Die Ahorner wollen einen neuen Arzt

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Martin Finzel kann sich eine Arztpraxis in der "Linde" gut vorstellen. "Hier ist Platz genug." Foto: Gabi Bertram
Martin Finzel kann sich eine Arztpraxis in der "Linde" gut vorstellen. "Hier ist Platz genug." Foto: Gabi Bertram

Hausarzt  Ob beim Bäcker, beim Geburtstag oder in den Bürgerversammlungen. Das Thema ist brisant und wird mit Vehemenz ins Rathaus getragen.

von unserem Korrespondenten Gabi Bertram

Ahorn — Da hatte die Gemeinde doch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Nachfolger für ihren Hausarzt zu finden. Sie hat in regionalen und überregionalen Ärzteblättern inseriert, mit optimalen Rahmenbedingungen und Vergünstigungen geworben. Nun steht Bürgermeister Martin Finzel (parteilos) nach gerade mal vier Monaten schon wieder vor dem Problem mit der hausärztlichen Versorgung.
Massenhaft Beschwerden landen auf seinem Tisch, die Mitarbeiter im Rathaus kommen kaum nach, alles zu protokollieren. Finzel steht unter Druck, muss reagieren und sieht auch selbst die hausärztliche Versorgung nicht mehr gewährleistet. Dabei hatte die Gemeinde große Hoffnungen in den neuen Hausarzt Wolfgang Pils gesetzt, der neben seiner Praxis in Schleusingen ab 1. Juli auch die Ahorner Allgemeinarztpraxis von Dr. Dyllus (in Ruhestand) übernahm.
Die Gemeinde hatte dafür alle Wege geebnet, Michael Stoschek das Anwesen gekauft, saniert und zu einem günstigen Mietpreis übergeben. Zugesagt war, erklärt Finzel, dass der neue Hausarzt weitere Assistenzärzte und Kollegen einstellen wollte. So wollte der Arzt die Sprechstunden, die Hausbesuche und die Betreuung der beiden Altenheime gewährleisten zu können. Heute steht an der Praxis: Ahorn - 12 Stunden pro Woche: Montag 8 bis 12 Uhr; Mittwoch 8 bis 12 Uhr Altenheime; Donnerstag 8 bis 12 Uhr. - Schleusingen - 12 Stunden pro Woche: Montag 16 bis 18 Uhr; Dienstag 8 bis 12 Uhr Altenheime; Donnerstag 16 bis 18 Uhr, Freitag 8 bis 12 Uhr.
"Das reicht in einer Gemeinde mit 4500 Einwohnern bei weitem nicht aus", sagt der Bürgermeister. Zur Praxis von Wolfgang Pils will sich Finzel nicht äußern. Fest steht für ihn aber, dass die Erwartungen, die sich mit dem Arzt verbanden, nicht erfüllt wurden. "Zuerst war die Freude groß", schreibt eine Bürgerin in einem Brief ans Rathaus - "dann kam maßlose Enttäuschung." Dass es so nicht weitergehen, sagt auch Dagmar Weber vom Seniorenbeirat. Weber erklärt: "In unserer Sprechstunde am Montag und im Café am Dienstag im Bürgerhaus häuften sich die Beschwerden über die hausärztliche Versorgung an den Seniorenbeirat." Anfangs, so Weber, habe man das Ausmaß gar nicht so dramatisch eingeschätzt und folglich auch nichts dokumentiert.
"Was soll ich tun, wenn ich am Dienstag krank werde, wo keine Sprechstunde ist?" Das fragt sich Dagmar Weber, die versteht, dass viele zu Ärzten in der Umgebung abwandern. "Die Empörung der Leute ist groß und die Angst auch", fühlt sich Dagmar Weber nicht allein in ihrer Sorge um die hausärztliche Versorgung. Dabei, so sagen die Bürger, sei dem Arzt der rote Teppich ausgerollt worden.

Ein Ordner voller Beschwerden

Die Beschwerden, die inzwischen einen Ordner im Rathaus füllen, hat der Bürgermeister an die Kassenärztliche Vereinigung (KVB) weitergeleitet. Er sagt: "Wir nehmen das sehr ernst und hoffen auf eine baldige Lösung." Dem Vernehmen nach soll es auch eine Beschwerde wegen "unterlassener Hilfeleistung" geben, die von der Thüringer KV geprüft werden soll.
Eine Lösung, erklärt Finzel, liegt praktisch schon auf der Hand. Hans-Jürgen Reimann - ein internistischer Hausarzt aus München, der in der Praxis Pils angestellt war und den die Ahorner zu schätzen gelernt haben - will sich in Ahorn niederlassen. Eine Stellenbewerbung hat der Münchner Arzt an die Kassenärztliche Vereinigung Bayern gerichtet. Martin Finzel ist hier optimistisch: "Bei 2,5 vakanten Hausarztniederlassungen in Stadt und Landkreis Coburg hoffe ich auf einen positiven Bescheid." Kommt dieser, könnte zum 1. Januar Reimann in Ahorn seine Praxis eröffnen.
Die Rahmenbedingungen könnten so aussehen: Im Bürgerhaus "Linde" ist Platz für Behandlungszimmer, Laborraum, Wartebereich. Dazu kommen der barrierefreie Zugang und die sanitären Einrichtungen, die ebenfalls behindertengerecht sind. Für diese Lösung und Hans-Jürgen Reimann als neuen niedergelassenen Hausarzt in Ahorn setzen sich auch die Senioren einer Unterschriftenaktion ein. Dagmar Weber erzählt: "An nur drei Tagen haben wir über 200 Unterschriften zusammengebracht." Mit der Aktion wenden sich die Ahorner an die KVB und bitten darum, Dr. Reimann als Hausarzt in der Gemeinde zuzulassen.
Wolfgang Pils indes sieht sich einer Kampagne ausgesetzt, bei der es seines Erachtens "keineswegs" um den hausärztlichen Versorgungsbedarf geht. "Ich fühle mich betrogen", sagt er und will nicht nur Schadensersatzansprüche geltend machen. Er hat auch vor, die KV, die Ärztekammern und die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Der Schleusinger Arzt hat einen Rechtsanwalt beauftragt.