Der Coburger Stadtbild-Gestalter

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Vste im Rücken, den Blick auf die modernen Gebäude der Hindenburgstraße vor Augen: Hans-Heinrich Eidt beim Interview im Tageblatt-Gebäude. Foto: Jochen Berger
Vste im Rücken, den Blick auf die modernen Gebäude der Hindenburgstraße vor Augen: Hans-Heinrich Eidt beim Interview im Tageblatt-Gebäude. Foto: Jochen Berger

Seit 40 Jahren ist Hans-Heinrich Eidt Vorsitzender der Gemeinschaft Stadtbild Coburg. Ein Gespräch über den Nutzen und die Grenzen des Denkmalschutzes.

Gewählt wurde er im März 1976, seit Juli 1976 ist er auch im Vereinsregister als Vorsitzender der Gemeinschaft Stadtbild Coburg eingetragen. Damals war Hans-Heinrich Eidt eins der jüngsten Mitglieder der Anfang der 70er Jahre gegründeten Vereinigung. Thema damals wie heute: Erhalt der stadtbildprägenden Denkmäler, von denen Coburg zu dieser Zeit schon einige verloren hatte - das Tageblatthaus war dem Kaufhof gewichen, das Alexandrinenbad der Itzbrücke zur Lossaustraße. Und noch kurz vor Inkrafttreten des neuen Denkmalschutzgesetzes war die Spindlervilla abgerissen worden, um Platz zu schaffen für ein Hotel beim Kongresshaus, das bis heute nicht gebaut wurde.

Coburger Tageblatt:Herr Eidt, wie kam es, dass ausgerechnet Sie damals zum Vorsitzenden von Stadtbild gewählt wurden?
Hans-Heinrich Eidt: Ich war kurz zuvor vom Studium in den
USA zurückgekommen und hatte dort gesehen, wie öde autogerechte Städte sind. Coburg war damals gerade dabei, sich autogerecht zu gestalten - und Stadtbild hielt dagegen. Deshalb habe ich mich dieser Vereinigung aus meist älteren Herrschaften angeschlossen. In Coburg waren die Senioren die Revoluzzer, nicht die Studenten! Als für den erblindeten Dr. Kaiser ein Nachfolger gesucht wurde, hatte ich mir schon durch Leserbriefe und häufiges Stänkern einen Namen gemacht. Wir galten ja im Stadtrat als die "Käseglöckner" und die "Fassadenglotzer", weil wir unbedingt alles unter Schutz stellen wollten und damals den Fassadenwettbewerb ins Leben gerufen haben.

Was wollten sie mit solchen Aktivitäten erreichen?
Denkmalschutz ist wichtig, weil viele Eigentümer ihre Gebäude leider oft aus Kostengründen oder Unwissenheit schädigen. Daher muss man sie schützen. Andererseits müssen die Gebäude auch nutzbar bleiben. In der Praxis wirft der Denkmalschutz da einige Probleme auf.

Inwiefern?
Wenn wir Sanierungen bezuschussen, dann verlangen wir schon, dass die Denkmalschutzkriterien eingehalten werden. Aber man darf doch nicht mit dem Argument "Denkmalschutz" die Nutzung des Hauses verhindern! Da gibt es manchmal grundlegende Auflagen, die den Eigentümer zwingen, immenses Geld aufzuwenden. Zum Beispiel Steinweg 34: Das Haus ist außen saniert, kann aber innen nicht renoviert werden, weil die Wohnnutzung angeblich keinen Bestandsschutz hat. Fünf Wohnungen waren seit dem 17. Jahrhundert benutzt und wurden vor zwei Jahren für die Sanierung leergezogen. Aber nun muss der Eigentümer Parkplätze nachweisen, weil angeblich der Bestandsschutz fehlt. Gleichzeitig sollen innen die Lehmwände erhalten, keine elektrischen Leitungen darauf verlegt und Änderungen für moderne Bäder und Heizungen unterlassen werden. Und das Ergebnis: Das Haus steht großenteils leer.

