Einzigartig: So finden Coburgs tote Katzen ihre letzte Ruhe

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Auf diesen Altar bettet Angela Sporniak die Tiere, damit die Besitzer Abschied nehmen können.
Auf diesen Altar bettet Angela Sporniak die Tiere, damit die Besitzer Abschied nehmen können.
Sandra Hackenberg
Angela Sporniak.
Angela Sporniak.
Foto: privat
Das Logo der Gruppe RIP - Ober the Rainbow.
Das Logo der Gruppe RIP - Ober the Rainbow.
Foto: privat

Ein Herz für tote Samtpfoten: Angela Sporniak vom Coburger Tierschutzverein holt tote Katzen von der Straße und bahrt sie so auf, dass sich ihre Besitzer verabschieden können. Ein Herzensprojekt, für das sie viele Hürden überwinden musste.

Im Coburger Tierheim erhalten Katzen eine zweite Chance, doch nicht nur die lebenden. In der nur wenige Quadratmeter großen Nische eines unscheinbaren Lagerschuppens hat Angela Sporniak in den vergangenen Jahren auf dem Gelände unweit des Flugplatzes etwas aufgebaut, das in dieser Form einzigartig ist.

Eine Kühlbox, ein Camping-Waschbecken und ein Tisch vor einem Duschvorhang mit Engelsflügeln, der regelmäßig mit geübten Handgriffen in einen Traueraltar verwandelt wird: Die Vorsitzende des Coburger Tierschutzvereins holt tote Katzen von der Straße und bahrt sie so pietätvoll auf, damit sich ihre Besitzer von ihren Samtpfoten verabschieden können.

Die geschlossene Facebook-Gruppe "RIP Over the Rainbow" hat inzwischen über 1000 Mitglieder. Wann immer jemand in der Coburger Umgebung eine tote Katze entdeckt und von der Gruppe weiß, ruft er im Tierheim an. Dann rückt Angela Sporniak aus, sammelt die glücklosen Tiere ein und postet, falls sie nicht gechipt oder tätowiert sind, ein Foto in der Gruppe - in der Hoffnung, dass jemand die Katze wiedererkennt und ihre Besitzer ausfindig gemacht werden können. Und das klappt regelmäßig.

Das Schlimmste ist die Ungewissheit

Ist mein Stubentiger noch am Leben oder liegt er tot im Gebüsch? Diese quälenden Fragen können Tierfreunde fast um den Verstand bringen. "Das Schlimmste, wenn die eigene Katze nicht mehr nach Hause kommt, ist die Ungewissheit." Das weiß die tierliebe 49-Jährige, die selbst mit mehreren Samtpfoten zusammenlebt, aus eigener Erfahrung. "Man hat Bilder im Kopf, wie die Katze tot am Straßenrand liegt."

Ein Gedanke, der für Angela Sporniak nur schwer zu ertragen ist. Eine ehemalige Bestatterin, die ihr Leben nun dem Tierschutz verschrieben hat - aus dieser kuriosen Kombination entstand das RIP-Projekt, das für die Besitzer der toten Katzen von unschätzbarem Wert ist. "Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass diese Tiere einfach in einen Plastiksack gesteckt und in der Tierkörperbeseitigungsanlage entsorgt werden."

Das Einsammeln der Katzen erfolgt nach strikten Anweisungen. Angela Sporniak wickelt die kleinen Körper in eine Haustierdecke, legt sie dann in ebenso kleine Leichensäcke, die eigentlich für Babys gedacht sind, dann in eine Plastikbox. Aktuell bemüht sie sich darum, kleine Pappsärge zu organisieren. Zurück im Schuppen legt sie die Katzen samt Sack mit den wichtigsten Daten - Fundort, Datum, Aussehen - in die Kühltruhe. Bis zu einem Dutzend Katzen warten dort auf ihre Besitzer.

