Der Prozess gegen Ulrich S., der im vergangenen Oktober im Alten Schützenhaus seine Frau erschossen hat, wird am Donnerstag fortgesetzt.
Etwas mehr als eine Woche ist vergangen, seit der Prozess gegen den früheren Coburger Gastronom Ulrich S. begonnen hat. Der 55-Jährige hat am 6. Oktober vergangenen Jahres seine Ehefrau mit einem Schuss aus einer Schrotflinte getötet - so viel steht fest. Der Angeklagte beteuert, das ganze sei ein tragisches Unglück gewesen, die Staatsanwaltschaft glaubt ihm nicht.
In Coburg ist der Prozess indes Stadtgespräch. Schließlich ist Ulrich S. kein Unbekannter. Doch wie viel Wahrheit steckt in dem, was man sich so erzählt, und wie viel ist einfach nur Tratsch? Der eine weiß "ganz sicher", dass es ein Dreiecksverhältnis zwischen Ulrich S., seiner Ehefrau Marie und der Ex-Frau, Eva-Maria S., gegeben habe. Der nächste erzählt munter und so als sei er persönlich dabei gewesen, dass das Opfer, Marie S., doch längst eine Wohnung in München und dazu natürlich auch einen Geliebten gehabt habe.
Der dritte kennt einen, der einen kennt, der einen kennt... Wenn der Prozess am Donnerstag, 1. August, am Landgericht weiter geht, wird auch München Thema sein. Viele Zeugen sind geladen, unter anderem ein Hotelmanager, der vielleicht Licht in die Münchner Geschichte und damit in die tatsächlichen Pläne der getöteten Marie S. bringen kann.
Kennengelernt hatte Ulrich S. seine dritte Frau 1997 bei einer Geburtstagsfeier in einem Coburger Restaurant, wo sie als Tänzerin auftrat. 1999 heiratete das Paar, nachdem Ulrich S. im Jahr zuvor von seiner zweiten Ehefrau geschieden worden war. Dass es in seiner dritten Ehe nicht immer rund lief, gab der Angeklagte am ersten Verhandlungstag selbst zu - sogar von Trennung sei die Rede gewesen. Unbestritten ist auch, dass Marie S. die Absicht hatte, sich beruflich neu zu orientieren.
Nach Teneriffa abgesetzt Von 2005 bis 2008 hatte Ulrich S.
zunächst versucht, mit seiner Familie auf Teneriffa Fuß zu fassen. Er selbst bezeichnete den Umzug auf die Kanaren-Insel als "Auswandern", doch Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein sah dies etwas anders und half der Erinnerung des Angeklagten in scharfem Ton auf die Sprünge: Er habe sich der Justiz entzogen, weil er Schulden bei ehemaligen Geschäftspartnern hatte, warf sie Ulrich S. vor. Zu Hause in Deutschland "wurde alles getan, um ihren Aufenthaltsort zu verschweigen". Selbst die zweite Ehefrau des Angeklagten habe nichts verraten, "bis ihr die Polizei auf die Füße gestiegen ist", schimpfte Haderlein.
Auch als Ulrich S. mit seiner Frau und dem Sohn in die Heimat zurückkehrte (hier wurde er wegen Betrugs verurteilt), war Eva-Maria S. zur Stelle. Sie ließ die drei in ihrem Coburger Gasthaus wohnen und das Ehepaar mitarbeiten.
2008 kaufte die Ex-Frau das Alte Schützenhaus, das gerade zum Verkauf stand, für knapp 400 000 Euro. Damit habe sie "zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen", sagte Eva-Maria S. im Zeugenstand. Zum einen konnte das Ehepaar S. dort beruflich wieder auf die Füße kommen und "sie konnten bei mir wieder ausziehen".
Doch die Geschäfte seien nicht gut gelaufen, räumte die Gastronomin ein. Im September 2010 wurde das Alte Schützenhaus wieder geschlossen. Der Verkauf des Hauses scheiterte. Deshalb sprach Eva-Maria S. mit ihrem Steuerberater darüber, Insolvenz anzumelden und den Pachtvertrag für das Alte Schützenhaus auf die dritte Frau ihres Ex-Mannes zu übertragen. Ulrich S. konnte wegen des Betrugs-Urteils selbst keine Gaststättenerlaubnis beantragen. Parallel dazu sah sich das spätere Opfer allerdings bereits in München nach einem neuen Job um.
Im Juni 2012 eröffnete Eva-Maria S.
im Alten Schützenhaus eine Pizzeria. Laut ihrer Aussage arbeitete ihr Ex-Mann dort mit, allerdings nicht als Pächter. Seine Ehefrau sei erst später, im August, mit eingestiegen. In der Zwischenzeit, so Ulrich S., habe sie in verschiedenen Hotels gearbeitet - zunächst in Aschaffenburg, dann in München. Anfang Oktober hätte sie eine Stelle in einem Wellness-Hotel bei München antreten können.
Ulrich S. sollte mitkommen, wollte aber seine Ex-Frau nicht mit der gerade erst eröffneten Pizzeria im Stich lassen. Überhaupt sei er der ganzen München-Geschichte "negativ gegenüber gestanden", fasste er zusammen. "Ich wollte keine Wochenendbeziehung und es hätte sich auch nicht gerechnet." Um Eifersucht sei es nicht gegangen, antwortete, S. auf die Frage des Vorsitzenden Richters, Gerhard Amend.
"Dazu hat sie mir im ganzen Leben keinen Anlass gegeben."
Mitte August sei das Thema München vom Tisch gewesen, erinnerte sich Eva-Maria S.. Von der Trennung habe niemand mehr gesprochen, stattdessen habe das Paar die kirchliche Hochzeit nachholen wollen. Sogar Gespräche mit dem Abt von Vierzehnheiligen habe es schon gegeben, wie Ulrich S. aussagte. Weil der Wunsch nach einem zweiten Kind im Raum gestanden sei, habe sich das Ehepaar auch von einem Frauenarzt beraten lassen.
Noch am Tattag sei Marie S. nachmittags bei der Ex-Frau ihres Mannes gewesen und habe mit ihr über ihre Pläne für die nächsten Tage gesprochen. So habe sie am folgenden Tag, dem Sonntag, nach München zum Oktoberfest fahren wollen. Ulrich S. sollte am Montag nachkommen - unter anderem, um bei einem Stadtbummel ein Brautkleid auszusuchen.
Der Prozess wird am Donnerstag um 9 Uhr am Landgericht Coburg fortgesetzt.