Sabrina hat Leukämie. Seit einem halben Jahr wird das Mädchen aus dem Landkreis Coburg in der Uniklinik Würzburg behandelt. Eine Kette aus bunten Perlen erzählt, was sie alles mitgemacht hat. Aber wenn alles gut läuft, kann sie im Sommer vielleicht wieder draußen spielen - dank einer Stammzellenspende aus Taiwan.
Jede der Perlen an Sabrinas Kette bedeutet etwas. Eine ist knallorange und sieht aus wie ein Kopf: Das ist der Chemo-Kasper. Er trägt eine grün-orange gestreifte Mütze, zwinkert frech und streckt die Zunge raus. In den Broschüren der Kinderkrebsstiftung jagt er die bösen Krebszellen. Sabrina hat verstanden, dass der Chemo-Kasper ihr hilft. Auch wenn er sie müde macht. So sehr, dass sie die Treppe nicht mehr hochkommt. Oder sie es nicht mehr schafft, sich alleine auszuziehen.
"Es war ein Freitag im Juli", erinnert sich Sabrinas Mutter Cindy Bogner an den Tag, an dem ihre "Welt zusammenbrach". Sabrina hatte furchtbare Bauchschmerzen, die Mutter ging mit ihr zum Kinderarzt. Nachdem er ihr Blut untersucht hatte, überwies er sie sofort in die Uniklinik Würzburg. Seitdem ist für die Familie aus dem Bad Rodacher Ortsteil Rudelsdorf (Kreis Coburg) nichts mehr, wie es vorher war.
Sabrina kam im Sommer auf die Kinderkrebsstation "Regenbogen" - dass sie erst kurz vor Weihnachten für ein paar Wochen am Stück nach Hause konnte, ahnte da noch keiner in der Familie.
Sabrina fiel auf der Station sofort auf, dass die anderen Kinder so schöne, lange Ketten haben. "So eine möchte ich auch", sagte die Neunjährige. Wie jeder Regenbogen-Patient bekam sie eine lange Schnur mit ihrem Namen in Buchstabenperlen. Bei jeder Behandlung, jedem Pieks, jeder Infusion erhält sie seitdem eine Perle. Einen Chemo-Kasper gibt's zu Beginn einer Chemotherapie. Bei den weiteren Infusionen des selben Chemo b lockes sehen die Perlen anders aus: "Das sind die hier!" Sabrina zeigt eine grün-weiße Scheibe mit orangefarbenem Rand. Einen kleinen grünen Kreisel gibt es, wenn ein Kind einen ganz schrecklichen Tag erleben musste. Die Kette gleitet durch Kinderfinger.
"Die rosane ist, wenn man Blut oder Thrombozyten kriegt." Thrombozyten? "Auch Blut. Aber das orange", erklärt die Neunjährige. Ihre Mutter ergänzt: "Blutplättchen. "Man muss so eine Krankheit kindgerecht erklären. So, dass sie nicht zu viel Angst bekommen." Chemo-Kasper und Perlenkette helfen dabei.
Häufigste Krebserkrankung bei Kindern" Sabrinas Kette ist jetzt über zwei Meter lang. Das Mädchen weiß inzwischen gut Bescheid: "Die Krankheit heißt Leu-kä-mie", erklärt sie. Dieser Krebs befällt das Knochenmark, in dem die Blutzellen gebildet werden. Die weißen Blutkörperchen vermehren sich unkontrolliert, es werden nicht mehr genug gesunde weiße und rote Blutzellen und Blutplättchen gebildet. Leu kämie ist die häufigste Krebserkrankung bei Kindern. Etwa 500 Mal wird die Diagnose jedes Jahr in Deutschland gestellt.
Mehr als 100 neuerkrankte Kinder werden jährlich in der Würzburger Kinderkrebsstation Regenbogen aufgenommen.
Sabrina sah dort zum ersten Mal Kinder ohne Haare. "Das sieht nicht schön aus." Sie zupft an ihrer Mütze. Bunt gestreift, wie die vom Chemo-Kasper. Sabrina hat sie selbst ausgesucht, als sie ihre langen blonden Haare verlor. Daran erinnert eine Perle in Form einer Basecap. Eine Schneckenperle fehlt Sabrina noch. Sie steht für eine Stammzellen-Transplantation. Einen Spender gibt es schon. "Aus Taiwan!", sagt ihre Mutter und klingt immer noch überrascht. Gesucht wurde seit Mitte November. Schon vor knapp zwei Wochen war ein Spender gefunden. "Sabrina wird zu 90 Prozent wieder gesund." Cindy Bogner lächelt ihr Kind an, nickt: "Wir schaffen das."
Kein Familienleben mehr Später, als Sabrina nicht mehr dabei ist, erzählt die Mutter auch von ihren Ängsten.
Von dem Zweijährigen, der an dem Tag, als Sabrina vor Weihnachten entlassen wurde, starb. Von Sabrinas kleinem Bruder Kevin, der nicht zu kurz kommen soll. Von einem Familienleben, dass seit einem halben Jahr nicht mehr existiere. "Die Elterninitiative leukämiekranker Kinder hat uns sehr geholfen." Bogners bekamen eine Elternwohnung und lernten andere Familien kennen. Ein Mädchen hat einen ähnlichen Krankheitsverlauf wie Sabrina. "Elena ist uns zwei, drei Monate voraus. Wir wissen, wie es bei ihr war. Dadurch können wir uns ungefähr darauf einstellen, was auf uns zukommt."
Cindy Bogner schaut schweigend durch die geblümten Vorhänge ihres Wohnzimmers in den Garten am Dorfrand. Die Zeit zu Hause ist vorbei. "Wir gehen wieder auf Regenbogen." Für die Stammzellen-Transplantation muss ein Venenkatheter gelegt werden. Eine Operation: weiß-blaue Kugel. Ein gelber Smiley: Geburtstag. Diese Perle bekommt Sabrina am Sonntag.
Sie hat viele Wünsche: im Sommer mit ihrer Freundin im Gartenversteck spielen. Salami essen dürfen. Am liebsten möchte Sabrina aber eine türkis-orange Blume für ihre Kette. Die bekommt sie, wenn die Behandlung abgeschlossen ist.
Ein Verein hilft Die Elterninitiative leukämie- und tumorkranker Kinder Würzburg unterstützt Familien krebskranker Kinder. Mit Spenden werden u.a. die psychosoziale Betreuung für Familienmitglieder finanziert, eine kinderonkologische Tagesklinik und acht Wohnungen, in denen die Eltern unterkommen, so lange ihr Kind im Krankenhaus ist.