Das Streitthema Max-Brose-Straße hat bundesweite Dimensionen erreicht. Obwohl es viel Kritik gibt, zeichnet sich im Stadtrat eine politische Mehrheit für die Umbenennung ab.
Die Einschaltquote war hoch: 2,65 Millionen Zuschauer sahen am Donnerstagabend das Nachrichtenmagazin "Kontraste" in der ARD - und erfuhren somit auch vom seit Wochen in Coburg tobenden Streit um eine Max-Brose-Straße. Die Pressestelle der Firma Brose hatte sich bereits vor der Ausstrahlung zu Wort gemeldet und von mehreren "falschen Tatsachenbehauptungen" gesprochen, die alleine schon die Ankündigung des Beitrags im Internet enthalte. Nach der Ausstrahlung hieß es, man wolle nichts mehr dazu sagen.
Tenor des Beitrags: Stadtrat knickt vor Stoschek ein Stattdessen äußerten sich die Vorsitzenden der beiden größten Stadtratsfraktionen - und zeigten sich nicht gerade glücklich, in welches Licht Coburg plötzlich bundesweit gerückt werde. Denn der Tenor in "Kontraste" war: Der Stadtrat knickt vor einem mächtigen Wirtschaftsboss ein und hofft dadurch wieder auf Spenden.
Jürgen Oehm (CSU) sprach von einer "einseitigen Berichterstattung"; außerdem sei der unterschwellige Vorwurf, der Stadtrat werde gekauft, "dummes Zeug". Bettina Lesch-Lasaridis (SPD) erklärte: "Das ist in Coburg mittlerweile ein unglaublich emotionales Thema. Da ist in einem achtminütigen Beitrag ja gar keine differenzierte Berichterstattung möglich."
Zu Wort kam in "Kontraste" unter anderem Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden. Er stellte klar, dass es nicht darum gehe, "Max Brose generell zu verdammen". Doch für eine Straßenbenennung erwarte er eine "Vorbildfunktion in jeder Hinsicht". Und speziell in einer Stadt wie Coburg sollte die Latte "besonders hoch" gelegt werden; das war eine Anspielung auf die braune Vergangenheit von Coburg, der ersten Stadt Deutschlands mit einer NSDAP-Mehrheit im Stadtrat.
Nach Ansicht von Michael Stoschek war sein Großvater Max Brose aber sehr wohl ein Vorbild - selbst wenn der Unternehmer im Dritten Reich als Wehrwirtschaftsführer fungierte, was aber an seinem Posten als IHK-Präsident gelegen habe. Stoschek verweist auf die Entnazifizierungsakte, in der Max Brose 1949 nur als "Mitläufer" eingestuft wird. In "Kontraste" kam jedoch der Historiker Tim Schanetzky zu Wort, der nach dem Wert von Entnazifizierungsakten gefragt wurde. Er sagte: "Da wurde gelogen, dass sich die Balken bogen."
Auch, dass sich Stoschek auf eine Aufarbeitung des Historikers Gregor Schöllgen beruft, wurde von "Kontraste" kritisch gesehen: Bei dem Buch über die Brose-Firmengeschichte habe es sich um eine vom Unternehmen bezahlte "Auftragsarbeit" gehandelt. Außerdem heißt es: "Michael Stoschek, einer der reichsten Männer Deutschlands, kämpft mit allen Mitteln um die Ehre seines Großvaters."
"Es gibt keinen Deal" Apropos Geld: Im TV-Beitrag wurde daran erinnert, dass die Firma Brose seit 2004, als ein erster Anlauf für eine Max-Brose-Straße im Coburger Stadtrat scheiterte, keine Spenden mehr an Coburger Einrichtungen zahlt. Der somit entstehende Vorwurf, es gebe jetzt einen "Deal Straße gegen Spenden", hatte Stoschek aber jüngst in einer Pressekonferenz zurückgewiesen - auch im Interview mit "Kontraste", das nun aber nicht Teil des Fernsehbeitrags war.
Ob Coburg eine Max-Brose-Straße bekommt, entscheidet der Stadtrat am 21. Mai. Nach jetzigem Stand gibt es eine Mehrheit dafür.
Auf der Titelseite der "Coburger Zeitung" vom 02.02.1924 wird von der Jahresversammlung des Nationalliberalen Vereins Coburg berichtet, welche der 2. Vorsitzende und damalige Stadtrat Max Brose mit dem Ausruf eröffnete: "Die Deutsche Volkspartei ist tot - es lebe die Nationalliberale Landespartei in Bayern, Ortsgruppe Coburg".
