Hoffnung für die Hoffnungslosen kommt aus Neustadt

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Die Kinder haben sich herausgeputzt. Thomas Wolf (hinten Mitte) verteilt kleine Geschenke. privat
Die Kinder haben sich herausgeputzt. Thomas Wolf (hinten Mitte) verteilt kleine Geschenke. privat
Die kleine Khristyna weiß nicht wie krank sie wirklich ist. Dieter Wolf will mit dem Verein Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt helfen, dass sie medizinisch behandelt werden kann.privat
Die kleine Khristyna weiß nicht wie krank sie wirklich ist. Dieter Wolf will mit dem Verein Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt helfen, dass sie medizinisch behandelt werden kann.privat
 

Der Verein Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt holt Kinder aus der Katastrophenregion des Reaktorunglücks zur Erholung ins Coburger Land.

Etwa 500 Kinder aus der verstrahlten Ukraine erlebten auf Initiative und durch Finanzierung des Vereins "Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt, was Vorsitzender Dieter Wolf als "Freudentherapie" bezeichnet. Im Juni 2019 steht ein Jubiläum dieser Hilfsaktion im Ehrenamt an, das wohl einmalig ist. Die 20. Gruppe "Tschernobyl-geschädigte Kinder" wird eine vierwöchige Ferienfreizeit in Deutschland verbringen. Noch steht die Finanzierung dafür nicht. Doch 19 Mal hat es Dieter Wolf mit seinem Verein bereits geschafft. Er ist zuversichtlich.

Damit auch wirklich die bedürftigsten Mädchen und Buben in den Genuss dieses so dringend erforderlichen Erholungsaufenthaltes kommen, reisten die Vereinsmitglieder Edgar Belk, Thomas Wolf und Dieter Wolf sowie Dolmetscherin Oksana Dulia jetzt zum 43. Mal in die Katastrophenregion, um 20 Kinder auszusuchen. "Die Entscheidung, welche Kinder dabei sein dürfen, ist immer das Schwerste", sagt Dieter Wolf.

Schon die Anreise wurde für die vier Helfer zu einer Probe für ihre Nerven. Verspätung des ICE nach München, Tumult am Flughafen und nach der Landung Angst, Probleme zu bekommen, weil sie eine gigantische Menge an Bratwürsten einführten - was natürlich streng verboten ist.

Bittere Begegnung

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Am Ankunftstag in Kiew freuten sich die auf ein Wiedersehen. Sie treffen drei ehemalige Gastkinder - inzwischen junge Mütter. Doch die Freude wird getrübt. Wolf: "Da erfahren wir, dass Tanya von ihrem Ehemann geschlagen wird, der Ehemann von Katja erst in zwei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird und das schwerbehinderte Kind von Yana vor wenigen Tagen verstorben ist. Wir schlucken gewaltig." Ein trüber Auftakt für eine Reise, die die vier Neustadter Helfer in fünf Dörfer führt, um die von ukrainischer Seite vorgeschlagenen 42 Kinder in ihren Hütten und Behausungen aufzusuchen und uns ein Urteil darüber bilden zu können, welches Kind wir letztlich einladen werden.

Rund 1000 Kilometer legen sie dabei zurück, auf Straßen, die oft diese Bezeichnung kaum verdienen. Mütter flehen sie an, doch auch ihr Kind mitzunehmen. Doch die Zahl bleibt eben begrenzt. Ablehnen zu müssen, tut den Helfern in der Seele weh. Doch es geht nicht anders, auch wenn jedes einzelne Schicksal, das sie erfahren schrecklich ist. Dieter Wolf muss einen Sohn Thomas trösten: "Wir können die Welt nicht retten, aber wir können im nächsten Jahr immerhin 20 Kinder zu uns einladen."

Sie befinden sich in der Region um Vysozk in der Nord-Ukraine. Sie war 1986 von besonders schweren radioaktiven Niederschlägen betroffen. Empfangen werden sie dort herzlich von vielen ehemaligen Gastkindern und Familien am Dorfplatz.

Dann beginnt die schwere Tour zu den Kindern, die ausgesucht werden sollen. Dieter Wolf stellt fest: "Auch 43 Ukraine-Reisen sind keine Routine, 43 mal Schock und Entsetzen, 43 mal Tränen in unserer Reisegruppe, aber vor allen Dingen dann bei den Müttern und Großmüttern, deren Kinder wir nicht zu uns nach Deutschland einladen. Wir wissen und kennen das und versuchen damit fertig zu werden."

