"Essen auf Rädern" ist ein Dienst, der künftig wohl mehr Zulauf erhalten wird.
Anfang des Monats hat das BRK
Coburg seine Lieferungen mit warmen Essen eingestellt. Der Mindestlohn und viele Vorschriften, etwa zur Hygiene, hätten eine Finanzierung schwierig gemacht, erklärt Andre Kohles, Koordinator für den Menüservice.
Die Kunden erhielten die Information per Post und die Möglichkeit, auf Tiefkühlkost umzusteigen oder einen alternativen Service zu benutzen. Davon gibt es mehrere im Raum Coburg und sie werden in Zukunft wohl an Bedeutung gewinnen, denn die Bevölkerung wird immer älter, sagt etwa das Bayerische Landesamt für Statistik voraus.
Seit 16 Jahren fährt Gaby Apfel (61) nun schon für den Arbeiter-Samariter-Bund, kurz ASB, durch Coburg und verteilt Essen. Ursprünglich kommt die gelernte Arzthelferin aus Münchberg im Landkreis Hof, aber aus familiären Gründen ist sie einst hierher gezogen. Als ihr Sohn ein Praktikum beim ASB machte, sei sie auch auf den Fahrdienst gestoßen und seitdem beliefert sie verwitwete Männer, gebrechliche Menschen oder auch junge Leute, die im Rollstuhl sitzen, sagt sie. "Man macht es ja gern", drückt sie ihre Hingabe zu ihrem Beruf aus, "und die Leute freuen sich ja auch." An viele von ihnen habe sie sich in all der Zeit schon gewöhnt. Sie sieht sich dabei auch als "halbe Betreuerin", sagt sie, denn viele Kunden würden ihr oft "das Herz ausschütten". Für einige Kunden "sind wir ja auch die Seelsorger", findet Apfel.
Bloß nicht zu Hause sitzen
Etwa dreieinhalb bis vier Stunden arbeitet sie pro Tag, auch am Wochenende und an Feiertagen. Bei ihrer Tour kommt sie dabei auf eine Strecke von 40 Kilometern. Manch einer ihrer Kollegen schafft sogar das Doppelte, erzählt sie.
Am Vormittag treffen sich die Fahrer auf dem Parkplatz nahe der Geschäftsstelle. Unter ihnen auch Rentner, erzählt Apfel, die einfach nur aus Spaß diesen Job machen, weil sie nicht untätig zu Hause sitzen wollen. Die Stimmung ist gelassen, es wird geplaudert und gelacht. Kurz vor halb elf setzt sich die Kolonne aus fünf Wagen Richtung Klinikum in Gang, um von da die Speisen abzuholen. Dort angekommen, fährt ein Krankenhausmitarbeiter die blauen Styroporboxen in einem Wagen heraus. "Jetzt fängt der Stress an", sagt einer der Fahrer und schon stürzen sich alle auf die Kisten mit dem Essen darin. Sie sind in drei Farben markiert, für die drei Menüs, die zur Auswahl stehen. Eine grüne, drei rote und 14 blaue Boxen lädt Gaby Apfel in ihren Kofferraum.
Dann setzt sie sich ins Auto und beginnt ihre Tour in und um die Vestestadt. Der erste Halt ist in Eicha. Ein Holzgartenzaun grenzt den Garten von der Straße ab. An ihm hängen Warnschilder vor Hunden, genauso wie an der Haustür. Der angesprochene Vierbeiner ist aber bereits verstorben, weiß Apfel. Nachdem sie geklingelt hat, dauert es ein bisschen, bis sich die Tür öffnet. Ein älterer, etwas kauzig wirkender Herr mit Krückstock steht darin. Im Hausflur hat er bereits die Box vom Vortag bereitgestellt, damit die ASB-Fahrerin sie gleich wieder mitnehmen kann. Die beiden begrüßen sich freundlich und fragen nach dem gegenseitigen Befinden. Dann muss Apfel auch gleich wieder weiter, um nicht in Verzug zu geraten. Sonst würden sich manche ärgern, wenn ihr Essen zu spät kommt, erzählt sie, auch wenn sich das manchmal dennoch nicht vermeiden lässt.
Lebensretter auf Rädern
Danach reist sie weiter nach Witzmannsberg. Auf einem Tisch auf der Terrasse steht eine Plastiktüte mit einer leeren Essensbox. Apfel erkennt sofort: Die Kundin ist nicht zu Hause, "wahrscheinlich ist sie einkaufen", glaubt sie. Sie stellt das bestellte Menü auf den Tisch und zieht weiter, denn der Akku, der sich unter dem Hauptgericht befindet, kann das Essen einige Zeit warm halten. Jedoch sei es nicht immer ein gutes Zeichen, wenn ihr niemand öffnet. Es kann vorkommen, dass etwas passiert ist. In solchen Fällen verständigt sie die Zentrale um nachzuforschen. Zusätzlich müssen alle Fahrer regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse machen, um eingreifen zu können. Sie selbst habe solche Situationen schon erlebt, erzählt sie. Einmal hat eine Kundin nicht geöffnet. Der Notarzt, den sie gerufen hatte, stellte dann einen Schlaganfall bei der Dame fest.
Die dritte Station ist Triebsdorf. Im kleinen Örtchen blöken aus der Nachbarschaft ein paar Schafe. In einem großen Haus mit einer auffälligen roten Haustür wohnt Günther Müller. Im Flur des 83-Jährigen hängen ein paar moderne Bilder, die große Einbauküche sieht sauber und gepflegt aus. Auf den alten, rustikalen Esstisch stellt Gaby Apfel das Menü. Vor acht Jahren hat er seine Frau verloren, erklärt Müller. Von da an musste er allein zurecht kommen. Sie hat immer für ihn gekocht. Anfangs hat er es noch selbst versucht, aber er kochte immer zu viel für einen Einzelnen. Seine Tochter hat ihm vorgeschlagen, Essen auf Rädern auszuprobieren. Seitdem bestellt er jeden Tag, erzählt er. Außer Samstags, da geht er lieber in die Stadt und isst dort zu Mittag. Heute gibt es eine Forelle, für morgen steht eine Hänchenbrust auf dem Speiseplan und Sonntags bevorzugt er einen Braten mit Klößen, sagt Müller.
Keine Geschäfte und kein Bus
Manchmal greift er aber doch noch selbst zum Kochlöffel und bereitet sich einfache Gerichte, wie Suppen, Eier oder auch mal ein Steak zu. Dennoch sei der Lieferdienst für ihn ein Segen, denn "die Beilagen, wie Gemüse, könnte ich gar nicht machen." Außerdem sei es auch angenehmer. Geschäfte gibt es in der Nähe nicht und ein Bus fährt auch nicht in die Stadt. Sein Auto, das noch in der Garage neben dem Haus steht, benutzt er auch immer weniger. Daher gebe es für ihn nur wenige andere Möglichkeiten. "Die einzige Alternative wäre eine neue Frau, aber die kommt nicht", verrät er mit einem lauten Lachen.
Nachdem Gaby Apfel ihren Besuch beendet hat, steigt sie wieder ins Auto. Bis halb zwei wird sie heute noch unterwegs sein. Ein Ende ihrer Fahrerei sieht sie allerdings noch nicht voraus. Sie will über die Rente hinaus weiterarbeiten, "wenn ich fit bleibe", betont sie. Sie kann sich einfach nicht vorstellen nur zu Hause zu sitzen.