Was wäre denn ein Ausweg aus diesem Dilemma?
Der Denkmalschutz muss dem Eigentümer die Möglichkeit geben, sein Haus auch zu nutzen. Da müssen die Behörden den Eigentümern mehr entgegenkommen. Jedes nicht genutzte Gebäude verfällt und wird dann irgendwann abgerissen. Denn trotz der Zusage im Denkmalschutzgesetz ist die finanzielle Unterstützung bei der denkmalgerechten Sanierung sehr sparsam. Die Zuschüsse von Stadtbild sind meist ein Vielfaches von dem, was es aus anderen Quellen gibt. Das, was Herr Stoschek und Frau Volkmann da geleistet haben, gibt es in keiner anderen Stadt in Deutschland. Wir sind stolz, dass viele Häuser durch diese Zuschüsse ein Schmuckstück für die Stadt geworden sind..

Aber auch Sie machen Auflagen, wenn Sie mit Stadtbild aus der Stoschek-Volkmann-Spende Sanierungen finanzieren.
Auch wir verlangen etwa bei Sprossenfenstern, dass die Forderungen des Denkmalsschutzes erfüllt werden. Wenn wir aber nicht nur einen Zuschuss geben, sondern dem Hauseigentümer die Sanierung fast komplett finanzieren, geben wir die Mittel zunächst nur als Darlehen. Damit wollen wir verhindern, dass Eigentümer sich von uns ihre Häuser sanieren lassen und sie dann teuer verkaufen. Solange die Eigentümer das Haus selbst nutzen, kann ihnen jedes Jahr ein Teil des Darlehens erlassen werden; sobald sie aber verkaufen, müssen sie das restliche Darlehen zurückzahlen. Solche Dinge habe ich mir ausgedacht, um das Programm sinnvoll zu machen.

Die Stoschek-Volkmann-Spende ist ja die zweite, die ihnen zur Verfügung steht, um Häuser zu sanieren. In den 80er Jahren hatte die Firma Brose schon einmal Geld dafür zur Verfügung gestellt.
Ja, und das war mit die schrecklichste Zeit meiner Tätigkeit für Stadtbild, weil der damalige Baubürgermeister Reichardt mit allen Mitteln versuchte, diese Tätigkeit zu torpedieren. Das ging so weit, dass behauptet wurde, ich würde Zinsen für die Stadtbild-Darlehen kassieren und davon meine Pferde finanzieren. Dies war bösartig aus der Luft gegriffen, da ich niemals Zinszahlungen vereinbart hatte. Dennoch wurde ein Ermittlungsverfahren provoziert. Einen Strafprozess konnte ich mir aber als junger Anwalt allein wegen der negativen Schlagzeilen nicht leisten, obwohl ich freigesprochen worden wäre. Um eine Einstellung zu erreichen, musste ich damals 500 Mark bezahlen. Deshalb habe ich auch den Goldenen Ehrenring der Stadt abgelehnt, den ich für 20 Jahre im Stadtrat bekommen hätte, nicht aber für acht Jahre ehrenamtliches Engagement für Coburg, bei dem mir nur Knüppel zwischen die Beine geworfen worden waren.

Inzwischen ist der Denkmalschutz akzeptiert. Am ehemaligen Güterbahnhof sollen einige der alten Bauten erhalten bleiben, um an die Geschichte des Ortes zu erinnern.
Es ist an dieser Stelle schon sinnvoll, einiges zu erhalten, Altes und Neues zu kombinieren. Bei dieser Diskussion haben wir uns als Stadtbild aber bewusst zurückgehalten. Da rede ich lediglich als Stadtratsmitglied mit.

Wenn aber Brachen entstehen, darf dann auch etwas Neues gebaut werden?
Es sollte halt kein schwarzer Kubus sein (lacht), sondern der Umgebung angepasst. Aber es braucht kein Barockhaus zu sein. So finde ich die Rekonstruktion des alten Schlosses in Berlin nicht sinnvoll. Denn: Was weg ist, ist es weg. Aber viele modernen Architekten sind leider gar nicht in der Lage, im bebauten Raum eine Lücke so zu füllen, dass das neue Haus zeitgenössischen Bedürfnissen entspricht, aber das alte Stadtbild nicht stört.