Eine Rede im Rahmen dieser Jahresversammlung ist massiv antisemitsch geprägt und verdeutlicht die damalige Gesinnung Max Brose's: "....Die nationale und völkische Gesundung des deutschen Volkes muß gefördert werden. Das ganze deutsche Volk muß eine Einheit bilden. Dagegen ist der j ü d i s c h e G e i s t einzudämmen. Der Jude ist nicht minderwertig, er ist nur andersartig. Diese andersartige Rasse darf in Deutschland nicht überwiegend Einfluß gewinnen. Es ist bedauerlich, daß die Einwanderung aus dem Osten im Reich und in Preußen in den Händen von Zionisten liege. In der Presse, Theater, Kunst und Wissenschaft, Kino ec. seien die Juden tonangebend. Dieser Zustand kann nicht länger ertragen werden. Die Zurückdrängung der Juden ist ein Gebot völkischer Politik. Die Ostjuden sind auszuweisen..... O Deutschland hoch in Ehren! (Lebhaftes Bravo)....."
Und jetzt wird es für mich zynisch sowie - als Coburger, der sich mit der Geschichte seiner Heimatstadt auseinandergesetzt hat - unerträglich:
Nach diesem antisemisch gefärbten Max Brose soll eine Straße benannt werden, die genau an der ehemaligen jüdischen Synagoge (St.-Nikolaus-Kapelle) vorbei führt. 1933 wurde den jüdischen Mitbürgern Coburgs die Nutzung der St.-Nikolaus-Kapelle als Synagoge durch die Nazis (zu deren Mitgliedern und Meinungsführern Max Brose gehörte) untersagt (Näheres hierzu in: Hubert Fromm: "Die Coburger Juden").
Will der Stadtrat von Coburg bei seiner Abstimmung über die "Max-Brose-Straße" am 21. Mai 2015 wirklich ein solches Eigentor schießen, fragt sich Rolf Metzner
Hier der Link zur "Coburger Zeitung" vom 02.02.1924:
http://digipress.digitale-sammlungen.de/de/fs1/calen
http://digipress.digitale-sammlungen.de/de/fs1/calendar/1924-02-02.1396849-x/bsb00001162_00109.html?zoom=1.0
bzw. http://tinyurl.com/Co-Z-2-2-1924
Und für die Stadträte gilt: "Sikyos pikros? aphes!"
Diese antisemitischen Worte stammen nicht von Max Brose, sondern vom Führer der kurz vorher gegründeten National-Liberalen Landespartei in Bayern, Herrn Lenz aus Erlangen. Max Brose hat aber wohl die Sitzung eröffnet und war 2. Vorsitzender der Ortsgruppe Coburg.
Das zeigt auch ein Bild seiner politischen Orientierung. Ursprünglich Mitglied der Deutschen Volkspartei unter Gustav Stresemann und für diese im Coburger Stadtrat wechselte Max Brose damals wegen des "LInksrucks" der DVP unter Stresemann (der für seine Politik mit dem Friedensnobelpreis) ausgezeichnet wurde zu National-Liberalen Landespartei (NLLP). Später wechselte er zu DNVP (Deutsch-Nationalen Volkspartei) und wie bekannt dann 1933 zur NSDAP.
Diesen Eindruck muss jeder gewinnen, der die Diskussionen in den letzten Wochen verfolgt. Da können sich die Vorsitzenden der beiden großen Stadtratsfraktionen wehren wie sie wollen. Sie sind nichts mehr anderes als willfährige Erfüllungsgehilfen der alles beherrschenden Firma Brose, speziell des Herrn Michael Stoschek. Der sagt, wo es lang geht, und führt die Stadträte wie Tanzbären vor. Das ist das Hauptproblem der Auseinandersetzung. Es geht schon längst nicht mehr um die Straßenbezeichnung, sondern um den Einfluss dieses Herrn auf die Stadtratspolitik. Und die Stadträte ruinieren den Rest des guten Rufes der Stadt Coburg, sofern ein solcher überhaupt noch vorhanden ist. Eine Stadt, die nach dem Geld der Firma Brose giert und den letzen Funken Anstand dabei preisgibt, hat jede Reputation verloren. Gute Nacht, Coburg! Diese Stadt hat ihr Renommee verspielt.