Es ist der Dank der Menschen vor Ort, der die Helfer ermutigt weiterzumachen. Dank für Hilfe bei der Renovierung von Schulen, Kindereinrichtungen, Krankenstationen. Oder der Dank für den Erfolg von medizinischen Behandlungen, die mit Geld aus Deutschland möglich wurden.

Ein Schicksal, das berührt

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"Mit gemischten Gefühlen sah ich dem Treffen mit der inzwischen siebenjährigen krebskranken Khristyna entgegen", beginnt Dieter Wolf ein Schicksal zu schildern, das als Beispiel dienen kann für das Los vieler Kinder in der Katastrophenregion um Tschernobyl.

Khristynas zehnjährige Schwester Kateryna war im Jahr 2017 im Coburger Land zu Gast. Zu dieser Zeit wusste Kateryna noch nicht, dass ihre damals sechsjährige Schwester an Gebärmutterkrebs erkrankt ist. Das wurde bei einer Blindarmoperation festgestellt. Es folgten Hilferufe von der alleinerziehenden Mutter.

Auf Fotos nur ohne Haare

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"Bei unserer Ankunft ist mir immer wieder ein kleines Mädchen mit hübscher Frisur aufgefallen, welches mich fortwährend angeschaut hat. Dann sagte jemand, dass dieses Mädchen die schwer krebskranke Khristyna sei, die sich bei mir für die zwischenzeitlich eingeleitete finanzielle Unterstützung der Krebsbehandlung bedanken möchte" berichtet Wolf. Er kannte das Mädchen von Fotos - nur ohne Haare. "Ich musste mich abwenden und die Tränen abwischen", beschreibt er die Begegnung. Die Neustadter Helfer versprachen, dass sie am nächsten Tag das kranke Kind zu Hause besuchen würden, um Näheres über ihren Gesundheitsstand zu erfragen. Für Wolf und seine Mitstreiter aus dem Verein wurde der Besuch zu einem schockierenden Erlebnis.

"Was wir am nächsten Morgen erfahren haben, das geht mir nicht aus dem Kopf: Es wurden weitere schlimme Sachen in ihrem kleinen Körper entdeckt! Während mir das unsere Dolmetscherin übersetzt, spielt und scherzt Khristyna mit mir, sitzt auf meinem Schoß und lacht; sie ahnt nichts von ihrem schweren Schicksal... ." Dem Kind wurden weitere Organ-Proben entnommen, die zur Untersuchung nach Deutschland geschickt wurden. Das muss alle drei Monate geschehen. Das Jahreseinkommen einer Familie in dieser armen Region reicht nicht für eine einzige dieser Untersuchungen, weiß Dieter Wolf. Für ihn und seine Mitstreiter steht daher fest: "Die Tschernobyl-Kinderhilfe wird die kleine Khristyna weiterhin unterstützen."

Belastung für die Helfer

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Das Schicksal dieses Mädchens und vieler ihrer Altersgenossen, überhaupt die furchtbaren Umstände unter denen Kinder in der verstrahlten Region leben, das alles lässt die Helfer aus Neustadt nach ihrer Heimkehr oft lange nicht mehr los. Dieter Wolf beschreibt es so: "Nach unserer Rückkehr aus der Ukraine sind wir alle erst einmal in ein tiefes Loch gefallen, Tränen, Gedanken - der hiesige Alltag war uns egal. Aber es muss weitergehen! Unsere Hilfe muss weitergehen."

So zermürbend das Erlebte ist, bestätigen Erfolge die Schar um Dieter Wolf darin, nicht aufzugeben. Sie sehen immer wieder eine positive Entwicklung bei Kindern, die einmal hier in Deutschland waren. Sie können in Dörfern etwas verbessern oder Kindern medizinische Versorgung ermöglichen. Dieter Wolf: "Uns ist bewusst, dass wir die Welt nicht verändern können, aber wir können mit all den uns zur Verfügung stehenden Kräften einigen verzweifelten Müttern und ihren Kindern in der Ukraine helfen! "

Der Weg zur Hilfe

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Spendenkonto Wer den Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt e.V. finanziell unterstützen möchte, kann das über folgende Bankverbindung tun.

Sparkasse Coburg-Lichtenfels, Spendenkonto 373 555 und BLZ 753 500 00

IBAN: DE68 7835 0000 0000 3735 55

BIC: BYLADEM1COB red

Einen weiteren Artikel zur Arbeit des Vereins Tschernobyl Kinderhilfe finden Sie hier.