Ein Licht in tiefster Trauer

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Angela Schnapp entzündet eine Kerze für ihren Sohn Konstantin, der bei einem Unfall ums Leben kam. Im Hintergrund von links: Oliver und Doris Geppert, Iris Puff-Knauf, Waltraud Caniglia, Katrin Lenk und Helga Knirsch. Foto: Helke Renner
Angela Schnapp entzündet eine Kerze für ihren Sohn Konstantin, der bei einem Unfall ums Leben kam. Im Hintergrund von links: Oliver und Doris Geppert, Iris Puff-Knauf, Waltraud Caniglia, Katrin Lenk und Helga Knirsch. Foto: Helke Renner

Seit 25 Jahren gibt es die Selbsthilfegruppe "Verwaiste Eltern" für Mütter und Väter, die ihre Kinder verloren haben. Die Mitglieder geben sich gegenseitig Halt - in monatlichen Treffen, aber auch bei vielen anderen Aktionen.

Es sind solche Sätze wie: "Du musst loslassen" oder "Die Zeit heilt alle Wunden", die ihnen wehtun. Wenn Eltern ihre Kinder verlieren, dann können sie nicht loslassen, dann verheilen die Wunden nicht. "Sie vernarben höchstens", sagt Helga Knirsch, Leiterin der Selbsthilfegruppe "Verwaiste Eltern" Coburg, die es seit nunmehr 25 Jahren gibt. Wieder einmal sitzen sie zusammen im Familienzentrum Domino, wieder einmal erzählen sie von ihren Kindern, wie sie gestorben sind, was dieser Tod für ihr Leben bedeutet hat, wie er es noch heute prägt. Sie tun das nicht bei jedem Treffen ausführlich, sondern immer dann, wenn ein neues Mitglied dazugekommen ist.

Diesmal ist das Katrin Lenk aus Mengersgereuth-Hämmern im Landkreis Sonneberg. Sie hat ihren Sohn Jonas vor sieben Jahren durch einen Unfall mit dem Moped verloren. "Ich verfolge schon lange die Internetseite der Gruppe. Heute habe ich den Entschluss gefasst herzukommen", erzählt Katrin Lenk. Ein Telefonat mit Helga Knirsch am Vormittag hat ihr Mut gemacht, diesen Schritt zu gehen.


Annika starb an einem Hirntumor

In der Mitte des Stuhlkreises, den die Eltern gebildet haben, liegen Tücher in den Regenbogenfarben. Darauf stehen große Kerzen mit den Namen der verstorbenen Kinder und eine entsprechende Anzahl von Teelichtern, die nach und nach angezündet werden. 14 Frauen und vier Männer erzählen vom Tod ihrer Söhne und Töchter. Zum Beispiel Helmut Lutter, dessen Tochter Annika einen Hirntumor hatte und im Alter von elf Jahren nach 13 Operationen starb. "Es war ein Martyrium auf der Intensivstation." Schlimm für ihn und seine Frau sei aber auch gewesen, dass irgendwann niemand mehr den Namen seiner Tochter aussprach, dass die Nachbarn wegschauten. "Da stirbt dein Kind noch einmal", sagt Helmut Lutter. Erst als er 2008 zur Gruppe der "Verwaisten Eltern" gefunden habe, sei es wieder bergauf gegangen. "Dafür bin ich sehr dankbar."

Doris und Oliver Geppert haben ihre Tochter Nina 2007 verloren. Sie litt an einer Stoffwechselkrankheit. Ihre Zwillingsschwester Sara überlebte dank einer Transplantation. "Wir hatten vor lauter Sorge um Sara gar keine Zeit zu trauern", erzählt der Vater. "Erst als wir in die Gruppe gekommen sind, wurde es leichter." Die anderen Mitglieder stimmen zu. Waltraut Caniglia, deren Tochter Patrizia einen Flugzeugabsturz nicht überlebte und die ihre Enkel nicht sehen darf. Angela und Oswald Schnapp, deren Sohn Konstantin nach einem Unfall als Beifahrer in einem Auto vollständig verbrannte oder Monika Bergner, deren Sohn Stefan im Alter von 40 Jahren Suizid beging und erst nach vier Wochen Suche eher zufällig entdeckt wurde. Sie alle haben Halt in der Selbsthilfegruppe gefunden. Zum einen, weil sie dort ihre Trauer nicht verstecken müssen, weil sie weinen können, weil die anderen sie verstehen. Aber auch das Pflanzen von Bäumen und Bemalen von Steinen für den Regenbogenwald, gemeinsame Wanderungen, Seminare, Workshops, Wallfahrten geben ihnen Trost. Und das seit 25 Jahren.

Angefangen hatte alles 1993, als Ernst Knirsch in der Zeitung las, dass eine Selbsthilfegruppe für Eltern gegründet werden soll, die ihre Kinder verloren haben. Er und seine Frau Helga trauerten damals um ihren Sohn Wolfi, der in seinem Zivi-Zimmer in Nürnberg durch Feuer ums Leben kam. "Erst wollte ich da gar nicht hin", sagt Helga Knirsch. Doch dann habe sie erfahren, wie viel Kraft ihr die Gruppe gibt. Sabine Doerenkamp-Steiner und später Sabine Feuerbach-Heim von der Kontaktstelle Selbsthilfe seien von Anfang an wichtige Begleiterinnen gewesen, betont Helga Knirsch. Schon bald übernahmen sie und Rosemarie Kohles die Initiative und organisierten die Aktivitäten der Gruppe. Seit vielen Jahren unterstützt sie dabei Wera Will.


Die ersten 50 Bäume

Im Jahr 2000 wurden die ersten 50 Bäume im Regenbogenwald am Bismarckturm gepflanzt, zwei Jahre später das Regenbogenwindrad bei den Kindergräbern auf dem Coburger Friedhof eingeweiht. 2003 kam das Möbiusband für die Sternenkinder, die gleich nach der Geburt gestorben sind, dazu. Die Gruppenmitglieder bemalten 15 Seelenbilder für den Regenbogenwald am Bismarckturm. Dort gab es schon bald keinen Platz mehr. 2011 wurde ein zweiter Trauerwald am Falkenegg angelegt. Dafür bemalten die Mitglieder als Schmuck Steine des Lebens. Dazwischen gab und gibt es immer wieder die monatlichen Treffen, die Wallfahrten, Jahrestagungen, Fortbildungen, Seminare und Arbeitskreise. Und die Selbsthilfegruppe ist auch weiterhin offen für Menschen, die mit der Trauer um ihre Kinder nicht allein sein wollen.

Kontakt: Helga Knirsch, Telefon 09563/1876, E-Mail helga.knirsch@t-online.de oder Wera Will, Telefon 09561/30240, E-Mail sowico@web.de.