Peinlichen Vorwurf weggegrinst
Den peinlichen Zwischenruf, dass er den einen oder anderen Urlaub von Mehreinnahmen finanziert, grinst er widerwillig, aber schweigend weg. Er fordert seine Zuhörer auf, lieber den Realitäten ins Gesicht zu schauen: "Wir sind für euch da und wollen Hilfestellungen leisten." Dazu wieder eine Zahl: "Weniger als ein Prozent des Gesamtbudgets des FC Coburg fließt in einer Saison an den Verband!"
Schafkopf in der 3. Halbzeit
Gefühlt steht es längst 3:0 für Koch. Der 60-jährige Doktor, der seine Leidenschaft für den Fußball als Mittelfeldspieler bei den beiden Münchner Vorortvereinen Kirchheimer SC und TSV Poing entdeckte, sammelt fleißig Pluspunkte: Er spricht von der dritten Halbzeit im Sportheim, vom Schafkopfen und vom digitalen Fußballspiel - "die moderne Form von Tipp-Kick".
Der mit zunehmender Spieldauer immer einseitiger werdende Schlagabtausch braucht keinen Schiri, denn die hitzige Stimmung ist längst verpufft. Von Hektik und Sauers vollmundiger Ankündigung - "Der Koch kriegt heute Pfeffer" - ist nichts mehr zu spüren. Trotzdem kommt der gelangweilt wirkende Welt-Referee von 2017 zu Wort. In seiner Funktion als Abteilungsleiter für Talentförderung hat er sich am Nachmittag zum vierten Mal von der Arbeit, die im Coburger NLZ geleistet wird, überzeugt. Viel Lob für den FC Coburg.
Mehr aber auch nicht. Fragen zum Videobeweis oder wie man Rudelbildungen verhindern wolle, beantwortet der smarte Münchner nicht. "Darüber könnte ich 90 Minuten reden, dass würde den Rahmen sprengen." Schade, ein kurzes Statement hätte dem Fragesteller gereicht.
Doppelass in der Schlussphase
In der Schlussphase spielen zwei alte Hasen Doppelpass: "Das ist richtig Rainer... - Danke Gerhard..." Coburgs langjähriger Strafrichter und CSB-Stadtrat Gerhard Amend ("Jugendliche, die sich in Vereinen engagieren, sind strafrechtlich kaum auffällig") war nach eigenen Worten drei Jahre Linienrichter bei Koch.
In der Nachspielzeit gibt es vom Veranstalter noch Präsente. Rainer Engelhardt von der Sparkasse und Michael Schulz vom Sportverband haben einen 300 Euro-Scheck für eine Stiftung sowie zwei Fresskörbe für die Doktoren parat.
Lieber mit Becker oder Weller
Lockerer Plausch in der Verlängerung: Während Brych in einer Nische an der Bar genüsslich eine Currywurst verdrückt und Koch bei einem Espresso am Tisch des FC Coburg Lobeshymnen genießt, hat ein anderer Koch, nämlich der aus Lautertal stammende Hobby-Reporter Dieter Koch, seine eigene Sicht der Dinge: "Beim nächsten Talk sollen sie lieber Boris Becker oder René Weller einladen. Dann haben wir wenigsten was zu lachen."
"Eventspiele organisieren" Das Thema Amateurfußball erhitzt die Gemüter. Beim 1. Sparkassen-Sport-Talk des Sportverbandes und der Sparkasse Coburg-Lichtenfels drehte sich viel um Geld. Ehrengast Rainer Koch gab den Funktionären wertvolle Tipps. Um wieder mehr Kinder für den Fußball zu begeistern, müsse zum Beispiel ganz eng mit der Grundschullehrerin zusammen gearbeitet werden.
Koch glaubt auch ein Erfolgsrezept zu kennen, wie wieder mehr Leute auf die Plätze gelockt werden können: "Ihr müsst ein, zwei Eventspiele im Jahr organisieren. Ihr müsst euren Fans etwas besonderes bieten - Highlight-Derbys." Zu solch einer Veranstaltung kämen dann 500, 600 Zuschauer. Der Metzger könne eine scharfe Derby-Wurst anbieten, der Bäcker eine spezielle Semmel. Im Vorfeld sollen sich Gemeinderäte zum Prestigeduell äußern. Das Spiel quasi anheizen. Das funktioniert, Beispiele gäbe es bereits. Koch sprach von über 800 Fans bei einer Kreisligapartie - trotz Dauerregen.
Es hätte sich viel verschoben. "Wir müssen den Realitäten ins Gesicht schauen und dürfen nicht in Pessimismus verfallen. Fußball ist die coolste und geilste Sportart."
KOMMENTAR von Christoph Böger
Geht's raus und spielt's Fußball! Natürlich ging es dem Amateurfußball bei uns schon deutlich besser. Handball ist in Coburg längst auf der Überholspur und die Basketballer haben auch schon den Blinker gesetzt. Es gibt weniger Fußballer und kaum noch freiwillige Helfer hinterm Tresen, in den Bratwurstbuden oder im Kassenhäuschen. Und es stimmt, dass Fans und Sponsoren dem Fußball die kalte Schulter zeigen. Daran ist auch der demographische Wandel schuld.
Es gibt gefühlt 1000 Möglichkeiten, wie Kinder ihre immer weniger werdende Freizeit gestalten können. Auch die Arbeitswelt ist anders. Die Menschen werden immer älter und die Geburtenrate sinkt - alles Gründe für weniger Nachwuchs in den Klubs. Aber trotzdem: Hört auf mit dem Jammern! Holt die Kinder aus dem Abseits! Weg vom Computer - ran an den Ball. Gründe für die schönste Nebensache der Welt gibt es genügend, schließlich ist Fußball - wie es Rainer Koch treffend propagiert - immer noch die coolste und geilste Sportart. Und damit auch die beste Schule für soziale Kompetenz.
Junge Menschen lernen in den Vereinen verschiedene Charaktere und Nationalitäten kennen. Altersgenossen aus anderen sozialen Verhältnissen müssen respektiert werden, gemeinsam wollen sie ein erfolgreiches Team bilden.
Aber auch Durchsetzungsvermögen ist gefragt, Kompromisse müssen eingegangen oder Führung und Verantwortung übernommen werden. Wer im Team kickt, muss sich an Regeln halten und lernen, Autoritäten wie Trainer und Schiedsrichter zu respektieren. Auch Fehlentscheidungen müssen akzeptiert werden. Nicht immer ist alles gerecht. Wichtige soziale Kompetenz, die den Kickern im Alltag zugutekommt. Nicht zu vergessen: Disziplin. Nicht nur trainieren wenn ich Lust habe, sondern regelmäßig, bei Sauwetter und zu genauen Zeiten. Auch das ist wichtig. Deshalb: Geht's endlich wieder raus und spielt's Fußball! c.boeger@infranken.de