Zwischen Trauer und Dankbarkeit

Hat der sich gemeldet, holt die 49-Jährige den Leichnam aus der Truhe, legt ihn auf den Klapptisch in ein Körbchen und öffnet den Sack. Dann geht es darum, das Fellknäuel so aufzubahren, dass ihr Anblick die Besitzer nicht zusätzlich verstört. "Ich darf keine Wunden nähen, aber ich kann die Katze so ins Körbchen legen, dass sie nicht zu sehen sind", erklärt sie.Wenn Angela Sporniak die Katze in ihrem improvisierten Trauerschuppen aufgebahrt hat, treten die Besitzer ein. Sie verlässt den Raum, damit Mensch und Tier einen letzten gemeinsam Moment des Abschieds haben, wartet vor der Tür.

Es dauert nicht lange, dann hört sie die Menschen weinen - und muss selbst jedes Mal mitweinen. "Es gibt mir unglaublich viel zurück, wenn sich die Leute anschließend bei mir bedanken und sagen, dass sie nun Gewissheit haben und abschließen können." Nach dem Ritual dürfen die Besitzer ihre Fellnasen mit nach Hause nehmen, um sie beispielsweise im eigenen Garten zu beerdigen. Für diese besonderen Momente hat sich die Vereinsvorsitzende nicht nur gegen Kritiker aus dem eigenen Vorstand durchgesetzt, sondern in den vergangenen zwei Jahren einen bürokratischen Hürdenlauf auf sich genommen, wurde von Behörde zu Behörde geschickt - und wieder zurück. "Es war ein harter Kampf." Was kaum jemand weiß: Um tote Tiere einsammeln zu dürfen, bedarf es einer Ausnahmegenehmigung. Wer es illegal tut, dem drohen hohe Bußgelder. Doch niemand bei den Behörden fühlte sich zuständig.

Monatelang haben Vertreter vom Veterinär- und Ordnungsamt jeden Winkel des kleinen Verschlags inspiziert, immer hatten sie etwas zu beanstanden. "Alle Oberflächen müssen aus hygienischen Gründen abwaschbar sein." Angela Sporniak deutet auf ein Klemmbrett aus Holz, auf dem jeder Handgriff dokumentiert werden muss. "Den muss ich noch austauschen, der muss aus Plastik sein." Das Campingwaschbecken stellt die externe Wasserzufuhr sicher, die Tür zum Rest des Schuppens muss immer geschlossen sein. Immer wieder hat die 49-Jährige nachgebessert, Mühe und tausende Euro aus eigener Tasche in ihren Traum gesteckt.

Doch der Kampf zahlte sich aus: Für 480 Euro hat die Regierung von Oberfranken Angela Sporniak schließlich die ersehnte Ausnahmegenehmigung erteilt, die sie als sogenannten Zwischenbehandlungsbetrieb der Kategorie 1 klassifiziert. Wenn nicht sie selbst die toten Katzen abholt, sondern ein ehrenamtlicher Helfer der RIP-Gruppe, muss auch das und dokumentiert werden.

Der Katzenbestatterin aus Leidenschaft war all diese Mühe wert. "Ohne die Ehrenamtlichen, die mir helfen, wäre das RIP-Projekt nie möglich gewesen", merkt sie an. Angela Sporniak ist immer auf der Suche nach weiteren Helfern, die sich zutrauen, bei der Arbeit mit den toten Katzen zu helfen. Denn zu Ende ist ihr Kampf noch lange nicht. "Mein nächstes Ziel ist es, aus der RIP-Gruppe einen eingetragenen Verein zu machen, damit wir unsere Arbeit langfristig finanzieren können."

Und dann gibt es noch die toten Katzen, deren Besitzer nicht gefunden werden. Bislang werden sie nach einigen Wochen in die Tierkörperbeseitigungsanlage gebracht. Das will Angela Sporniak ändern: "Ich plane auf dem Gelände des Tierheims einen Friedhof für Hunde und Katzen." Nach allem, was sie mit den Behörden erlebt hat, schätzt sie: "Das wird die nächste Mammutaufgabe." Doch wer sie oben im Tierheim trifft, ahnt: Das hält sie nicht auf.