Coburg
Technikgeschichte
Erstes Elektroauto der Welt kam aus Coburg
Andreas Flocken, Fabrikant in Coburg, entwickelte das erste Elektroauto der Welt. Dass es funktioniert haben muss, hat ein Tüftler aus Marktoberdorf mit einem Nachbau bewiesen.

Das Deutsche Museum verwahrt in seinem Archiv diese Aufnahme von Andreas Flocken und seiner Frau im Flockenwagen von 1903. Das Modell ist viel ausgereifter als das erste, das 1888 entstand. Von den älteren Modellen existieren im Archiv des Deutschen Museums zwei weitere Fotos. Sie zeigen Flocken in seinem Elektromobil in Coburg, sind aber von schlechter Qualität. Foto: Deutsches Museum
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Das letze Viertel des 19. Jahrhunderts: Gründerzeitstimmung in Coburg. Im Bahnhofsviertel entstehen neuen Häuser und Fabrikgebäude, zu beiden Seiten des Hofgartens neue Villen. Neue Erfindungen verheißen neue Sprünge in Sachen Produktivität und Komfort. Einer derjenigen, die mit den neuen Technologien experimentieren, ist der Coburger Unternehmer Andreas Flocken.
Zuerst baut Flocken landwirtschaftliche Maschinen
Er stellt landwirtschaftliche Maschinen her. 1880 hat der gebürtige Pfälzer ein Grundstück in der Callenberger Straße (heute Nr. 15) erworben und dort seine Maschinenbaufabrik errichtet. Schon 1885 erweitert er und kauft die gegenüberliegende Dampfsägemühle mit Wohnhaus gegenüber seinem Grundstück (heute Callenberger Straße 12 und 14). 1888 gliedert Flocken seinem Unternehmen eine Abteilung für Elektrotechnik an.
Bleiplatten-Batterien lieferten die Energie
Diese Dampfchaise fuhr jedoch nicht mit Dampf, sondern bezog ihre Energie aus einem Tudor-Akkumulator. Diese Bleiplatten-Batterien gelten als extrem langlebig und effizient. Nebenbei: 1890 beteiligte sich Andreas Flocken an der städtischen Schleifmühle und ließ dort über einen selbstgebauten Dynamo Strom erzeugen.
Ob Flocken seine Fahrzeuge auch an andere Kunden lieferte oder ob er die technischen Verbesserungen allein für sich vornahm, ist unklar. Die letzten bekannten Modelle hatten schon gleich große luftbereifte Räder und eine neu entwickelte Achsschenkellenkung, wie auf dem Foto von 1903 zu sehen ist.
Elektroautos wurden von Diesel- und Benzinmotoren verdrängt
Zu dieser Zeit begannen Diesel- und Benzinmotoren, sich als Antriebstechnik durchzusetzen. Bis dahin hatte etwa ein Drittel der Automobile Elektroantrieb, doch sie wurden vom Markt gedrängt. Auch der Coburger Andreas Flocken geriet in Vergessenheit. Der Autor Halwart Schrader entdeckte ihn wieder und bezeichnete Flocken in seinem Buch "Deutsche Autos 1886 bis 1920" als Konstrukteur des "vermutlich ersten Elektroautos der Welt". In diesem Buch fand ihn der Coburger Historiker Christian Boseckert und forschte weiter. Boseckert fasste seine Erkenntnisse 2009 in einem Aufsatz zusammen.
Nachbau wie das Original
Just zu diesem Zeitpunkt wurde das Thema Elektromobilität wieder populär. Auch der Verein RetroClassicCultur (RCCV) wurde auf den frühen Elektrowagen aufmerksam. Franz Haag, Kfz-Sachverständiger und Mitglied im RCCV, beschloss 2010, "aus einer Laune heraus", den Flocken-Elektrowagen nachzubauen. Pläne oder Konstruktionszeichnungen gab es nicht. Haag stützte sich auf die bekannten Fotografien, die Beschreibungen aus Schraders Buch sowie einschlägige Literatur über Lenksysteme. "Ich versetzte mich gedanklich in die Zeit von 1888 und versuchte die Jdeen und Gedanken von Andreas Flocken nachzuvollziehen", beschreibt der Marktoberdorfer sein Vorgehen.
