Geheime Tanzkräfte in Coburg

2 Min
Der neue Tanzabend im Landestheater Coburg bringt erstaunliche Ansichten. Fotos: Henning Rosenbusch
Der neue Tanzabend im Landestheater Coburg bringt erstaunliche Ansichten.  Fotos: Henning Rosenbusch
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Drei mitreißende Choreografien füllen den ersten großen Tanzabend dieser Saison im Landestheater Coburg. Im Kontrast von Klassischem und Freiem gehen dem Zuschauer Augen und Seele auf.

So ein reicher, freier, vielseitiger Abend des Tanzes. Mit "Secret Affairs" bietet das Landestheater drei neue Tanzstücke von Choreografen aus eigenem Haus, bei denen die kreative Findungskraft, der hohe Standard des Ensembles und die Macht, Publikum in andere Welten zu versetzen, zu erleben ist. Das zahlenmäßig unverständlicher Weise viel zu schmale Premierenpublikum applaudierte, feierte die Coburger Compagnie am Samstag ausdauernd.

Tara Yipp, Po Sheng Yeh und Ballettchef Mark McClain erweisen sich in dieser üppigen Produktion als faszinierende Schöpfer in der Körperkunst des Tanzes. Dabei wirkt gerade im Kontrast der unterschiedlichen Bewegungssprachen das Vertraute des klassischen Tanzes erstaunlich neu.

Ballettmeisterin Tara Yipp lässt in ihrem hinreißenden, witzig dramatischen "Concerto" die Tänzer zu Musikinstrumenten eines Orchesters werden. Den Schwung von Mozarts Klavierkonzert d-Moll KV 466 übernehmen sie auf rollenden Hockern. Die ermöglichen ihnen, sich blitzartig zu formieren, ineinander zu breschen, sich im Strömen der Streicher wieder exakt auszurichten. Ein Bild für Götter, wie sie da mit flatternden Frackschößen und vorne weiß-schlappernden Hemdchen über den nackten Beinen in der eigenen Wichtigkeit vergehen.


Kontrast der Tanzsprachen

In der temporeichen Choreografie agiert das Ensemble mitreißend präzise, schlüpft nicht einfach nur in die typischen Bewegungen von Orchestermusikern, sondern spiegelt immer wieder eben auch den Klang der Instrumente wider. Tara Yipp hat ihre Ausdruckskraft in eigener Typik aus dem Klassischen schon so weitergeführt, dass der Zuschauer in Frische und Einfallsreichtum mitfliegt.

Im Mittelpunkt des humorvoll betrachteten Orchesterinnenlebens ereignet sich der Überheblichkeitsexzess des Pianos, den Eun Kyung Chung, Po Sheng Yeh, Takashi Yamamoto und Federico Frigo als Solisten zelebrieren mit oftmals verblüffend in Körperbildern umgesetzter Musikalität. Federico Frigos Parodie des furiosen Pianisten, die sich verselbständigenden Hände, wüst durch die Haare raufend, die schockhaft aufgerissenen Augen - satirisch treffend, herrlich.

Großer staunenswerter Kontrast dann mit Po Sheng Yes "Trance". In der fremdartigen Klangwelt der aserbeidschanischen Komponistin Frangis Ali-Sade, in die das Kronos-Quartett diejenigen führt, die offen sind für neue Musiksprachen, ist die Macht der Bewegung zu spüren, wie sie gänzlich jenseits der klassischen europäischen Prägung zu finden ist.

Der Taiwanese Po Sheng Yeh dringt ein in die spirituelle Suche eines Menschen, äußerlich markiert durch einen nicht wirklich hellen Lichtkegel. In schwarzen Mänteln trippelnd, fließt das Ensemble als amorphe Forma tion durch den Raum. Wild, ekstatisch, meterlange weiße Ärmel zeichnen Kreisspuren ins Dunkel. Am Ende steht der Sucher wieder allein in seinem düsteren Lichtkegel.


Zarte, zauberhafte Klassik

An den Schluss des Abends dann ist Mark McClains Erkundung des klassischen Tanzes unter anderen musikalischen Bedingungen gesetzt. Er entwickelt in "Caged" ein spannendes Spiel zwischen Vertrautheit und Verfremdung.

Der aus Kuba stammende Komponist Leo Brouwer hat Beatles-Hits in klassisches Orchester transkripiert (womit er nicht der einzige ist), im Stile großer Komponisten wie Strawinsky, Wagner oder Hindemith. Der schwedische klassische Gitarrist Göran Söllscher wiederum hat die Beatles in den Tango entführt. Unter diesen Klangbildern wirkt der klassische Tanz von Mark McClain erstaunlich frisch. Gerade nach dem zuvor erlebten blickt man mit neuer Berührung auf McClains klassische Eleganz. Zart und zauberhaft wirkt das Ganze. Das Artifizielle des klassischen Balletts und die rhythmische Strenge des Tango liegen ohnehin nicht weit voneinander entfernt.

Eriko Stock und Takashi Yamamoto verschmelzen im hinreißenden Pas de deux. Wie überhaupt das ganze Ensemble solistisch wie im Corps Erstaunliches leistet an diesem Abend, allein kraftmäßig in drei anspruchsvollen Choreografien.

Landestheater Coburg
Secret Affairs. Ballett-Abend mit Choreografien von Mark McClain, Tara Yipp und Po-Sheng Yeh zu Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, Frangis Ali-Sade und Beatles-Bearbeitungen. Bühnenbild und Kostüme Susanne Wilczek, Dramaturgie Renate Liedtke.

Weitere Termine: 3., 11., 16., 18., 27. Dezember, 19.30 Uhr im Großen Haus.