Mordprozess beginnt in Coburg mit Verständigungsproblemen

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Maria S. (Mitte), hier mit ihrem Verteidiger Joachim Voigt, spricht brasilianisches Portugiesisch. Die Angeklagte beherrscht zwar auch Deutsch, dennoch hat sie während der Verhandlungen eine gerichtlich bestellte Dolmetscherin an ihrer Seite. Foto: Ronald Rinklef / CT-Archiv
Maria S. (Mitte), hier mit ihrem Verteidiger Joachim Voigt, spricht brasilianisches Portugiesisch. Die Angeklagte beherrscht zwar auch Deutsch, dennoch hat sie während der Verhandlungen eine gerichtlich bestellte Dolmetscherin an ihrer Seite. Foto: Ronald Rinklef / CT-Archiv

Weil die Angeklagte Maria S. brasilianisches Portugiesisch spricht, vermutet ihr Verteidiger Verständigungsprobleme mit dem ersten Dolmetscher.

Wie groß ist der Unterschied zwischen europäischem, brasilianischem und afrikanischem Portugiesisch? Gibt es überhaupt einen? Diese Fragen beschäftigten gestern die Dritte Strafkammer am Landgericht Coburg. Am mittlerweile achten Verhandlungstag des Mord-Prozesses ging es um die Muttersprache der Angeklagten Maria S.. Die 43-jährige Brasilianerin soll - gemeinsam mit drei weiteren Angeklagten - für den Tod ihres Lebensgefährten Wolfgang R. verantwortlich sein.

Als Zeuge war gestern ein gebürtiger Angolaner geladen, der bei zwei Aussagen der Brasilianerin kurz nach der Tat im Dezember 2013 bei der Polizei sowie beim Haftrichter in Kronach übersetzt hatte. In Angola, einst portugiesische Kolonie, ist Portugiesisch Nationalsprache, für den Zeugen, der 1991 aus Angola nach Deutschland übersiedelte, ist es die Muttersprache.


Aussagen nicht zu verwerten?

Joachim Voigt, dem Verteidiger von Maria S., ist das nicht genug. Er ist der Meinung, dass die sprachlichen Unterschiede zwischen angolanischem und brasilianischem Portugiesisch so gravierend sind, dass die Aussagen seiner Mandantin, die in Zusammenarbeit mit dem Dolmetscher aufgenommen wurden, nicht verwertbar seien. Zumal dieser kein Portugiesisch studiert habe, wie der Anwalt betonte. Zunächst widersprach Voigt deshalb der Verwertung. Ein Beweisantrag, in dem ein Gutachten über die Sprachunterschiede gefordert wird, soll folgen.

Laut dem Zeugen sind diese aber längst nicht so groß, wie der Verteidiger annimmt. "Wir haben uns sehr gut verstanden", antwortete er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Ulrike Barausch, wie denn die Verständigung mit Maria S. seinerzeit gelaufen sei. "Brasilianisches Portugiesisch ist nur von der Betonung her anders", erklärte der Dolmetscher. Die Begriffe seien aber bei beiden Sprachfärbungen gleich. "In Angola sprechen wir Portugiesisch aus Portugal. Es gibt dort natürlich auch Dialekte, aber wir trennen das vom Hochportugiesischen", so der Zeuge.

Voigt ließ sich jedoch nicht beirren. Wie oft er denn für die Polizei übersetze, wollte der Anwalt vom Zeugen wissen. Das sei unterschiedlich, wenn er eben Zeit habe, sagte der. Schließlich arbeite er hauptberuflich als Lagerist. 2013 habe er vielleicht in zwei oder drei Verfahren übersetzt. "Also relativ wenig", schloss Voigt daraus.

Für Oberstaatsanwalt Martin Dippold ist die Frage nach der Sprachfärbung überhaupt nicht von Bedeutung. "Maßgeblich ist doch nicht, ob die Personen die gleichen Dialekte sprechen, sondern dass sich die beiden verstanden haben." In den entsprechenden Protokollen deute jedenfalls nichts darauf hin, dass dem nicht so gewesen sei, betonte Dippold.

Abgesehen von den Sprachkenntnissen der Beteiligten stand gestern auch die Persönlichkeit der Angeklagten Paul K. und Peter G. im Mittelpunkt. Die Gutachter Karoline Pöhlmann (Psychologin) und Cornelis Stadtland (Facharzt für forensische Psychiatrie) hatten die beiden Männer nach der Tat untersucht.

Paul K., geboren und aufgewachsen in Hildburghausen, hat den Gutachtern eine "schöne Kindheit und Jugend" beschrieben. Er hat den Realschulabschluss und eine Ausbildung zum Mechatroniker abgeschlossen. Mit 13 Jahren kam er zum ersten mal in Kontakt mit Alkohol. Der Konsum steigerte sich über die Jahre bis hin zu "erheblichen Mengen". Zwei bis vier Flaschen "Jack Daniels" am Tag seien keine Seltenheit gewesen, so Stadtland. Auch am Tattag habe er getrunken. Laut Gutachter gibt es keine neurologischen Auffälligkeiten oder psychiatrische Erkrankungen.

Den älteren Peter G. beschreibt Pöhlmann als freundlich und kooperativ. Insgesamt habe er auf sie aber deutlich niedergeschlagen gewirkt. Er sei eher "ein Mensch, der von heute auf morgen lebt", sagt die Psychologin. "Er hat das Gefühl, dass er zu kurz kommt und dass andere ihm etwas schulden."

Im Gegensatz zu Paul K. hatte Peter G. keine schöne Jugend, berichtete Stadtland. "Es gab von beiden Eltern Schläge, wenn er Mist gebaut hatte." Der Gutachter bescheinigt dem 47-Jährigen eine "dissoziale Persönlichkeitsstörung" - bereits seit seiner Kindheit habe er immer wieder bei Problemen mit der Gesellschaft "unangepasste Verhaltensweisen" gezeigt.

Wer ist wer im Prozess?

Wolfgang R., ehemals Orchestermusiker am Landestheater Coburg, wurde in der Nacht zum 12. Dezember 2013 in seinem Haus im Beiersdorfer Eichenweg getötet. Der 66-Jährige starb durch massive Tritte und Schläge vor allem gegen Kopf und Oberkörper. Für die Tat wurden Paul K. und Peter G. verurteilt.

Maria S. ist die ehemalige Lebensgefährtin des Opfers und noch immer mit Helmut S. verheiratet. Die 43-jährige Brasilianerin betrieb seit Mitte 2013 das "Clou" in Coburg. Sie wurde im ersten Prozess zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Paul K. und Peter G. zur Tat angestiftet hat.

Helmut S. ist der Noch-Ehemann von Maria S.. Der 59-Jährige hatte bis zu seiner Festnahme bei Maria S. im "Clou" gearbeitet. Er erhielt für die Anstiftung zur Tat ebenfalls sieben Jahre Gefängnis.

Paul K. Der 25-jährige Thüringer soll gemeinsam mit seinem 47-jährigen Bekannten Peter G. aus Coburg Wolfgang R. getötet haben. Die Erste Große Strafkammer am Landgericht Coburg hatte die beiden Männer, die zeitweise dem Rocker-Milieu angehörten, 2015 wegen Totschlags zu je dreizehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der BGH hob das Urteil auf. Im neuen Prozess soll geklärt werden, ob die Tat nicht doch als Mord geahndet werden muss.