Derzeit diskutieren wir da in Coburg über das sogenannte Gefängnisgrundstück.
Das Gefängnis war ein riesiger Kasten und eine Bruchbude. Was im Zusammenhang mit dem ganzen Areal am Hofgarten viel trauriger ist, ist, dass für den Bau des Diakonisch-Sozialen Zentrums das Zarenschlösschen gesprengt wurde. Ich finde die Kritik überzogen. Die Planung ist nicht falsch. Die neuen Gebäude sollten gegliedert und nicht zu wuchtig werden, fügen sich aber an das DSZ an. Sie ersetzen nicht mehr kleine Vorstadthäuser, sondern den ehemaligen Gefängnisbau. Ich habe mich bei der Diskussion nicht eingeklinkt, sondern dies einer Stadtbild-Arbeitsgruppe überlassen, die eine eigene Meinung vertreten hat.

Wenn Sie über die 40 Jahre Bilanz ziehen sollten: Wie würde sie ausfallen?
Auch wenn ich manchmal selbst Zweifel habe, hoffe und glaube ich, dass wir doch etwas bewirkt haben, sei es auch nur eine Änderung des Bewusstseins für den Erhalt unserer schönen Stadt. Aber das Problem ist der Nachwuchs. Um gegen etwas zu protestieren, findet man schnell Mitstreiter. Aber das verfestigen und den Kampf weiterführen, als Vorsitzender Veranstaltungen zu organisieren, ehrenamtlich für die Menschen Häuser zu sanieren - diese Mühe will sich keiner machen. Ich suche dennoch einen Nachfolger, denn ich merke leider, dass ich langsamer machen muss. Zumindest werde ich jemanden im Büro einarbeiten, damit die Arbeit weiterlaufen kann, wenn ich mal ausfalle.


Andere über Hans-Heinrich Eidt und seine Arbeit für Stadtbild Coburg


Michael Stoschek, Spender: Der dauerhafte Erhalt von Baudenkmälern ist für eine Stadt wie Coburg mit ihrer 960 Jahre alten Geschichte von herausragender Bedeutung. Die Bewahrung denkmalgeschützter Gebäude ist nur möglich, wenn sie auch genutzt werden. Hier gilt es für die zuständigen Behörden Kompromisse einzugehen, denn ungenutzte und verfallene Denkmäler sind sicher die schlechteste Lösung. Dr. Eidt hat sich über Jahrzehnte beispielhaft ehrenamtlich für das Bild der Stadt Coburg und damit seine Attraktivität verdient gemacht Ich schätze seine Energie und Geduld, auch gegen Widerstände für die gute Sache zu kämpfen.

Birgit Weber, Zweite Bürgermeisterin und Baureferentin der Stadt Coburg: Dr. Eidt ist durch seine unermüdliche Arbeit zu einem wertgeschätzten Streiter für die Anliegen des Denkmalschutzes in Coburg geworden. Ich schätze an ihm, dass er trotz allem nie die Realität aus den Augen verliert und auch die Grenzen des Machbaren erkennt und gegebenenfalls auch offen vertritt. In einer historisch geprägten Innenstadt wie sie Coburg glücklicherweise besitzt, ist es wichtig, Fürsprecher wie Dr. Eidt haben, die es verstehen zwischen Erneuerung und Bewahren mit Sachverstand und Kompetenz abzuwägen. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und auf viele weitere gelungene Projekte.


Personen und Namen

Hans Heinrich Eidt, 74, ist Rechtsanwalt und seit 36 Jahren Stadtratsmitglied in Coburg (FDP). Er machte sich als Kämpfer für den Denkmalschutz und Vorsitzender der Gemeinschaft Stadtbild Coburg einen (politischen) Namen.

Stoschek-Volkmann-Spende Michael Stoschek und Christine Volkmann, Anteilseigner von Brose, spendeten nach dem Großbrand in der Herrngasse 2012 fünf Millionen Euro für den Wiederaufbau der historischen Gebäude. Weil von dem Geld nur wenig gebraucht wurde, stellten sie es für die Sanierung schützenswerter Häuser in der Innenstadt zur Verfügung. Eine Million Euro sind als Zuschuss für den Bau einer Schlossplatztiefgarage reserviert. Die Gemeinschaft Stadtbild Coburg verwaltet das Geld, berät Bauherren und zahlt Zuschüsse aus.

Ausstellung Ab Samstag, 30. Juli, 16 Uhr, ist auf dem Albertsplatz eine Ausstellung zu sehen, die die Tätigkeit der Gemeinschaft fürs Stadtbild würdigt. Organisiert wurde die Ausstellung vom Coburger Designforum Oberfranken