage für uns gerade im ersten Jahr in der neuen Liga.
Themawechsel. Sie müssen Ihren Job als Co-Trainer der deutschen National-Mannschaft wahrscheinlich abgeben. Wie sehr ärgert Sie das?Ob das wirklich so ist werden die nächsten Wochen zeigen. Fakt ist, dass ich als Co-Trainer von Martin Heuberger gearbeitet habe. Und sein Vertrag wurde nicht verlängert. Meiner Meinung nach sollte sich ein Trainer seine Co-Trainer immer selbst aussuchen. Wenn jetzt Dagur Sigurdsson sein eigenes Personal mitbringt ist das aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung. Durch seine Doppelbelastung als Füchse- und National-Trainer muss der Co-Trainer sicher zeitlich auch noch stärker verfügbar sein als bisher. Und da muss ich sagen, dass mir meine Aufgabe beim HSC mehr als genug Arbeit bietet und ich hier auch keine Abstriche machen werde.
Beneiden Sie den neuen Cheftrainer der Nationalmannschaft, Dagur Sigurdsson, um seine Aufgabe?Beneiden ist sicher nicht das richtige Wort. Aber die Bundestrainerposition ist die höchste Trainerstelle im deutschen Handball, er arbeitet mit den besten deutschen Spielern zusammen und hat eine junge und entwicklungsfähige Mannschaft. Das waren die schönen Seiten. Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, wie schwierig diese Aufgabe ist. Von daher wird er sicher eine ganze Menge Gespräche führen müssen und vor allem darauf hoffen, dass die Bundesligavereine ihn vollumfänglich unterstützen.
Wann stößt Deutschland wieder in die Weltspitze vor?Ich finde, dass die Entwicklung der Mannschaft, wenn man genau hinschaut, in den letzten Jahren in einigen Bereichen durchaus auch positiv war. Auch wenn gegen Polen letztlich zwei Tore gefehlt haben, hat Martin Heuberger durch mutige Personalentscheidungen viele talentierte Spieler in den Kreis der Nationalmannschaft geholt. Und diese Spieler werden sich in den nächsten zwei bis drei Jahren zu einem schlagkräftigen Nationalteam zusammenfinden.
Und hat der HSC Coburg die Mittel, das Umfeld und die Klasse in den nächsten Jahren in die 1. Liga aufzusteigen?Momentan erfüllen wir - von der Spielstätte abgesehen - die notwendigen Voraussetzungen dafür sicher nicht. Sowohl im sportlichen Bereich als auch in Sachen Rahmenbedingungen müssen wir uns dafür noch eine ganze Menge erarbeiten. Aber das ist doch ein ehrgeiziges Ziel und wir haben sehr motivierte Leute. Wichtig ist zunächst, dass wir uns sportlich Schritt für Schritt in Liga 2 zu recht finden, und dazu sukzessive die Rahmenbedingungen optimieren. Dieser "Weg der kleinen Schritte" ist zielführend und vor allen Dingen solide. Und deswegen pflegen wir eine realistische Sicht der Dinge. Aber Träumen ist trotzdem erlaubt...
Die Fragen stellte Christoph Böger