Das Rätsel der "Türkenbeute" auf der Veste Coburg

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Dieses Reitzeug entstand in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts vermutlich in den Hofwerkstätten des osmanischen Sultans in Istanbul und diente als auszeichnendes Geschenk für einen hochrangigen Militärangehörigen des osmanischen Heeres. Foto: Kunstsammlungen Coburg
Dieses Reitzeug entstand in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts vermutlich in den Hofwerkstätten des osmanischen Sultans in Istanbul und diente als auszeichnendes Geschenk für einen hochrangigen Militärangehörigen des osmanischen Heeres. Foto: Kunstsammlungen Coburg
Pulverflasche, osmansiches Reich, 17. JahrhundertFoto: Kunstsammlungen der Veste Coburg/Lutz Naumann
Pulverflasche, osmansiches Reich, 17. JahrhundertFoto: Kunstsammlungen der Veste Coburg/Lutz Naumann
 
Im ehemaligen Speisezimmer des restaurierten Fürstenbaus sind seit 2008 Teile der sogenannten "Türkenbeute" des Prinzen Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1737 bis 1815) zu sehen. Foto: Jochen Berger
Im ehemaligen Speisezimmer des restaurierten  Fürstenbaus sind seit 2008 Teile der sogenannten "Türkenbeute" des Prinzen Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1737 bis 1815) zu sehen. Foto: Jochen Berger
 
Büste von Prinz Friedrich JosiasFoto: Jochen Berger
Büste von Prinz Friedrich JosiasFoto: Jochen Berger
 
Im ehemaligen Speisezimmer des restaurierten Fürstenbaus sind seit 2008 Teile der sogenannten "Türkenbeute" des Prinzen Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1737 bis 1815) zu sehen. Foto: Jochen Berger
Im ehemaligen Speisezimmer des restaurierten  Fürstenbaus sind seit 2008 Teile der sogenannten "Türkenbeute" des Prinzen Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1737 bis 1815) zu sehen. Foto: Jochen Berger
 
Im frühen 20. Jahrhundert setzte eine Heroisierung von Prinz Friedrich Josias ein. Im Oktober 1911 wurde dieses Denkmal am Theaterplatz offiziell eingeweiht.Foto: Jochen Berger
Im frühen 20. Jahrhundert setzte eine Heroisierung von Prinz Friedrich Josias ein. Im Oktober 1911 wurde dieses Denkmal am Theaterplatz offiziell eingeweiht.Foto: Jochen Berger
 

Auf der Veste Coburg gibt es zahlreiche wertvolle Exponate aus der Zeit der Türkenkriege. Die etablierte Bezeichnung aber wirft im Licht neuer Forschungen viele Fragen auf.

Der Name klingt martialisch und war einst auch ganz bewusst gewählt: "Türkenbeute". Unter diesem Etikett firmieren zahlreiche Exponate in den Kunstsammlungen der Veste Coburg: diverse Waffen, prachtvolles Zaumzeug, aber auch ein Reitermantel oder ein großes Zelt. Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld soll sie nach der Schlacht bei Martinestie im September 1789 mitgebracht haben.

"Türkenbeute" - in Zeiten, in denen eifrig nach rassistischen oder diskriminierenden Formulierungen und Bezeichnungen gesucht wird, ist dieses Etikett durchaus heikel. Längst wird dieser Sammlungsteil vorsorglich als "sogenannte Türkenbeute" bezeichnet.

Ist das eine reine Vorsichtsmaßnahme oder gar schon ein Indiz, dass die Kunstsammlungen der Veste Coburg am Anfang einer Umbenennungsaktion stehen? Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben seit 2020 bei inzwischen 143 Exponaten eine solche Umbenennung vollzogen - beispielsweise auch bei einem "Mohr mit Smaragden".

Für Sven Hauschke, Direktor der Coburger Kunstsammlungen, besteht in dieser Hinsicht jedoch kein akuter Handlungsbedarf. Denn neben der "sogenannten Türkenbeute" gebe es in den Coburger Sammlungen kaum Objekte, deren Bezeichnungen als rassistisch oder diskriminierend zu interpretieren seien. Im Falle der "sogenannten Türkenbeute" sei dies im Lichte neuer Erkenntnisse sehr wahrscheinlich auch aus andren Gründen gar nicht erwägenswert.