Er vermutet, dass Flocken das gleiche tat wie zwei Jahre zuvor Gottfried Daimler: Daimler hatte seinen Verbrennungsmotor in eine Pferdekutsche eingebaut. Haag schaffte es, eine originale "Doktorkutsche" aufzutreiben und platzierte den Motor unter den Fahrzeugboden. Die Hinterräder wurden über Lederriemen angetrieben. Die Batterie war beim ersten "Flocken" noch hinten platziert. Erst bei späteren Modellen wurde der Batteriekasten vorne angebracht.
Eigentlich wollte sich Haag für seinen Nachbau zwei Jahre Zeit lassen. Doch dann wollte der RCCV das Fahrzeug im März 2011 bei der "RetroClassic Stuttgart" präsentieren, und so blieben nur sechs Monate. Bei der Oldtimershow (Anlass waren 125 Jahre Automobil) bewies der Nachbau, dass Flockens Konstruktion tatsächlich fuhr - mit einer Geschwindigkeit von rund 15 Stundenkilometern und einer Reichweite von etwa 40 Kilometern.
Nachbau steht im Museum
Mittlerweile steht der Nachbau nur noch im Museum. Immerhin ist die Karosserie tatsächlich über 125 Jahre alt! Derzeit ist der Flocken-Wagen im Verkehrzentrum des Deutschen Museum in München zu sehen. Präsentiert wird er außerdem nächstes Wochenende in Rüsselsheim zum Auftakt des Themenjahres "125 Jahre Elektromobilität in Deutschland".
Rund um Flocken
Deutsches Museum "Aufgeladen - Elektromobilität zwischen Wunsch und Wirklichkeit", Sonderausstellung bis 15. September im Verkehrzentrum Theresienhöhe. www.deutsches-museum.de/verkehrszentrum
Flocken Franz Haag hat nicht nur das erste Flocken-Mobil nachgebaut, sondern sich auch den Namen schützen lassen. Derzeit entwickelt er den "Flocken-Urbano" - ein Elektromobil für den Stadtverkehr.
Quellen "Als Coburg Automobilgeschichte schrieb" von Christian Boseckert, 2009.
Links zu Informationen über Andreas Flocken bietet die Seite.
Zuerst baut Flocken landwirtschaftliche Maschinen
Er stellt landwirtschaftliche Maschinen her. 1880 hat der gebürtige Pfälzer ein Grundstück in der Callenberger Straße (heute Nr. 15) erworben und dort seine Maschinenbaufabrik errichtet. Schon 1885 erweitert er und kauft die gegenüberliegende Dampfsägemühle mit Wohnhaus gegenüber seinem Grundstück (heute Callenberger Straße 12 und 14). 1888 gliedert Flocken seinem Unternehmen eine Abteilung für Elektrotechnik an.
Dort entwickelt er das erste elektrisch angetriebene Automobil der Welt. So würde man es heute bezeichnen. Für das neue Ding gab es damals noch kein Wort: Als "Dampf-Chaise" bezeichnet es die Coburger Zeitung vom 28. September 1888: "Dieselbe hat dieselbe Spurweite wie jedes andere Gefährt, ist einfacher und practisch construirt und dürfte nach Fertigstellung großes Interesse aller Geschirrbesitzer hervorrufen."
Bleiplatten-Batterien lieferten die Energie
Diese Dampfchaise fuhr jedoch nicht mit Dampf, sondern bezog ihre Energie aus einem Tudor-Akkumulator. Diese Bleiplatten-Batterien gelten als extrem langlebig und effizient. Nebenbei: 1890 beteiligte sich Andreas Flocken an der städtischen Schleifmühle und ließ dort über einen selbstgebauten Dynamo Strom erzeugen.
