Roland Kluttig ist ein gefragter Gastdirigent in Europa. Warum er dennoch seinen Vertrag als GMD am Landestheater bis Sommer 2016 verlängert hat, verrät er im Gespräch.
Ein scheinbar kleines Haus wie das Landestheater Coburg kann durchaus reizvolle künstlerische Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Welche Perspektiven er für sich und den traditionsreichen Musentempel am Schlossplatz sieht, erklärt Roland Kluttig.
Was hat den Ausschlag gegeben, Ihren Vertrag als GMD in Coburg zu verlängern?Roland Kluttig: Die künstlerische Arbeit hier ist wunderschön. Ich habe einen fantastischen Klangkörper, das Orchester, einen wunderbaren Chor. Dazu ist es uns gelungen, wunderbare neue Mitarbeiter zu verpflichten. Ich weiß, was ich hier künstlerisch in Coburg habe. Und ich weiß, dass ich in den bisher drei Jahren in Coburg als Dirigent viel besser geworden bin. Deshalb sprach einfach alles dafür, hier zu verlängern.
Im Grunde war es ein natürlicher Vorgang, diese Überlegungen in eine Vertragsverlängerung münden zu lassen. Dass der Vertrag zunächst bis Sommer 2016 läuft, heißt natürlich nicht, dass dann in Coburg Schluss sein muss für mich. Aber ich kann im Augenblick einfach nicht so lange voraus planen. Im fünften Jahr werden wir uns wieder zusammen setzen und entscheiden, wie es weitergeht.
Wie zufrieden sind Sie mit dem bislang Erreichten?Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass es nach drei Jahren möglich sein würde, Mahlers "Fünfte" so zu erarbeiten, wie das jetzt gelungen ist, dann hätte ich das nicht für möglich gehalten.
Es ist bewegend zu erleben, mit welcher Qualität das Orchester musizieren kann.
Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie in den nächsten Jahren für das Orchester?Wir haben einen enormen Schub an hervorragenden jungen Musikern im Orchester, die zur großen Leistungsbereitschaft im Orchester auch noch wertvolle künstlerische Erfahrungen mitbringen. Viele dieser jungen Musiker haben schon unter Dirigenten wie Abbado, Jansons, Haitink gespielt und bringen entsprechend künstlerische Ansprüche mit nach Coburg. Andererseits habe ich schon von Anfang an gewusst, dass es in diesem Orchester eine große Gruppe an sehr leidenschaftlichen Musikern gibt.
Wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit in Coburg in den nächsten Jahren?Meine Hauptaufgabe in den nächsten Jahren sehe ich darin, das zu konsolidieren, was wir bislang erreicht haben.
Schon das ist sehr, sehr schwierig. Die Mitmachkonzerte, die Compose-Projekte für Schüler, die wir anbieten, müssen noch viel regelmäßiger stattfinden. Das ist eigentlich noch viel zu wenig. Jeder sieht die Wichtigkeit diese Aufgabe, aber das hat sich noch nicht entsprechend in den Planungen festschreiben lassen. Die Kräfte, die an diesem Haus zur Verfügung stehen, gut strukturiert einzusetzen - das ist meine wichtigste Aufgabe in den nächsten Jahren. Wir haben viel auf den Weg gebracht in den letzten Jahren. Aber das muss nun konsolidiert werden.
Bei allem Augenmerk auf der Konsolidierung: Gibt es Bereiche, die Sie trotzdem noch neu erschließen wollen?Was noch fehlt, ist der Bereich zeitgenössischer Komponisten. Ich bin mit der neuen künstlerischen Leitung der Münchner Biennale im Gespräch, 2016 ein gemeinsames Projekt in München und Coburg zu stemmen.
Das wird sehr experimentell sein, auch die Außenanlagen werden dabei mit einbezogen sein - so viel kann man schon sagen. Dabei würde auch unser Haus in München präsent sein und umgekehrt München in Coburg. Das sind Projekte, die kann man nur mit Partnern gestalten.
Und dann freue ich mich schon jetzt auf die Wiedereröffnung der sanierten Morizkirche. Vielleicht schaffen wir es dann ja, zusammen mit Peter Stenglein wieder einen solchen Konzertmarathon zu gestalten wie jetzt mit Bruckner, Mahler und dem "War Requiem" von Britten. Bruckners "Achte" könnte ich mir da sehr gut vorstellen - auch das Verdi-Requiem würde ich sehr gerne einmal machen.
Sie haben "Eugen Onegin" und Verdis "Maskenball" als Wunschstücke genannt. Beide Wünsche konnten Sie sich schon erfüllen.
Was steht noch auf der Wunschliste des Operndirigenten Roland Kluttig?Ich träume von einem "Parsifal", "Tristan und Isolde" wäre schön, wenn wir das nach dem konzertanten Querschnitt auch szenisch machen könnten. Auch Strauss-Opern könnte ich mir vorstellen. Da bin ich mit Intendant Bodo Busse im Gespräch. Irgend etwas davon wird in den nächsten Jahren sicher kommen.
Gibt es Repertoirebereiche, die Sie gemeinsam mit dem Orchester noch weiter erschließen möchten?Wir sollten sehr viel Klassik spielen, aber auch die klassische Moderne berücksichtigen. Berg und Schönberg haben wir bislang wegen der langen Probenzeiten ausgelassen. Außerdem möchte ich gerne, dass das Orchester als Philharmonisches Orchester mit seinen großartigen Qualitäten noch bewusster wahrgenommen wird.
Da muss man schauen, dass das in die Planung entsprechend eingepasst wird.
Wie dringlich ist aus Ihrer Sicht das Thema Generalsanierung des Landestheaters?Die große Herausforderung für uns alle besteht darin, dass endlich ein Beginn der Sanierung absehbar wird. Es müsst bald mal einen Startschuss geben. Ich bin sicher, am Haus gibt es genügend kreatives Potenzial, um diese Zeit spannend zu überbrücken - angesichts der katastrophalen räumlichen Verhältnisse. In dieser Hinsicht ist die Geduld aller bald am Ende.
Im Rückblick auf die ersten drei Coburger Spielzeiten: Wie haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?Meine Erwartungen im künstlerischen Bereich sind in einem Maße eingelöst worden, wie ich das überhaupt nicht zu träumen gewagt hätte.
Aber im politischen Bereich, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für künstlerische Arbeit zu schaffen, bin ich oft am Verzweifeln. Man ringt diese künstlerische Qualität sehr schwierigen Bedingungen ab.
Eine Dirigentenkarriere in Stichworten Roland Kluttig wurde 1968 in Radeburg geboren, studierte an der Dresdner Musikhochschule und ist seit Herbst 2010 Generalmusikdirektor in Coburg. Neben seiner Arbeit am Landestheater gastiert Kluttig immer wieder bei nationalen sowie internationalen Orchestern, Ende September beispielsweise übernahm er bei den "Ostrava Days of New Music" die musikalische Leitung von Salvatore Sciarrinos Kammeroper "Lohengrin".
Dieses Werk wird Mitte März 2014 in der Regie von Intendant Bodo Busse seine Premiere am Landestheater feiern. Ende des Jahres gastiert Kluttig am Opernhaus Stuttgart, wo er die Uraufführung von Richard Eyres Oper "Peter Pan" dirigieren wird, und im Mai 2014 steht mit Adriana Hölszkys "Böse Geister" eine weitere Uraufführung am Nationaltheater Mannheim in seinem Terminkalender.