Bei näherer Betrachtung spreche vieles dafür, dass es sich bei der vermeintlichen Beute von Prinz Friedrich Josias um "Repräsentationsgut" handele - nicht vom Schlachtfeld als Trophäe mitgenommen, sondern gekauft. Bei den Exponaten handle es sich um prachtvolle Objekte, die belegen, welche Bedeutung osmanisches Kunsthandwerk Ende des 18. Jahrhunderts besaß.

Derzeit erforscht Marcus Pilz, seit Mai 2020 Kurator der Kunstsammlungen und zuständig auch für die historische Waffensammlung, die Geschichte der sogenannten "Türkenbeute".

Für ihn ist unmissverständlich klar, dass der Begriff "Türkenbeute" und deren Zuschreibung zu Prinz Friedrich Josias und der Schlacht im Jahr 1789 zumindest in Teilen irreführend ist. Denn einige Exponate sind deutlich älter. Die früheste Quelle ist aus seiner Sicht eine Reise des Coburger Herzogs Albrecht, der Ende des 17. Jahrhunderts nach Ungarn reiste und dort als adliger Tourist Schauplätze des Krieges gegen das osmanische Reich besuchte und von dieser Reise Erwerbungen mit nach Coburg brachte.

Klar ist aus der Sicht von Pilz zudem, dass die teilweise fälschliche Zuschreibung nicht Prinz Friedrich Josias anzulasten ist. Die pauschale Verwendung des Begriffs Türkenbeute" kam vielmehr Anfang des 20. Jahrhunderts in Mode - im Zeitalter des um sich greifenden Nationalismus. Das Schlagwort "Türkenbeute" stamme aus einer Zeit, in der man sehr an der Stilisierung von Helden interessiert war. Dafür eignete sich in Coburg besonders Prinz Friedrich Josias - auch wenn der sich nicht unbedingt vorrangig als Sieger über die Türken" sah. Die Schlacht gegen das osmanische Reiche habe für ihn "sicher nicht die überragende Rolle gespielt", ist Pilz überzeugt.

Um allerdings "eine neue Begrifflichkeit zu finden", müsse die Erforschung erst abgeschlossen werden. Der nächste Schritt sei, nach Gotha zu schauen und dort zu erforschen, ob im 19. Jahrhundert Exponate mit osmanischer Herkunft zwischen Coburg und Gotha getauscht wurden, als aus dem Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha wurde.

Auch wenn ein möglicher neuer Begriff statt "Türkenbeute" mithin noch eine Weile auf sich warten lassen wird - differenzierter werde dieser neue Begriff auf jeden Fall sein. Aktuell sieht Sven Hauschke noch "keinen Zwang, diesen Namen zu ändern. Der Name sei zwar irreführend, aber etabliert und mit dem Zusatz "sogenannt" klar genug eingeordnet.

Die Erforschung der "Türkenbeute" werfe "neue spannende Fragen auf, die wir thematisieren werden, wenn wir diesen Sammlungsteil neu gestalten werden."

Kunstsammlungen der Veste Coburg

"Türkenbeute" Im ehemaligen Speisezimmer des restaurierten Fürstenbaus sind seit 2008 Teile der sogenannten "Türkenbeute" des Prinzen Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1737 bis 1815) zu sehen. Dieser Sammlungsteil besteht vor allem aus unterschiedlichsten Waffen, aber auch aus diversen Ausrüstungsgegenständen wie Reitzeug, Zelt und Gerätschaften. Derzeit wird in einem Projekt die genaue Herkunft der mehrere Dutzend Exponate erforscht.

Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1737 bis 1815) brachte es bis zum Reichsgeneralfeldmarschall. Im Jahr 1806 rettete er seine Heimatstadt vor Plünderung und Brandschatzung durch die Armee Napoleons. Friedrich Josias ist der jüngste Sohn des Herzogs Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der mit der Gräfin Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt verheiratet war. Er nahm an 13 Feldzügen und 16 Schlachten teil. Prinz Josias machte sich zu Lebzeiten einen Namen als klug agierender Feldherr. Er war der letzte Reichsgeneralfeldmarschall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Ein nach Entwürfen von Professor August Sommer geschaffenes Denkmal des Prinzen wurde am 24. Oktober 1911 auf dem Theaterplatz in Coburg eingeweiht. - Öffnungszeiten Kunstsammlungen der Veste Coburg: bis 7. November täglich von 9.30 bis 17 Uhr, ab 9. November Dienstag bis Sonntag 13 bis 16 Uhrred