Unser Redakteur Oliver Schmidt hat sich die ZDF-Doku über "Die Coburger" angeschaut. Seine Reaktion war ein Reflex, der für einen "Residenzler" typisch ist.
Ist das vielleicht einfach nur der typische Reflex eines "Residenzlers", stolz und glücklich zu sein, wenn in ganz Deutschland ein Fernsehbeitrag über "sein"
Coburg zu sehen ist? Nein. Zumindest nicht nur. Denn die 45-minütige ZDF-Dokumentation über "Die Coburger" war richtig gut gemacht. Und, vor allem: Es war nicht nur die übliche Darstellung der geschickten Heiratspolitik, die dem Hause Sachsen-Coburg europaweit Einfluss auf zahlreiche Throne bescherte. Das dunkle Kapitel Carl Eduard wurde ebenso beleuchtet, und es fehlte auch nicht ein Brückenschlag ins Belgien von heute.
Belgien? Ja, Belgien. Denn dessen erster König Leopold (von Sachsen-Coburg) sei es gewesen, so die übereinstimmende Meinung aller Experten in der Dokumentation, der das riesige Familiennetzwerk gesponnen habe. Patrick Weber, Journalist und Autor des Buchs "La Saga des Saxe-Cobourg", brachte es wie folgt auf den Punkt: "Nicht Queen Victoria ist die Großmutter Europas, sondern Leopold ist der Großonkel Europas!"
Umso erstaunter zeigte sich Patrick Weber, dass in Coburg öffentlich kaum etwas auf diesen verdienstvollen Leopold, der allen voran auch Queen Victoria und Prinz Albert miteinander verkuppelt habe, hinweist. "In Coburg wird man überall an die englische Königsfamilie erinnert, aber nicht an die belgische", sagte er und findet: "Das ist unfair!" In der Tat: Im Beitrag waren zum Beispiel das Denkmal von Prinz Albert oder die Schilder der beiden Cafés "Queens" und "Prinz Albert" zu sehen. Aber was weist denn in Coburg schon auf Leopold hin? Nun, es gibt im Herzen der Stadt die Leopoldstraße. Für die Oudenaarder Straße, mit der zumindest Coburgs belgische Partnerstadt gewürdigt wird, hat es aber schon nur noch für eine Straße draußen im Gewerbegebiet Lauterer Höhe gereicht.
Was aber nicht vergessen darf: In der Niederfüllbacher Stiftung, die unter dem Vorsitz von OB Norbert Tessmer sehr viel Gutes im Raum Coburg tut, steckt zu einem Großteil belgisches Vermögen. Hätte sie den Namen "Leopold-Stiftung", würde das vielleicht deutlicher werden. Das wäre aber wohl deshalb keine gute Idee, weil es im Zweifelsfall den falschen Leopold würdigen würde. Denn die Stiftung wurde 1907 von Leopolds Sohn, Prinz Leopold II., errichtet. Und der ist durch seine Ausbeutungen im Kongo zu eher zweifelhaftem Ruhm gelangt. Auch das war in der ZDF-Doku ein Thema.
Aber trotzdem: Die Doku war eine gute Werbung für das Coburg der Gegenwart. Wie sagte der Erzähler so schön: "Coburg - heute Heimat für 40 000 Menschen und Reiseziel für Kulturliebhaber und Royal-Romantiker." Ein besonders leidenschaftliches Plädoyer für Coburg hielt Simeon Sakskoburggotski. Der ehemalige König und ehemalige Ministerpräsident von Bulgarien sagte in Anspielung auf die vielen Freunde und Verwandte, die er in Coburg gerne treffe: "Mal davon abgesehen, dass die Stadt wirklich ganz bezaubernd ist, gibt es viele gute Gründe, nach Coburg zu kommen!" Wenn Simeon nicht ohnehin schon Ehrenbürger der Stadt wäre, müsste man das ob dieser Liebeserklärung glatt vorschlagen.
Schade nur, dass nicht ganz so viele Zuschauer wie vom ZDF erhofft die Dokumentation sahen. Die Einschaltquote am Dienstagabend lag nur bei 2,4 Millionen - das sind deutlich weniger als zuvor die "Rosenheim Cops" (3,5 Millionen) oder später auch die "37 Grad"-Reportage (2,8 Millionen). Noch enttäuschender fällt der Vergleich mit anderen Sendern aus: 4,8 Millionen sahen zeitgleich die ARD-Serie "Um Himmels Willen", und beim sogenannten "jüngeren Publikum" (das sind für die Fernsehmacher die 14- bis 49-Jährigen) lag die Musikshow "Sing meinen Song" mit Lena Meyer-Landrut & Co. ganz vorne.
In Kritikerkreisen wurde prompt gelästert. "Adel verpflichtet nicht mehr", schrieb das Portal Meedia.de. Die Quote für "Die Coburger" zur besten Sendezeit sei "wenig royal" gewesen. Und angesichts dessen, dass es in der Reihe über "Königliche Dynastien" noch zwei weitere Folgen gibt, blickt Meedia.de nach vorne: "In den nächsten Wochen müssen die Oranier und die Glücksburger ran, um die Schlappe wieder wettzumachen." Der stolze Coburger schüttelt da natürlich den Kopf: Wer, wenn nicht wir, soll denn die Massen anziehen?! Vielleicht ist das aber auch nur so ein typischer Reflex.