Ob Flocken seine Fahrzeuge auch an andere Kunden lieferte oder ob er die technischen Verbesserungen allein für sich vornahm, ist unklar. Die letzten bekannten Modelle hatten schon gleich große luftbereifte Räder und eine neu entwickelte Achsschenkellenkung, wie auf dem Foto von 1903 zu sehen ist.
Elektroautos wurden von Diesel- und Benzinmotoren verdrängt
Zu dieser Zeit begannen Diesel- und Benzinmotoren, sich als Antriebstechnik durchzusetzen. Bis dahin hatte etwa ein Drittel der Automobile Elektroantrieb, doch sie wurden vom Markt gedrängt. Auch der Coburger Andreas Flocken geriet in Vergessenheit. Der Autor Halwart Schrader entdeckte ihn wieder und bezeichnete Flocken in seinem Buch "Deutsche Autos 1886 bis 1920" als Konstrukteur des "vermutlich ersten Elektroautos der Welt". In diesem Buch fand ihn der Coburger Historiker Christian Boseckert und forschte weiter. Boseckert fasste seine Erkenntnisse 2009 in einem Aufsatz zusammen.
Nachbau wie das Original
Just zu diesem Zeitpunkt wurde das Thema Elektromobilität wieder populär. Auch der Verein RetroClassicCultur (RCCV) wurde auf den frühen Elektrowagen aufmerksam. Franz Haag, Kfz-Sachverständiger und Mitglied im RCCV, beschloss 2010, "aus einer Laune heraus", den Flocken-Elektrowagen nachzubauen. Pläne oder Konstruktionszeichnungen gab es nicht. Haag stützte sich auf die bekannten Fotografien, die Beschreibungen aus Schraders Buch sowie einschlägige Literatur über Lenksysteme. "Ich versetzte mich gedanklich in die Zeit von 1888 und versuchte die Jdeen und Gedanken von Andreas Flocken nachzuvollziehen", beschreibt der Marktoberdorfer sein Vorgehen.
Er vermutet, dass Flocken das gleiche tat wie zwei Jahre zuvor Gottfried Daimler: Daimler hatte seinen Verbrennungsmotor in eine Pferdekutsche eingebaut. Haag schaffte es, eine originale "Doktorkutsche" aufzutreiben und platzierte den Motor unter den Fahrzeugboden. Die Hinterräder wurden über Lederriemen angetrieben. Die Batterie war beim ersten "Flocken" noch hinten platziert. Erst bei späteren Modellen wurde der Batteriekasten vorne angebracht.
Eigentlich wollte sich Haag für seinen Nachbau zwei Jahre Zeit lassen. Doch dann wollte der RCCV das Fahrzeug im März 2011 bei der "RetroClassic Stuttgart" präsentieren, und so blieben nur sechs Monate. Bei der Oldtimershow (Anlass waren 125 Jahre Automobil) bewies der Nachbau, dass Flockens Konstruktion tatsächlich fuhr - mit einer Geschwindigkeit von rund 15 Stundenkilometern und einer Reichweite von etwa 40 Kilometern.
Nachbau steht im Museum
Mittlerweile steht der Nachbau nur noch im Museum. Immerhin ist die Karosserie tatsächlich über 125 Jahre alt! Derzeit ist der Flocken-Wagen im Verkehrzentrum des Deutschen Museum in München zu sehen. Präsentiert wird er außerdem nächstes Wochenende in Rüsselsheim zum Auftakt des Themenjahres "125 Jahre Elektromobilität in Deutschland".
Rund um Flocken
Deutsches Museum "Aufgeladen - Elektromobilität zwischen Wunsch und Wirklichkeit", Sonderausstellung bis 15. September im Verkehrzentrum Theresienhöhe. www.deutsches-museum.de/verkehrszentrum
Flocken Franz Haag hat nicht nur das erste Flocken-Mobil nachgebaut, sondern sich auch den Namen schützen lassen. Derzeit entwickelt er den "Flocken-Urbano" - ein Elektromobil für den Stadtverkehr.
Quellen "Als Coburg Automobilgeschichte schrieb" von Christian Boseckert, 2009.
Links zu Informationen über Andreas Flocken bietet die Seite.