Fritz Reheis fordert ein neues Verständnis von Nachhaltigkeit. In seinem Buch "Die Resonanzstrategie" ermutigt er zu einem guten Leben im Zeitwohlstand.
Er hat die Turboschule angeprangert und Entschleunigung auf allen Ebenen gefordert. Fritz Reheis ist ein Revoluzzer unserer Zeit. Der promovierte Soziologe und habilitierte Erziehungswissenschaftler sitzt auf seinem schattigen Balkon in Rödental, trinkt Wasser und schwarzen Kaffee, den er sich nach seinem Mittagsschlaf verdient hat. Sein Geist ist wach, hellwach. Die Themen der Zeit treiben ihn um. "Die Resonanzstrategie" heißt sein aktuelles Buch, in dem er ein neues Verständnis von Nachhaltigkeit fordert. Er will uns ermutigen, das gute Leben nicht am Geld-, sondern am Zeitwohlstand auszurichten.
"Zeit ist Geld" sei eine falsche Formel, ist sich Reheis sicher. Er will sie durch "Zeit ist Leben" ersetzen. Im Gespräch erläutert er auch, wie das gehen kann - zum Wohle des einzelnen, aller und letztendlich dieser Welt, die vom Wachstumszwang und dem Mantra "schneller, höher, weiter" bedroht ist.
Immer schneller produzieren, transportieren, kommunizieren wir. Immer höher wachsen die Berge von Gütern, Müll und Daten, die Vermögen und die Schulden. Immer weiter greifen wir in die Welt ein, die äußere und die innere. Wir steigern fast alles, was uns in die Finger kommt. Aber wohin führt das? Reheis sieht in dieser Überschreitung von Grenzen die Gefahr, dass Stabilität verloren geht. "Auf der Suche nach einer Begrenzung und damit einer Neuausrichtung des Fortschritts hilft die Resonanz", so seine These. "Wir sind als Menschen durch und durch auf Resonanz angewiesen: Wenn wir uns anderen Menschen mitteilen, erwarten wir Verständnis. Wenn wir uns anstrengen Anerkennung, wenn wir lieben Gegenliebe", erläutert der 70-Jährige in einem Essay für den Mannheimer Morgen. Resonanz sei aber auch für unsere Beziehungen zur natürlichen Umwelt unverzichtbar. Auch hier erwarten wir, dass sie uns, wenn wir sie pfleglich behandeln, einen sicheren Raum zum Leben und Früchte als Nahrung bietet.
Ins Gleichgewicht kommen
"Wo Resonanzen trotz aller Bemühungen ausbleiben, drohen böse Überraschungen", ist Reheis überzeugt. Er nennt Beispiele von Gewaltausbrüchen, wenn verzweifelte Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten nicht gehört werden, oder wenn die Natur "zurückschlägt" , in dem Böden austrocknen, Gletscher schmelzen, Tierarten aussterben.
"Genau deshalb ist es so wichtig, wieder ins Gleichgewicht zu kommen, in Resonanz", ist der ehemalige Gymnasiallehrer sicher.
Sich Zyklen (Tag und Nacht), Rhythmen (Jahreszeiten), Schwingungen (atmen) wieder bewusst werden, mit ihnen, statt gegen sie zu leben, sei der Schlüssel für ein nachhaltiges Leben. Für ihn heißt das, das Leben so zu organisieren, dass genug, für jeden und immer zur Verfügung steht.
Genug heißt weder zuviel noch zu wenig. Für jeden bezieht er auf die soziale Gerechtigkeit, auf den Ausgleich von geben und nehmen. Und für immer sagt, dass für nachfolgende Generationen genug da ist. In diesem Zusammenhang zitiert Reheis gern Dietrich Pax vom Gärtnerhof Callenberg, der das Prinzip der Nachhaltigkeit seit vielen Jahrzehnten praktiziert: "Nachhaltig bedeutet, dass alles beliebig wiederholt werden kann."
Das ist alles sehr schön von Herrn Reheis gesagt und geschrieben - aber wirklich neu ist das ja nun wirklich nicht, was er seinen Lesern da erzählt. Herr Reheis ist ja promovierter Soziologe und gerade als solchem sollte ihm doch bestens vertraut sein, daß die Verhältnisse nicht so sind, daß sie seinen doch eher esoterisch anmutenden Vorstellungen wirklich entgegenkommen könnten. Zeitautonomie zu bekommen heißt in der real existierenden Gesellschaft von heute nun einmal nichts anderes als sie sich mühsam und zäh zu erkämpfen und das vor allen Dingen: sie sich kollektiv zu erkämpfen. Leider lese ich davon bei Hern Reheis absolut gar nichts und er sagt auch kein Wort dazu, was die Leute - wenn sie die Zeit für sich denn gewonnen hätten - mit ihr anfangen, denn das ist ein großes Problem, da diese freie Zeit doch wohl nicht als konsumaffige "Freizeit" betrachtet werden soll. Wenn ich auf diese Fragen Antworten bekommen möchte, dann lese ich doch lieber die inhaltsreicheren Ausführungen zu diesem Thema von Oskar Negt als das Geschwurbel von Herrn Reheis. Herr Reheis postuliert "revoluzzerhaft" einen notwendigen Zeitbedarf und läßt gleichzeitig geradezu begierig mitteilen, er sei in sechs unterschiedlichen Vereinigungen und Arbeitskreisen aktiv. Was soll man dazu sagen ? Wohl doch dies: si tacuisses philosophus mansisses.
Aber gnädige Frau, hier handelt es sich schließlich um einen Professor!
Denken Sie an Heinrich Heine:
Zu fragmentarisch ist Welt und Leben!
Ich will mich zum deutschen Professor begeben,
Der weiß das Leben zusammenzusetzen,
Und er macht ein verständlich System daraus;
Mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen
Stopft er die Lücken des Weltenbaus.